Urteil des BGH vom 12.04.2016

Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas mbH Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2016:120416BENVR3.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
EnVR 3/15
Verkündet am
12. April 2016
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas mbH
ARegV § 23 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 7, Abs. 6
a) Eine bloße Ersatzbeschaffung kann weder im Zusammenhang mit § 23
Abs. 1 Satz 1 ARegV noch im Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7
ARegV als Umstrukturierungsinvestition bzw. Umstrukturierungsmaßnahme
angesehen werden (Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013
- EnVR 18/12, RdE 2014, 291 - 50Hertz Transmission GmbH).
b) Eine Ersatzbeschaffung, die zu einer Verbesserung von technischen Para-
metern führt, ist insoweit als Umstrukturierungsmaßnahme anzusehen, als
sie vor Ablauf der nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen als üblich an-
zusehenden Nutzungsdauer erfolgt.
BGH, Beschluss vom 12. April 2016 - EnVR 3/15 - OLG Düsseldorf
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2016 durch die
Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg und die Richter Prof. Dr. Strohn,
Dr. Grüneberg, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur wird der Be-
schluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf
vom 12. März 2014 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses
vom 28. April 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
das Beschwerdegericht angeordnet hat, dass die beabsichtigte
Maßnahme bei der erneuten Entscheidung des Genehmigungsan-
trags in vollem Umfang als Umstrukturierungsinvestition anzuse-
hen ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Bundesnetzagentur verpflich-
tet, die erneute Entscheidung über den Genehmigungsantrag un-
ter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu treffen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander auf-
gehoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
2,91 Millionen Euro festgesetzt.
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Gründe:
A. Die Antragstellerin betreibt ein Gasverteilernetz. Mit Schreiben vom
20. März 2012 beantragte sie bei der Bundesnetzagentur die Genehmigung
einer Investitionsmaßnahme zur Erhöhung der Sicherheit von Hochdruckleitun-
gen aus Stahl.
Die geplante Maßnahme betrifft den vorgezogenen Ersatzneubau des
Bestandes an Stahlleitungen in sechs Teilnetzen, die mit einem Druck zwischen
4 und 16 bar betrieben werden. Die vorhandenen Leitungen sind nach dem
Vorbringen der Antragstellerin unzureichend gegen Korrosion geschützt. Die
neuen Leitungen sollen mit einem Korrosionsschutz versehen werden, der dem
gültigen Regelwerk des Deutschen Vereins des Wasser- und Gasfachs
(DVGW) entspricht. Hierzu sind als passive Maßnahme eine Umhüllung und als
aktive Maßnahme das Anlegen einer elektrischen Spannung (kathodischer Kor-
rosionsschutz) vorgesehen. Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft
des Landes Sachsen-Anhalt hat die Erforderlichkeit des Projekts bestätigt.
Die Bundesnetzagentur hat den Antrag abgelehnt. Auf die Beschwerde
der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht diese Entscheidung aufgehoben
und die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung verpflichtet. Dagegen wendet
sich die Bundesnetzagentur mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwer-
de, der die Antragstellerin entgegentritt.
B. Das zulässige Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Die Bundesnetz-
agentur bleibt zwar zur erneuten Bescheidung des Antrags verpflichtet. Die
hierbei zu berücksichtigenden rechtlichen Vorgaben weichen aber in entschei-
denden Punkten von denjenigen des Beschwerdegerichts ab.
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I.
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
folgt begründet:
Die beantragte Maßnahme betreffe zwar keine Erweiterungs- oder Um-
strukturierungsinvestition im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV. Sie werde
aber von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV erfasst. Diese Vorschrift erweitere
den Anwendungsbereich der genehmigungsfähigen Investitionen und erfasse
anders als Satz 1 auch bloße Ersatzbeschaffungen. Sie sei geschaffen worden,
um umfangreiche Maßnahmenprogramme im Sinne einer Komplettsanierung
genehmigen zu können. Auf die Frage, ob der Netzbetreiber solche Maßnah-
men in der Vergangenheit aus Nachlässigkeit unterlassen habe, komme es
nicht an.
