Urteil des BGH vom 20.06.2016

Leitsatzentscheidung zu Verzicht, Widerruf, Rechtsanwaltschaft, Verwaltungsakt

ECLI:DE:BGH:2016:200616UANWZ.BRFG.56.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
AnwZ (Brfg) 56/15
Verkündet am:
20. Juni 2016
Boppel,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 4, § 43c Abs. 4 Satz 2
a) Verzichtet der Rechtsanwalt gegenüber der Rechtsanwaltskammer schriftlich
auf die ihm verliehene Befugnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung,
so ist diese hierdurch regelmäßig "auf andere Weise" gemäß § 32 BRAO in
Verbindung mit § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt, ohne dass es hierfür zusätzlich
eines rechtsgestaltenden Aktes - etwa in Gestalt eines Widerrufs der Befug-
nis - bedarf.
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b) Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO, wonach die Zulassung zur
Rechtsanwaltschaft zu widerrufen ist, wenn der Rechtsanwalt auf die Rechte
aus der Zulassung verzichtet hat, ist auf den in § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO
nicht geregelten Fall des Verzichts des Rechtsanwalts auf die Befugnis zum
Führen der Fachanwaltsbezeichnung nicht analog anzuwenden.
BGH, Urteil vom 20. Juni 2016 - AnwZ (Brfg) 56/15 - AGH Dresden
wegen Widerrufs der Fachanwaltsbezeichnung
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 20. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser,
die Richter Seiters und Dr. Bünger sowie die Rechtsanwälte Dr. Kau und
Dr. Wolf
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 1. Senats des
Sächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 11. September 2015 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 €
festgesetzt.
Tatbestand:
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Der Kläger ist seit 1979 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Im Jahr
1995 verlieh ihm die Beklagte die Befugnis, die Bezeichnung "Fachanwalt für
Verwaltungsrecht" zu führen.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2014 forderte die Beklagte den Kläger auf,
zehn Stunden Fortbildung für die vorgenannte Fachanwaltsbezeichnung nach-
zuweisen. Der Kläger teilte ihr daraufhin mit, er habe bisher für das Jahr 2013
eine Fortbildung nicht durchgeführt, da er aufgrund beruflicher Belastungen
nicht die erforderliche Zeit habe aufwenden können; zugleich kündigte er einen
Verzicht auf das Führen seiner Fachanwaltsbezeichnung zum 30 Juni 2014 an.
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, die Fachanwaltsbezeichnung wer-
de grundsätzlich zu dem Zeitpunkt widerrufen, zu welchem der Verzicht auf die-
se erklärt werde.
Mit Schreiben vom 1. August 2014 forderte die Beklagte den Kläger er-
neut zum Nachweis der vorbezeichneten Fortbildung auf. Der Kläger kam die-
ser Aufforderung nicht nach und erklärte mit Schreiben vom 25. August 2014
den Verzicht auf den Titel "Fachanwalt für Verwaltungsrecht" mit Wirkung zum
31. August 2014. Mit Bescheid vom 28. August 2014 widerrief die Beklagte da-
raufhin die Befugnis des Klägers zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung we-
gen des von diesem erklärten Verzichts.
Auf die hiergegen erhobene Anfechtungsklage des Klägers hat der An-
waltsgerichtshof den vorstehend genannten Widerrufsbescheid aufgehoben.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Das erforderliche Rechts-
schutzinteresse des Klägers sei - entgegen der Auffassung der Beklagten - trotz
des von diesem erklärten Verzichts vorhanden. Die Klage sei auch begründet.
Der angegriffene Widerrufsbescheid sei rechtswidrig. Es fehle bereits an einem
zu widerrufenden Grundverwaltungsakt. Der Kläger habe gegenüber der Be-
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klagten - als der zuständigen Behörde - wirksam aufgrund der ihm zustehenden
Dispositionsbefugnis auf das Recht zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung
verzichtet. Hierdurch sei diese den Kläger begünstigende Rechtsposition erlo-
schen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Anwaltsgerichtshof
zugelassenen Berufung, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils
und die Abweisung der Klage erstrebt. Der Kläger verteidigt das angefochtene
Urteil.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen
zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2, 3 VwGO). Sie hat jedoch in der
Sache keinen Erfolg.
I.
