Urteil des BGH vom 27.04.2007

Leitsatzentscheidung zu Trennung der Verfahren, Reform, Abtretung, Anpassung, Gerichtsbarkeit

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
BLw 25/06
vom
27. April 2007
in der Landwirtschaftssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 593 Abs. 1 Satz 1
Die mit dem Systemwechsel der Agrarförderung (GAP-Reform) für den Verpächter
von Ackerland verbundenen Nachteile rechtfertigen es - für sich genommen - nicht,
Altverträge nach § 593 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Weise anzupassen, dass der Päch-
ter verpflichtet wird, zugewiesene Zahlungsansprüche bei Beendigung des Pachtver-
trages an den Verpächter abzutreten.
BGH, Beschl. v. 27. April 2007 - BLw 25/06 - OLG München
AG Passau
wegen Anpassung eines Landpachtvertrages
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 27. April 2007
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter
Dr. Lemke und Dr. Czub sowie die ehrenamtlichen Richter Breitsameter und
Kreye
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Landwirt-
schaftssenats des Oberlandesgerichts München vom 28. Juli 2006
wird auf Kosten des Beteiligten zu 1, der dem Beteiligten zu 2
auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfah-
rens zu erstatten hat, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens 4.000 € beträgt und
die Kostenentscheidung in dem Schluss-Urteil des Amtsgerichts
Passau - Landwirtschaftsgericht - vom 11. Januar 2006 wie folgt
abgeändert wird:
Der Beteiligte zu 1 (Kläger) trägt die Gerichtskosten, die durch das
Verfahren auf Anpassung des Landpachtvertrages entstanden
sind. Außergerichtliche Kosten werden insoweit nicht erstattet.
Von den Kosten des (übrigen) Rechtsstreits tragen der Kläger 2/3
und der Beklagte 1/3.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
4.000 €.
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Gründe:
I.
Mit Vertrag vom 1. April 1998 verpachtete der Beteiligte zu 1 dem Betei-
ligten zu 2 Ackerland. Das Pachtverhältnis wurde einvernehmlich zum 31. März
2007 beendet.
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Der Beteiligte zu 1 hat vor dem Landwirtschaftsgericht gegen den Betei-
ligten zu 2 Klage auf Zahlung von rückständigen Pachtzinsen sowie auf Abgabe
einer Verpflichtungserklärung des Inhalts erhoben, die diesem nach Art. 43 der
Verordnung (EG) 1782/2003 infolge der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik
der Europäischen Union (GAP-Reform) zugewiesenen Zahlungsansprüche bei
Beendigung des Pachtvertrages an ihn, den Beteiligten zu 1, abzutreten.
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Das Landwirtschaftsgericht hat dem Zahlungsantrag durch Teilurteil
stattgegeben und die Klage im Übrigen durch Schlussurteil abgewiesen. Das
Oberlandesgericht - Landwirtschaftssenat - hat die gegen die Teilabweisung
gerichtete Berufung des Beteiligten zu 1, mit der er den Antrag auf Abtretung
der Zahlungsansprüche auch im Wege der Vertragsanpassung nach den Re-
geln der Änderung der Geschäftsgrundlage geltend gemacht hat, als sofortige
Beschwerde behandelt und diese zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen -
Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 seinen Antrag auf Verpflichtung
des Beteiligten zu 2 zur Abtretung von Zahlungsansprüchen (Ackerlandprä-
mien), bzw. auf entsprechende Vertragsanpassung, weiter.
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II.
Das Beschwerdegericht meint, der Antrag des Klägers, gerichtet auf eine
inhaltliche Änderung des Landpachtvertrages, habe nicht im Prozessverfahren,
sondern nach § 1 Nr. 1, § 9 LwVG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit
geltend gemacht werden müssen. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung
habe der Beteiligte zu 1 indes gegen das formell unrichtige, nämlich im Pro-
zessverfahren erlassene Schlussurteil Berufung einlegen können. Zu entschei-
den sei darüber aber in dem Verfahren, das bei richtiger Sachbehandlung ein-
zuschlagen gewesen wäre, also durch Beschluss.