Die geplante Investition sei auch eine grundlegende Maßnahme im Sinne
von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV. Nach dem Willen des Verordnungsgebers
seien Maßnahmen als grundlegend anzusehen, wenn sie über die typische,
regelmäßige, jeden Netzbetreiber gleichermaßen treffende Ersatzbeschaffung
hinausgingen. Ausgeschlossen seien vereinzelte, punktuelle Maßnahmen wie
die Ersatzbeschaffung nach einem lokalen Schadensereignis. Nicht erforderlich
sei hingegen, dass es sich um ein deutschlandweites oder flächendeckendes
Sanierungsprogramm handle. Das Vorhaben der Antragstellerin sei in diesem
Sinne grundlegend. Dem stehe nicht entgegen, dass bereits ein Teil der Leitun-
gen ausgetauscht worden und nur noch rund 780 km des Leitungsnetzes sanie-
rungsbedürftig seien. Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur handle
es sich auch nicht um eine turnusgemäße Erneuerung von Leitungen. Die be-
triebsgewöhnliche Nutzungsdauer betrage 55 bis 65 Jahre. Diese Frist sei auch
bei den ältesten Leitungen, die nach dem Vortrag der Antragstellerin aus dem
Jahr 1966 stammten, noch nicht abgelaufen.
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II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Zu Unrecht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, eine
Maßnahme könne auch dann als Umstrukturierungsmaßnahme im Sinne von
§ 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV angesehen werden, wenn sie in einer bloßen
Ersatzbeschaffung besteht.
a) Nach der auch vom Beschwerdegericht zitierten Rechtsprechung des
Senats ist eine Maßnahme als Erweiterungs- oder Umstrukturierungsinvestition
im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV anzusehen, wenn sie sich nicht im
Austausch bereits vorhandener Komponenten und damit zwangsläufig einher-
gehenden Verbesserungen erschöpft, sondern jedenfalls auch zu einer nicht
nur unbedeutenden Vergrößerung des Netzes oder zu einer nicht nur unbedeu-
tenden Veränderung von sonstigen technischen Parametern führt, die für den
Betrieb des Netzes erheblich sind (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013
- EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 32 - 50Hertz Transmission GmbH).
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts gilt diese Voraus-
setzung auch für Umstrukturierungsmaßnahmen im Sinne von § 23 Abs. 1
Satz 2 Nr. 7 ARegV.
Nach der Rechtsprechung des Senats können die in § 23 Abs. 1 Satz 2
ARegV aufgeführten Regelbeispiele zwar eine Orientierungshilfe für die Ausle-
gung von § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV bilden. § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV dient
aber nicht dazu, den in Satz 1 normierten Grundtatbestand zu modifizieren. Der
Vorschrift kommt vielmehr die Funktion zu, den Anwendungsbereich dieses
Tatbestandes zu veranschaulichen und die Rechtsanwendung in typischen
Konstellationen zu vereinfachen (BGH, RdE 2014, 291 Rn. 16 f. - 50Hertz
Transmission GmbH). Dies hat zum einen zur Folge, dass der Tatbestand von
§ 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV nicht im Hinblick auf einzelne Regelbeispiele um
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Voraussetzungen ergänzt werden darf, die dort nicht vorgesehen sind (BGH,
RdE 2014, 291 Rn. 16 f. - 50Hertz Transmission GmbH). Zum anderen darf ein
sowohl in Satz 1 als auch in Satz 2 verwendeter Begriff grundsätzlich nicht un-
terschiedlich ausgelegt werden. Letzteres gilt auch für den in § 23 Abs. 1 Satz 2
Nr. 7 ARegV und in § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV verwendeten Begriff der Um-
strukturierungsinvestition bzw. Umstrukturierungsmaßnahme.
aa) Aus dem Wortlaut von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV ergeben sich
keine Hinweise auf die vom Beschwerdegericht stattdessen vorgenommene
Differenzierung.