Der Anwaltsgerichtshof hat mit Recht den angegriffenen Widerrufsbe-
scheid der Beklagten vom 28. August 2014 aufgehoben.
1. Die Klage ist, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat,
als Anfechtungsklage (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statt-
haft und auch im Übrigen zulässig. Der Anwaltsgerichtshof hat mit Recht auch
das - von der Beklagten in Zweifel gezogene - Rechtsschutzbedürfnis des Klä-
gers bejaht. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nach den hier gemäß § 112c
Abs. 1 Satz 1 BRAO maßgeblichen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsord-
nung nur ausnahmsweise dann, wenn die Rechtsstellung des Klägers selbst bei
einem Erfolg der Klage nicht verbessert würde, die Klage also nutzlos wäre;
nutzlos ist eine Klage nur, wenn sie dem Kläger offensichtlich keinerlei recht-
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lichen oder tatsächlichen - auch ideellen - Vorteil bringen könnte (BVerwG,
NVwZ 2016, 316 Rn. 19 mwN; BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2003 - 6 C
18.02, juris Rn. 17).
So liegt der Fall hier indes nicht. Denn die vom Kläger erstrebte gericht-
liche Aufhebung des Widerrufsbescheids bringt ihm jedenfalls den - von ihm
auch angestrebten - Vorteil, nicht mit einem Rechtsanwalt gleichbehandelt zu
werden, dessen Fachanwaltsbezeichnung wegen einer Verfehlung gemäß
§ 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO widerrufen worden ist. Eine solche Gleichbehand-
lung hat im Übrigen auch die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung als "nicht
wünschenswert" angesehen.
2. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit Recht auch als begründet
angesehen und den angefochtenen Widerrufsbescheid aufgehoben. Denn die-
ser ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - materiell rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte war zu einem Widerruf der Erlaubnis zum
Führen der Fachanwaltsbezeichnung weder gemäß § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO
noch aufgrund einer analogen Anwendung der vorbezeichneten Bestimmung in
Verbindung mit der Vorschrift über den Widerruf der Zulassung zur Rechtsan-
waltschaft nach erfolgtem Verzicht auf die Rechte aus der Zulassung (§ 14
Abs. 2 Nr. 4 BRAO) berechtigt. Für eine solche Analogie fehlt es bereits an der
erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Die dem Kläger verliehene Befug-
nis, die Bezeichnung "Fachanwalt für Verwaltungsrecht" zu führen, hat bereits
durch dessen gegenüber der Beklagten wirksam erklärten Verzicht ihre Wirk-
samkeit verloren, indem sie sich "auf andere Weise" im Sinne des nach § 32
Abs. 1 Satz 1 BRAO anwendbaren § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt hat. Eines zu-
sätzlichen rechtsgestaltenden Aktes in Gestalt eines Widerrufs bedurfte es hier-
zu nicht.
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a) Gemäß § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO kann die Erlaubnis des Rechtsan-
walts zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung von dem Vorstand der Rechts-
anwaltskammer widerrufen werden, wenn eine in der Berufsordnung vorge-
schriebene Fortbildung unterlassen wird. Die Voraussetzungen für einen sol-
chen Widerruf sind hier nicht erfüllt. Der Kläger hat zwar unstreitig die ihm nach
§ 15 Abs. 1 FAO obliegende Fortbildungspflicht für das Jahr 2013 nicht erfüllt.
Auf diesen - im angegriffenen Widerrufsbescheid nicht erwähnten - Umstand
hat die Beklagte den Widerruf der Erlaubnis des Klägers zum Führen der Fach-
anwaltsbezeichnung indes nicht gestützt. Er vermag - wie der Anwaltsgerichts-
hof zutreffend angenommen hat - an der Rechtswidrigkeit des angegriffenen
Widerrufsbescheids auch schon deshalb nichts zu ändern, weil es sich hier un-
streitig um eine erstmalige Verletzung der Fortbildungspflicht des Klägers han-
delt und die Beklagte die in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung des
Senats (Senatsbeschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, NJW-RR 2014,
1083 Rn. 10 mwN) vor einem Widerruf erforderliche Ausübung pflichtgemäßen
Ermessens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht vorgenommen
hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten war diese Ermessensausübung
hier auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil ihr Ermessen aufgrund der vom
Kläger in allgemeiner Form geäußerten Zweifel, ob die Fachanwaltsbezeich-
nung angesichts der großen Zahl inzwischen vorhandener Fachanwälte noch
Sinn ergebe, auf Null reduziert gewesen wäre.