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Die danach anzunehmende sofortige Beschwerde sei unbegründet. Ein
Anspruch aus § 596 Abs. 1 BGB gegen den Beteiligten zu 2 auf Herausgabe
der diesem zugeteilten Zahlungsansprüche bestehe nicht. Die nach der GAP-
Reform neu geregelten "EU-Direktzahlungen" stellten keine Rechte dar, die
zum Zustand der Pachtsache in einer bis zur Rückgabe fortgesetzten ord-
nungsmäßigen Bewirtschaftung gehörten. Der Beteiligte zu 1 könne auch nicht
nach § 593 Abs. 1, 4 BGB verlangen, dass der Pachtvertrag um eine Verpflich-
tung zur Abtretung der Zahlungsansprüche ergänzt werde. Dass eine wesentli-
che Änderung der dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Verhältnisse einge-
treten sei, sei seinem Vortrag nicht zu entnehmen.
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III.
1. Die auf dem Meistbegünstigungsprinzip beruhende Verfahrensweise
des Beschwerdegerichts ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht der Senats-
rechtsprechung (BGHZ 115, 162, 165) und trifft auch in der Sache zu, da über
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den auf § 593 BGB gestützten Anspruch nach § 1 Nr. 1 LwVG im Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden ist.
2. Die nach § 24 Abs. 1 LwVG zulässige Rechtsbeschwerde hat in der
Sache keinen Erfolg.
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a) Soweit das Beschwerdegericht einen Anspruch des Beteiligten zu 1
unmittelbar auf Abtretung von Zahlungsansprüchen nach § 596 Abs. 1 BGB
verneint hat, entspricht dies der - allerdings erst nach dessen Entscheidung er-
gangenen - Senatsrechtsprechung (Urt. v. 24. November 2006, LwZR 1/06,
RdL 2007, 94; ebenso Senatsurt. vom selben Tage, LwZR 3/06, AuR 2007, 48).
Auf die Begründung dort wird verwiesen. Die Rechtsbeschwerde gibt keine
Veranlassung, davon abzurücken.
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b) Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 593 Abs. 1
Satz 1 BGB liegen ebenfalls nicht vor.
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aa) Eine Änderung des Vertrages kann nach dieser Vorschrift verlangt
werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festlegung der Vertragsleistun-
gen maßgebend waren, nach Abschluss des Pachtvertrags nachhaltig so geän-
dert haben, dass die gegenseitigen Verpflichtungen in ein grobes Missverhältnis
zueinander geraten sind. Ob eine wesentliche und nachhaltige Veränderung der
Verhältnisse stattgefunden hat, lässt sich nur unter Berücksichtigung sämtlicher
Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art beantworten, die das wirtschaftliche
Interesse an der Nutzung von Pachtland unter Einbeziehung der örtlichen Be-
sonderheiten bestimmen (st. Senatsrechtsprechung, BGHZ 134, 158, 161 f.
m.w.N.).
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bb) Dem Beschwerdegericht ist zuzustimmen, dass solche Umstände
dem Vortrag des Beteiligten zu 1 nicht zu entnehmen sind. Dabei ist es zu
Recht davon ausgegangen, dass unbeschadet des Grundsatzes der Amtser-
mittlung nur diejenigen Umstände zu berücksichtigen sind, die nach der Tatsa-
chendarstellung der Partei, die die Anpassung des Vertrages anstrebt, eine sol-
che Anpassung rechtfertigen können. Der Grundsatz der Amtsermittlung befreit
die Beteiligten nämlich nicht von der Pflicht, durch eingehende Tatsachendar-
stellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Von dem Gericht
kann nicht erwartet werden, dass es unabhängig vom Vortrag der Beteiligten
allen nur denkbaren Möglichkeiten von Amts wegen nachgeht (BGHZ 16, 378,
383; Senat, Beschl. v. 29. April 2005, BLw 21/04, NJW-RR 2005, 1445, 1446).
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(1) Im Wesentlichen hat sich der Beteiligte zu 1 darauf berufen, dass er
bei einem Verkauf der verpachteten Grundstücke nach dem Ende der Pachtzeit
einen Mehrerlös von 6.500 € erzielen könne, wenn er dem Käufer auch ent-
sprechende Zahlungsansprüche übertragen könne. Daraus kann - wie das Be-
schwerdegericht zutreffend dargelegt hat - für eine Vertragsanpassung nichts
hergeleitet werden. Es ist schon nicht ersichtlich, wieso die Höhe eines Ver-
kaufserlöses Bedeutung für die Festsetzung der Vertragsleistungen des Pacht-
vertrages gehabt haben sollte. Jedenfalls verweist die Rechtsbeschwerde nicht
auf Vortrag in den Tatsacheninstanzen, der einen solchen Zusammenhang auf-
zeigt. Vorstellbar ist allenfalls, dass das Pachtland durch die veränderten Sub-
ventionsverhältnisse einen Wertverlust erlitten hat. Dazu findet sich nach den
von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwer-
degerichts indes kein Vortrag des Beteiligten zu 1. Aber auch wenn man von
einem Wertverlust ausginge, hätte das nicht automatisch nachhaltige Verände-
rungen der Verhältnisse des Pachtvertrages zur Folge, und vor allem nicht,
dass dadurch die gegenseitigen Verpflichtungen in ein grobes Missverhältnis
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zueinander geraten wären. Das hängt, worauf das Beschwerdegericht zu Recht
hingewiesen hat, von der marktwirtschaftlichen Entwicklung ab. Auch dazu fehlt
Vortrag des Beteiligten zu 1.