(1) Dass in § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV von Umstrukturierungsinvestitio-
nen, in § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV hingegen von Umstrukturierungsmaß-
nahmen die Rede ist, hat keine Auswirkungen auf die Auslegung des Begriffs
"Umstrukturierung".
In § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV wird der Begriff "Investitionen" bereits in der
den einzelnen Ausführungsbeispielen vorangestellten einleitenden Formulie-
rung verwendet. Das in § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV definierte Regelbeispiel
betrifft mithin "Investitionen, die vorgesehen sind für … Umstrukturierungsmaß-
nahmen". Dies ist gleichbedeutend mit dem in § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV ver-
wendeten Begriff der Umstrukturierungsinvestitionen.
(2) Der besondere Regelungsgehalt von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV
besteht darin, die Voraussetzungen zu konkretisieren, unter denen eine Um-
strukturierungsinvestition aufgrund des mit ihr angestrebten Ziels als genehmi-
gungsfähig anzusehen ist.
Während § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV insoweit nur abstrakte Zielsetzungen
wie die Stabilität des Gesamtsystems und den bedarfsgerechten Ausbau des
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Energieversorgungsnetzes nennt, wird dies in § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV
dahin konkretisiert, dass die technische Sicherheit des Netzes betroffen und
dass die Notwendigkeit der Maßnahme durch eine behördliche Anordnung oder
Bestätigung dokumentiert sein muss.
Aus dieser Konkretisierung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass
der Begriff der Umstrukturierung in anderem Sinne zu verstehen sein könnte als
im Zusammenhang mit dem Grundtatbestand.
bb) Aus Zweck und Systematik der Regelung ergibt sich keine abwei-
chende Beurteilung.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist hierbei unerheb-
lich, ob § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV ein eigenständiger Anwendungsbereich
zukommt oder ob sich alle von der Vorschrift erfassten Fälle auch unter Satz 1
subsumieren ließen. Wie bereits oben dargelegt wurde, kommt § 23 Abs. 1
Satz 2 ARegV die Funktion zu, die Rechtsanwendung in typischen Konstellatio-
nen zu vereinfachen. Zur Verwirklichung dieser Funktion ist nicht erforderlich,
dass die Vorschrift den Kreis der genehmigungsfähigen Investitionen erweitert.
Es genügt, wenn sie die Abgrenzung der genehmigungsfähigen von nicht ge-
nehmigungsfähigen Investitionen für eine typische Konstellation erleichtert. Dies
wird schon durch die aufgezeigte Konkretisierung der die Genehmigungsfähig-
keit begründenden Voraussetzungen erreicht.
cc) Aus dem Umstand, dass in den Materialien zu § 23 Abs. 1 Satz 2
Nr. 7 ARegV (BR-Drucks. 417/07 [Beschluss] S. 12 f.) als typische Anwen-
dungsfälle der Ersatz von Hochspannungsmasten aus Thomasstahl und Gaslei-
tungen aus Grauguss angeführt werden, können ebenfalls keine abweichenden
Schlussfolgerungen gezogen werden.
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Zwar handelt es sich bei den genannten Maßnahmen typischerweise
auch um Ersatzinvestitionen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass diese nach
Satz 2 Nr. 7 stets in vollem Umfang genehmigungsfähig sind. Nach der allge-
meinen Zielsetzung des § 23 Abs. 1 ARegV ist eine Investition vielmehr auch
dann genehmigungsfähig, wenn sie sowohl als Ersatzinvestition als auch als
Erweiterungs- oder Umstrukturierungsinvestition zu qualifizieren ist. In diesen
Fällen ist im Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 ARegV nur ein prozentualer Anteil
der Kosten berücksichtigungsfähig (BR-Drucks. 417/07, S. 67; BGH, Beschluss
vom 17. Dezember 2013 - EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 23 - 50Hertz
Transmission GmbH). Für den Ersatz von Hochspannungsmasten aus
Thomasstahl und Gasleitungen aus Grauguss kommt eine Genehmigung mithin
jedenfalls insoweit in Betracht, als die Maßnahme zugleich zu einer Umstruktu-
rierung führt, also zu einer nicht nur unbedeutenden Veränderung von techni-
schen Parametern, die für den Betrieb des Netzes erheblich sind. Dieser
Grundsatz wird in den Materialien zu § 23 ARegV auch im Zusammenhang mit
Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV nicht in Frage gestellt oder modifiziert.
Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass nach § 23
Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV auch reine Ersatzbeschaffungen genehmigungsfä-
hig oder Investitionen, die sowohl dem Ersatz vorhandener Komponenten als
auch einer Umstrukturierung dienen, stets in voller Höhe berücksichtigungsfähig
sein sollen. Sowohl der Kreis der aufgrund ihres Gegenstands genehmigungs-
fähigen Investitionen als auch der Anteil der berücksichtigungsfähigen Kosten
ist vielmehr nicht anders zu bestimmen als bei § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV.
2. Trotz dieses Rechtsfehlers haben die vom Beschwerdegericht aus-
gesprochene Aufhebung der Ausgangsentscheidung und die Verpflichtung zur
Neubescheidung Bestand. Bei einer Auslegung von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7
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ARegV in dem oben aufgezeigten Sinne sind die im Streitfall zu beurteilenden
Investitionen zum Teil als Umstrukturierungsinvestitionen genehmigungsfähig.
a) Nach der bereits aufgezeigten Definition ist eine Investition als Um-
strukturierungsinvestition anzusehen, wenn sie jedenfalls auch zu einer nicht
nur unbedeutenden Veränderung von sonstigen technischen Parametern führt,
die für den Betrieb des Netzes erheblich sind. Ausgeschlossen ist nur der bloße
Austausch bereits vorhandener Komponenten. Um eine klare Abgrenzung zu
ermöglichen, müssen die Wirkungen der Investition nicht nur unbedeutend über
diejenigen Wirkungen hinausgehen, die mit dem Austausch einer vorhandenen
Komponente zwangsläufig verbunden sind (BGH, RdE 2014, 291 Rn. 32 f.
- 50Hertz Transmission GmbH). Technische Verbesserungen, die mit einer Er-
satzbeschaffung im Hinblick auf den weiterentwickelten Stand der Technik
zwingend oder zumindest üblicherweise verbunden sind, reichen nicht aus, um
eine Umstrukturierungsmaßnahme zu bejahen (BGH, RdE 2014, 291 Rn. 43
- 50Hertz Transmission GmbH).
b) Bei dieser Abgrenzung ist auch die Nutzungsdauer der bisher einge-
setzten Komponenten zu berücksichtigen.
Die vom Senat formulierten Kriterien für die Abgrenzung zwischen einer
Umstrukturierungsinvestition und einer Ersatzbeschaffung betreffen den Fall,
dass eine vorhandene Komponente nach Ablauf ihrer gewöhnlichen Nutzungs-
dauer ersetzt wird und die als Ersatz beschaffte Komponente allein wegen des
während dieser Zeit eingetretenen technischen Fortschritts zusätzliche Funktio-
nen aufweist und schon deswegen zu einer Verbesserung von technischen Pa-
rametern des Netzes führt.
Hiervon zu unterscheiden ist eine Ersatzbeschaffung, die aus besonde-
ren Gründen vor Ablauf der gewöhnlichen Nutzungsdauer erforderlich wird.