b) Der Anwaltsgerichtshof ist ebenfalls zutreffend zu der Beurteilung ge-
langt, dass die Beklagte auch nicht aufgrund einer analogen Anwendung des
§ 14 Abs. 2 Nr. 4 in Verbindung mit § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO berechtigt war,
nach dem vom Kläger erklärten Verzicht auf die Befugnis zum Führen der
Fachanwaltsbezeichnung diese zusätzlich noch zu widerrufen. Die von der Be-
klagten vertretene gegenteilige Auffassung, wonach der Gesetzgeber bei der
Schaffung der Widerrufsvorschrift des § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO den Fall des
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Verzichts auf die Fachanwaltsbezeichnung - anders als beim Verzicht auf die
Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO) -
schlicht nicht bedacht habe und daher eine im Wege der analogen Anwendung
der vorbezeichneten Bestimmungen zu schließende planwidrige Regelungs-
lücke vorliege, trifft nicht zu.
aa) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-
schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt auf die Rechte aus der Zulassung
zur Rechtsanwaltschaft der Rechtsanwaltskammer gegenüber schriftlich ver-
zichtet hat. Eine solche Regelung enthält § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO für den
hier in Rede stehenden Fall des Verzichts auf die Befugnis zum Führen der
Fachanwaltsbezeichnung hingegen nicht.
Allerdings hat der Senat für die in § 43c Abs. 4 Satz 1 BRAO vorgesehe-
ne Möglichkeit der Rücknahme der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbe-
zeichnung entschieden, dass diese Bestimmung nicht als abschließende Rege-
lung anzusehen ist, die eine Rücknahme bei Vorliegen der Voraussetzungen
des § 48 VwVfG über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes
und nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts in
jedem Fall ausschließt. § 43c Abs. 4 Satz 1 BRAO lässt vielmehr Raum für die
entsprechende (vgl. § 2 Abs. 3 VwVfG) Anwendung des § 48 VwVfG auf andere
Fälle der rechtswidrigen Erlaubniserteilung (Senatsbeschluss vom 21. Mai 2004
- AnwZ (B) 36/01, NJW 2004, 2748 unter 1; Feuerich/Weyland/
Vossebürger, Bundesrechtsanwaltsordnung, 9. Aufl., § 43c BRAO Rn. 44).
Es kann dahin gestellt bleiben, ob Gleiches auch für den Widerruf der Er-
laubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung gemäß § 43c Abs. 4 Satz 2
BRAO und eine mögliche entsprechende Anwendung der allgemeinen Vor-
schrift des § 49 Abs. 2 VwVfG über den Widerruf eines - wie hier - rechtmäßi-
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gen begünstigenden Verwaltungsaktes gilt (vgl. Henssler/Prütting/Offermann-
Burckart, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl., § 43c BRAO Rn. 39; Quaas in
Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 43c BRAO Rn. 50; vgl.
auch Hartung/Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 43c
BRAO Rn. 67; aA Kleine-Cosack, Bundesrechtsanwaltsordnung mit Berufs- und
Fachanwaltsordnung, 6. Aufl., § 25 FAO Rn. 2 mwN). Denn im vorliegenden
Fall liegen - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - lediglich die
Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG vor, wonach der
Widerruf erfolgen darf, wenn er durch Rechtsvorschrift - hier § 43c Abs. 4
Satz 2 BRAO als maßgebliche spezielle Regelung - zugelassen ist, nicht hinge-
gen diejenigen der weiteren in § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG genannten Widerrufs-
gründe.