(2) Der pauschale Hinweis der Rechtsbeschwerde auf die "gravierende
Änderung der Prämienregelung", durch die der Verpächter "massiv beeinträch-
tigt" werde, vermag eine Vertragsanpassung ebenso wenig zu begründen. Der
EG-Verordnungsgeber hat sich für eine grundsätzliche Neuregelung der Agrar-
subventionen durch eine produktionsunabhängige, von der Bewirtschaftung
konkreter Flächen entkoppelte Förderung entschieden, die eine Beihilfe zur
Verbesserung der Einkommensverhältnisse des Betriebsinhabers darstellt (da-
zu Senat, Urt. v. 24. November 2006, LwZR 1/06, RdL 2007, 94, 96). Für die
Grundstückseigentümer und Verpächter mag damit der Nachteil verbunden
sein, dass sie bei Veräußerungen des Ackerlands nicht die Preise erzielen, die
sie erzielen könnten, wenn sie zugleich über die Subventionen verfügen könn-
ten, sei es, dass sie selbst Adressaten der Zahlungsansprüche wären, sei es,
dass diese ihnen bei Pachtende zufielen. Diese mit dem Systemwechsel der
Agrarförderung verbundenen Nachteile sind jedoch hinzunehmen. Sie rechtfer-
tigen es nicht, durch die Anwendung von § 593 Abs. 1 Satz 1 BGB auf alle Alt-
verträge die GAP-Reform und die darauf beruhende Neuregelung der Agrar-
subventionen, die zudem selbst besondere Verpächterschutzvorschriften für
Härtefälle bereit hält, aus den Angeln zu heben (vgl. - zum Kleingartenrecht -
BGH, Urt. v. 29. Juni 1995, III ZR 99/94, NJW-RR 1996, 142, 143).
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(3) Darin liegt, entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde, kein
Verstoß gegen Art. 14 GG. Ansprüche auf staatliche oder überstaatliche För-
dermittel, deren Übertragung der Beteiligte zu 1 begehrt, sind nicht Eigentum im
Sinne von Art. 14 GG (vgl. BVerfGE 97, 67, 83; BVerfG NVwZ 2002, 197). Dass
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sein Ackerland durch die Neuregelung der Agrarförderung in einer von Art. 14
GG geschützten Weise entwertet wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
IV.
1. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist abzuändern. Sie muss so
ausfallen, wie sie bei richtiger Sachbehandlung - nach Trennung der Verfah-
ren - hätte ergehen müssen.
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Danach hat der Beteiligte zu 1 hinsichtlich des nach § 1 Abs. 1 LwVG zu
beurteilenden Antrags zwar nach § 44 Abs. 1 LwVG die Gerichtskosten zu tra-
gen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beteiligten zu 2 findet aber
insoweit - dem Grundsatz entsprechend (vgl. § 45 Abs. 1 LwVG) - nicht statt.
Hinsichtlich des nach Zivilprozessrecht zu behandelnden Antrags bleibt es in
der Sache bei der nicht angefochtenen Entscheidung des Landwirtschaftsge-
richts. Allerdings muss die Kostenverteilung rechnerisch an den für diesen An-
trag verbliebenen Streitwert angepasst werden.
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2. Der Gegenstandswert für den im Verfahren der freiwilligen Gerichts-
barkeit zu behandelnden Antrag beträgt nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 b LwVG
4.000 €, und zwar für alle Instanzen.
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Krüger Lemke Czub
Vorinstanzen:
AG Passau, Entscheidung vom 11.01.2006 - 1 XV 9/05 -
OLG München, Entscheidung vom 28.07.2006 - 1 Lw U 2091/06 -