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Wenn eine solche Ersatzbeschaffung zu einer Verbesserung von technischen
Parametern führt, mag dies im Einzelfall ebenfalls allein auf den seit der letzten
Beschaffung eingetretenen technischen Fortschritt zurückzuführen sein. Ein
solcher Verbesserungseffekt geht dennoch über die Wirkungen einer reinen
Ersatzbeschaffung hinaus, weil er früher eintritt als bei einer Auswechslung
nach Ablauf der nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen als üblich anzuse-
henden Nutzungsdauer. Bei der Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Quote
bietet es sich in solchen Konstellationen an, nur denjenigen Anteil heranzuzie-
hen, der dem Verhältnis zwischen dem bis zum Ende der gewöhnlichen Nut-
zungsdauer verbleibenden Zeitraum und der gesamten gewöhnlichen Nut-
zungsdauer entspricht. Wenn zum Beispiel eine Komponente mit einer gewöhn-
lichen Nutzungsdauer von fünfzig Jahren aus technischen Gründen schon nach
dreißig Jahren ausgetauscht werden muss, sind danach zwei Fünftel der für
den Austausch anfallenden Kosten berücksichtigungsfähig.
c) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts beträgt die be-
triebsgewöhnliche Nutzungsdauer der auszuwechselnden Leitungen im Streit-
fall mindestens 55 Jahre; die ältesten Leitungen haben im Zeitpunkt der Antrag-
stellung hingegen nur eine Nutzungsdauer von 46 Jahren aufgewiesen.
Danach ist jedenfalls ein Teil der Kosten genehmigungsfähig. Die Ermitt-
lung der danach relevanten Quote kann der Bundesnetzagentur im Rahmen der
anstehenden Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung
des Senats überlassen werden.
3. Wie das Beschwerdegericht insoweit zutreffend angenommen hat,
kann eine vollständige Ablehnung des Genehmigungsantrags nicht auf den
Umstand gestützt werden, dass die beabsichtigte Maßnahme aus technischer
Sicht schon vor längerer Zeit hätte vorgenommen werden müssen.
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a) Nach dem Wortlaut von § 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 7 ARegV
ist unerheblich, auf welchem Grund die Notwendigkeit der Maßnahme beruht.
Die Vorschrift knüpft nicht daran an, dass die Umsetzung der techni-
schen Standards zeitnah nach deren Erlass erfolgt, und differenziert auch nicht
danach, wer eine verzögerte Umsetzung gegebenenfalls zu vertreten hat.
b) Eine engere Auslegung der Vorschrift kann nicht aus ihrem Zweck
abgeleitet werden.
Zwar wird in den Materialien zu § 23 ARegV hervorgehoben, auf die Be-
treiber von Fernleitungs- und Übertragungsnetzen - für die Absatz 1 unmittelbar
anwendbar ist - kämen durch gesetzliche Anforderungen in erheblichem Um-
fang zusätzliche Aufgaben zu, die erhöhte Kosten verursachten (BR-
Drucks. 417/07 S. 66 f.). Nicht alle der in Absatz 1 Satz 2 aufgeführten Regel-
beispiele knüpfen aber an eine Änderung von externen Anforderungen an.
Demgemäß hat der Senat bereits entschieden, dass als Umstrukturierungs-
maßnahmen nicht nur solche Maßnahmen anzusehen sind, die durch eine kon-
krete Änderung der Anforderungen an das in Rede stehende Netz veranlasst
sind, sondern dass die Abgrenzung zwischen Umstrukturierungsinvestitionen
und bloßen Ersatzinvestitionen anhand des Gegenstands der Investitionsmaß-
nahme zu erfolgen hat (BGH, RdE 2014, 291 Rn. 26 - 50Hertz Transmission
GmbH).