bb) Die Frage, ob - wie die Beklagte anders als der Anwaltsgerichtshof
meint - im Fall eines Verzichts des Rechtsanwalts auf die Befugnis zum Führen
der Fachanwaltsbezeichnung der Vorstand der Rechtsanwaltskammer berech-
tigt oder gar verpflichtet ist, diese zu widerrufen, ist bisher höchstrichterlich nicht
entschieden. Allerdings verliert der Rechtsanwalt die ihm verliehene Befugnis
zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung im Falle eines Widerrufs der Zulas-
sung zur Rechtsanwaltschaft (§ 14 Abs. 2 BRAO) mit der Bestandskraft dieses
Widerrufs und dem damit einhergehenden Erlöschen der Zulassung zur
Rechtsanwaltschaft (§ 13 BRAO), ohne dass es hierfür eines rechtsgestalten-
den Aktes in Form eines Widerrufs der Erlaubnis nach § 43c Abs. 4 Satz 2
BRAO bedarf (Senatsurteile vom 2. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 57/11, NJW-RR
2013, 177 Rn. 4 f. mwN; vom 11. Januar 2016 - AnwZ (Brfg) 49/14, AnwBl.
2016, 437 Rn. 5). In Fortführung dieser Grundsätze entscheidet der Senat die
eingangs genannte Rechtsfrage dahin, dass auch im Falle eines Verzichts des
Rechtsanwalts auf die ihm verliehene Befugnis zum Führen der Fachanwalts-
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bezeichnung diese bereits hierdurch ihre Wirksamkeit verliert, ohne dass es
eines Widerrufs nach § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO bedarf.
cc) Eine Berechtigung des Vorstands der Rechtsanwaltskammer zum
Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung folgt - wie der
Anwaltsgerichtshof mit Recht angenommen hat - auch nicht aus einer analogen
Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 4 in Verbindung mit § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO.
(1) Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Re-
gelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht
soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist,
dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessen-
abwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie
bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Ab-
wägungsergebnis gekommen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteile vom 16. Juli
2003 - VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380, 389 f.; vom 17. November 2009 - XI ZR
36/09, BGHZ 183, 169 Rn. 23; vom 21. Januar 2010 - IX ZR 65/09, BGHZ 184,
101 Rn. 32; jeweils mwN; vom 4. Dezember 2014 - III ZR 61/14, NJW 2015,
1176 Rn. 9; Beschlüsse vom 27. November 2003 - V ZB 43/03, WM 2004, 1594
unter III 3 b bb (2), insoweit in BGHZ 157, 97 nicht abgedruckt; vom 25. August
2015 - X ZB 5/14, GRUR 2015, 1253 Rn. 19; jeweils mwN). Die Lücke muss
sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von sei-
nem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden - Rege-
lungsplan ergeben (BGH, Urteile vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 274/02, aaO
S. 390; vom 17. November 2009 - XI ZR 36/09, aaO; vom 21. Januar 2010
- IX ZR 65/09, aaO; Beschlüsse vom 27. November 2003 - V ZB 43/03, aaO;
vom 25. August 2015 - X ZB 5/14, aaO), wie er sich aus dem Gesetz selbst im
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Wege der historischen und teleologischen Auslegung ergibt (BGH, Urteil vom
14. Dezember 2006 - IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 Rn. 15 mwN) und aufgrund
konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann (BGH, Urteil vom 13. April
2006 - IX ZR 22/05, BGHZ 167, 178, Rn. 18).
(2) Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungs-
lücke. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich weder aus der Bun-
desrechtsanwaltsordnung selbst noch aus den Gesetzesmaterialien ein Rege-
lungsplan des Gesetzgebers, wonach das im Falle eines Verzichts des Rechts-
anwalts auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14
Abs. 2 Nr. 4 BRAO bestehende Erfordernis eines zusätzlich zur Verzichtserklä-
rung auszusprechenden Widerrufs auch für den Fall des Verzichts des Rechts-
anwalts auf die ihm verliehene Befugnis zum Führen der Fachanwaltsbezeich-
nung gelten solle.
(a) Eine Vorschrift über den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der
Fachanwaltsbezeichnung wurde in die Bundesrechtsanwaltsordnung erstmals
im Zusammenhang mit der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Ver-
leihung von Fachanwaltsbezeichnungen durch das Gesetz zur Änderung des
Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 (BGBl. I
S. 150; im Folgenden: BRAO a.F.) - als § 42c Abs. 1 Satz 2 BRAO a.F. - einge-
fügt. Nach dieser Vorschrift konnte die Erlaubnis widerrufen werden, wenn eine
nach § 42d Abs. 1 BRAO a.F. durch Rechtsverordnung vorgeschriebene Fort-
bildung trotz Aufforderung des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer unterlas-
sen wurde. In der ursprünglichen Fassung des zunächst mit der Bezeichnung
"Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung" (BT-
Drucks. 11/6007) eingebrachten Gesetzentwurfs waren diese Vorschriften noch
nicht enthalten. Erst im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurden auf Emp-
fehlung des Rechtsausschusses des Bundestages die Vorschriften über die
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Fachanwaltsbezeichnung (§§ 42a bis 42d sowie § 210 BRAO a.F.) einschließ-
lich der eingangs genannten Bestimmung des § 42c Abs. 1 Satz 2 BRAO a.F. in
den Gesetzentwurf eingefügt und die Bezeichnung des Gesetzes wie oben ge-
nannt geändert (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des
Bundestages, BT-Drucks. 11/8307, S. 4, 13 bis 15, 17 und 19 f.). Der Gesetz-
entwurf ist in dieser Fassung vom Bundestag angenommen (BT-Plenarprotokoll
11/233, S. 18628 ff.) und nach erfolgter Zustimmung des Bundesrates (BR-
Plenarprotokoll 625, S. 674, sowie BR-Drucks. 834/90 [Beschluss]) wie oben
angeführt verkündet worden.
(b) Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung des
§ 42c Abs. 1 Satz 2 BRAO a.F. weitere Widerrufsgründe als den darin genann-
ten Grund des Unterlassens der vorgeschriebenen Fortbildung erwogen und
namentlich einen der Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO entsprechenden
Widerrufsgrund in seinen Regelungsplan der Vorschriften über die Fachan-
waltsbezeichnung aufgenommen gehabt hätte, sind weder dem Gesetz noch
den vorgenannten Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Vielmehr bestätigen
diese die bereits aus dem Wortlaut des § 42c Abs. 1 Satz 2 BRAO a.F. folgen-
de Erkenntnis, dass es dem Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Widerrufs-
möglichkeit lediglich um die Sanktionierung einer unterlassenen Fortbildung und
die damit verbundenen Verfahrensfragen ging (so auch BVerfG, NJW 2015,
394 Rn. 22).
Nach dem Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages sollte die
- auf Beratungen der Berichterstatter des Rechtsausschusses und Gesprächen
mit den Sachverständigen der betroffenen Berufsverbände (Bundesnotar-
kammer, Bundesrechtsanwaltskammer, Deutscher Anwaltsverein) sowie mit
Vertretern des Bundesjustizministeriums und mehrerer Bundesländer zurück-
gehende - Einfügung der Regelungen über das Führen von Fachanwaltsbe-
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zeichnungen dazu dienen, in Vorwegnahme der in der nächsten Legislatur-
periode zu beschließenden Berufsrechtsnovelle baldmöglichst eine rechtlich
einwandfreie Grundlage für die Verleihung von Fachanwaltsbezeichnungen zu
schaffen (BT-Drucks. 11/8307, S. 16 f., 19). In der Einzelbegründung zu § 42c
BRAO a.F. heißt es zum Widerrufsgrund lediglich:
"
Die Vorschrift befasst sich mit der Rücknahme und dem Widerruf der Er-
laubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung.
"
(BT-Drucks. 11/8307,
S. 19)
Anhaltspunkte für einen über die in § 42c Abs. 1 Satz 2 BRAO a.F. ge-
nannten Widerrufsvoraussetzungen hinausgehenden Regelungsplan des Ge-
setzgebers ergeben auch die oben genannten weiteren Materialien des Ge-
setzgebungsverfahrens nicht (vgl. insbesondere BT-Plenarprotokoll 11/233,
S. 18629, 18636, sowie Protokoll der 625. Sitzung des Bundesrates, S. 674).
(c) Auch im Rahmen der im Jahre 1994 erfolgten Novellierung der Bun-
desrechtsanwaltsordnung ist ein solcher Regelungsplan des Gesetzgebers
nicht zutage getreten. Durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der
Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I
S. 2278) wurden die §§ 42a-42d BRAO a.F. in dem neuen § 43c BRAO zu-
sammengefasst. An die Stelle des bisherigen § 42c Abs. 1 Satz 2 BRAO a.F.
trat § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO in der bis heute geltenden Fassung, wonach die
Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden kann,
wenn eine in der Berufsordnung vorgeschriebene Fortbildung unterlassen wird.