Für den im Streitfall relevanten Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7
ARegV gilt insoweit nichts anderes. Er knüpft - anders als etwa die Tatbestände
in Nr. 1 und Nr. 2 - nicht an externe Anforderungen wie den Anschluss von be-
stimmten Stromerzeugungsanlagen an, sondern an die Notwendigkeit, die Si-
cherheit des Netzes zu gewährleisten. Insoweit befinden sich, wie in den Mate-
rialien zu § 23 Abs. 6 ARegV ausdrücklich hervorgehoben wird, die Betreiber
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von Verteilernetzen in derselben Situation wie die Betreiber von Übertragungs-
netzen (BR-Drucks. 417/07 S. 68). Gerade unter dem Aspekt der Sicherheit
erschiene es aber wenig folgerichtig, die Genehmigung einer Investitionsmaß-
nahme davon abhängig zu machen, ob die Maßnahme schon früher hätte
durchgeführt werden können.
c) Dies mag in Einzelfällen dazu führen, dass einem Netzbetreiber nur
deshalb die Möglichkeit zur Stellung eines Antrags nach § 23 ARegV eröffnet
ist, weil er sein Netz in der Vergangenheit nicht im an sich gebotenen Umfang
erneuert hat. Jedenfalls bei der Anpassung an Sicherheitsanforderungen kann
diesem Aspekt jedoch keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen.
Mit der Zielsetzung der Anreizregulierung ist es allerdings grundsätzlich
nicht vereinbar, Effizienzvorgaben nach §§ 12 ff. ARegV oder Qualitätsvorga-
ben nach §§ 18 ff. ARegV allein im Hinblick auf historische Gegebenheiten mil-
der auszugestalten und damit zur Perpetuierung eines zu den Zielen des § 1
Abs. 2 EnWG in Widerspruch stehenden Zustands beizutragen. Nach der
Rechtsprechung des Senats kommt deshalb zum Beispiel eine Bereinigung des
Effizienzwerts gemäß § 15 ARegV aufgrund der technischen Beschaffenheit
des Netzes grundsätzlich allenfalls dann in Betracht, wenn das Unterbleiben
von Verbesserungsmaßnahmen in der Vergangenheit auf Umständen beruht,
die von außen an den Netzbetreiber herangetragen wurden und auf die er kei-
nen unmittelbaren Einfluss hatte (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014
- EnVR 12/12 Rn. 113 - Stadtwerke Konstanz GmbH; Beschluss vom
7. Oktober 2014 - EnVR 25/12 Rn. 44).
Bei der Genehmigung von Investitionsmaßnahmen nach § 23 Abs. 1
Satz 2 Nr. 7 ARegV geht es indes darum, einen bestehenden Zustand zu über-
winden und das Netz für die Zukunft auf einen den aktuellen Sicherheitsanfor-
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derungen entsprechenden Stand zu bringen. Dieser Zielsetzung widerspräche
es, eine Maßnahme nur deshalb als nicht genehmigungsfähig anzusehen, weil
der Netzbetreiber sie schon früher hätte durchführen können.
d) Soweit es wie im Streitfall um den aus technischen Gründen erfor-
derlichen Ersatz von vorhandenen Komponenten vor Ablauf der gewöhnlichen
Nutzungsdauer geht, ergibt sich ein Anreiz zu möglichst frühzeitigem Handeln
zudem schon daraus, dass der berücksichtigungsfähige Teil der Kosten gerin-
ger wird, je länger der Netzbetreiber die gebotene Maßnahme hinausschiebt
(dazu oben unter 2 b). Auch vor diesem Hintergrund erscheint eine weiterge-
hende Sanktionierung - die dazu führen könnte, dass der Netzbetreiber die
Durchführung der gebotenen Maßnahme mangels Genehmigungsfähigkeit noch
länger aufschiebt - weder geboten noch zweckdienlich.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG.
Auch wenn die Beschwerde im Ergebnis zu einer Aufhebung der Aus-
gangsentscheidung führt, erscheint eine Kostenaufhebung angemessen, weil
der Genehmigungsantrag nicht in vollem Umfang begründet ist und die voll-
ständige Aufhebung nur deshalb erfolgt, weil die Höhe des genehmigungsfähi-
gen Betrags auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht
beurteilt werden kann.
Limperg
Strohn
Grüneberg
Bacher
Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.03.2014 - VI-3 Kart 51/13 (V) -
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