Eine inhaltliche Änderung der Vorschrift sollte nach dem Willen des Gesetzge-
bers damit nicht verbunden sein (BT-Drucks. 12/4993, S. 29). Dem entspre-
chend heißt es in der Begründung des Entwurfs des vorgenannten Gesetzes:
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"
Mit der Regelung in § 43c wird die Entscheidung des Gesetzgebers auf-
rechterhalten, dass die Rechtsanwaltskammer die Befugnis aussprechen
kann, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen. […]. Aus den bisherigen
Vorschriften der §§ 42a bis d werden die Normen mit statusbildendem
Charakter aufgegriffen, ohne dass inhaltliche Änderungen gegenüber dem
geltenden Recht vorgesehen wären. Absatz 1 erhält die grundsätzliche
Möglichkeit der Vergabe einer Fachanwaltsbezeichnung, […]. Die Grund-
züge des Verfahrens der Erteilung der Befugnis zur Führung einer Fach-
anwaltsbezeichnung regelt Absatz 2
[…], während Absatz 4 die
Voraussetzungen für Rücknahme und Widerruf vorsieht.
"
(BT-Drucks.
12/4993, aaO).
Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke ergeben sich auch
weder aus dem auf § 14 BRAO bezogenen Teil der Begründung des Gesetz-
entwurfs (vgl. BT-Drucks. 12/4993, S. 24 f.) noch sonst aus den Materialien des
weiteren Gesetzgebungsverfahrens, welches der Gesetzentwurf hinsichtlich der
beiden vorbezeichneten Bestimmungen unverändert durchlaufen hat (vgl. ins-
besondere Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des
Bundestages,
BT-Drucks.
12/7656,
S. 8;
BT-Plenarprotokoll
12/230,
S. 20019 f.).
(d) Gegen eine planwidrige Regelungslücke spricht zudem, dass die
Bundesrechtsanwaltsordnung bereits seit ihrem Erlass im Jahre 1959 (vgl. den
Gesetzentwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung vom 8. Januar 1958, BT-
Drucks. 3/120, S. 10, 62 f. [§ 26 Abs. 1 Nr. 5 BRAO-E]) - wie zuvor auch schon
die Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 (RGBl. S. 177; vgl. hierzu BT-
Drucks. 3/120, S. 62) - eine Regelung enthält, wonach ein Verzicht des Rechts-
anwalts auf die Zulassung zur Anwaltschaft möglich ist und im Falle eines sol-
chen Verzichts ein Widerruf (gemäß der damaligen Regelung: eine Zurücknah-
me) der Anwaltszulassung zu erfolgen hat.
Da dem Gesetzgeber mithin bei der Einführung der Vorschriften über die
Fachanwaltsbezeichnung bereits seit mehr als 100 Jahren vor Augen stand,
dass ein Rechtsanwalt auf eine ihm verliehene Rechtsposition wirksam verzich-
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ten und das Gesetz für diesen Fall zusätzlich einen Widerruf jener Rechtsposi-
tion durch die zuständige Behörde vorsehen kann, liegt die Annahme der Be-
klagten fern, der Gesetzgeber habe dies bei den Vorschriften über die Fachan-
waltsbezeichnung übersehen. Insofern verfängt auch die Auffassung der Be-
klagten nicht, ein Widerruf der Fachanwaltsbefugnis sei aus Gründen der
Rechtssicherheit und wegen der Anfechtbarkeit der Verzichtserklärung (vgl.
hierzu Senatsbeschluss vom 25. Januar 1971 - AnwZ (B) 11/70, juris Rn. 8,
10 ff.; Feuerich/Weyland/Vossebürger, aaO, § 14 BRAO Rn. 43 ff.; Schmidt-
Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, aaO, § 14 BRAO Rn. 25; jeweils mwN) erforder-
lich. Der Gesetzgeber hat vielmehr bewusst davon abgesehen, eine der spezi-
ellen Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO vergleichbare Regelung in § 42c
Abs. 1 Satz 2 BRAO a.F. beziehungsweise in § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO aufzu-
nehmen. Ihm ging es, wie bereits erwähnt, bei der Schaffung der auf die Fach-
anwaltsbezeichnung bezogenen Widerrufsmöglichkeit lediglich um die Sanktio-
nierung einer unterlassenen Fortbildung und die damit verbundenen Verfah-
rensfragen (vgl. BVerfG, NJW 2015, 394 Rn. 22).
(e) Die Schaffung einer Widerrufsregelung auch für den Fall des Ver-
zichts des Rechtsanwalts auf die Befugnis zum Führen der Fachanwaltsbe-
zeichnung war für den Gesetzgeber - was zusätzlich gegen das Vorliegen einer
planwidrigen Regelungslücke spricht - rechtlich auch nicht erforderlich. Denn
bereits der Verzicht des Rechtsanwalts auf diese Befugnis führt, ohne dass es
darüber hinaus eines rechtgestaltenden Aktes in Form eines Widerrufs der Er-
laubnis bedarf, zu ihrem Erlöschen, indem sie sich als Verwaltungsakt "auf an-
dere Weise" im Sinne des nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO anwendbaren § 43
Abs. 2 VwVfG erledigt und damit ihre Wirksamkeit verliert.
Nach § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und
soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder
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durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Er verliert folglich seine
Wirksamkeit, wenn eine der vorgenannten Voraussetzungen eingetreten ist
(vgl. BVerwG, NVwZ 1998, 729, 730; BVerwGE 139, 337 Rn. 13). Zu den von
der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen der Erledigung des Verwaltungs-
akts "auf andere Weise" im Sinne der letzten Variante des § 43 Abs. 2 VwVfG
zählt der - hier in Rede stehende - einseitige Verzicht (vgl. nur BVerwG, NVwZ-
RR 2015, 254 Rn. 3; CR 2010, 97 Rn. 18; VGH Mannheim, NVwZ 2014, 1597,
1598; jeweils mwN; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensge-
setz, 8. Aufl., § 43 Rn. 209; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz,
16. Aufl., § 43 Rn. 45).
In Rechtsprechung und Literatur ist die Möglichkeit des Verzichts des
Bürgers auf eine durch Verwaltungsakt vermittelte begünstigende öffentlich-
rechtliche Rechtsposition anerkannt (vgl. nur BVerwG, CR 2010; VGH Kassel,
NVwZ-RR 1995, 495; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, aaO, § 53 Rn. 29 ff.;
Kopp/Ramsauer, aaO, § 53 Rn. 50 ff.; Nebendahl/Rönnau, NVwZ 1988, 873,
875 ff. mwN). Ein solcher Verzicht setzt die Dispositionsbefugnis des Verzich-
tenden voraus (BVerwG, CR 2010, aaO; Sachs in Stelkens/Bonk/
Sachs, aaO Rn. 36 f.; Nebendahl/Rönnau, aaO); die Dispositionsbefugnis kann
ausnahmsweise fehlen, wenn gesetzliche Bestimmungen die Verzichtsbefugnis
einschränken oder wenn der Fortbestand der betroffenen Rechtsposition auch
öffentlichen oder anderweitigen privaten Interessen dient (vgl. Sachs in
Stelkens/Bonk/Sachs, aaO Rn. 37; Nebendahl/Rönnau, aaO S. 876 f.; vgl. auch
BVerwG, CR 2010, aaO). Der Verzicht muss eindeutig und unmissverständlich
gegenüber der zuständigen Behörde erklärt werden und wird mit dem Zugang
bei dieser wirksam (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, aaO Rn. 33 f.;
Nebendahl/Rönnau, aaO S. 879; vgl. auch BT-Drucks. 3/120, S. 62 f.). Ab dem
Zugang entfaltet der Verzicht Bindungswirkung und kann vom Verzichtenden
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nicht mehr widerrufen werden (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2013, 304 Rn. 24 ff.;
Kopp/Ramsauer, aaO Rn. 51).
Der auf diese Weise wirksam erklärte Verzicht führt - wenn nicht das Ge-
setz, wie etwa in § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO, weitergehende Anforderungen bein-
haltet - unmittelbar zum Verlust beziehungsweise zum Erlöschen der von ihm
betroffenen öffentlich-rechtlichen Rechtsposition (vgl. BVerwGE 84, 209, 211 f.;
BVerwG, NVwZ-RR 2013, aaO Rn. 28; OVG Saarlouis, NVwZ 1984, 657, 658;
Kopp/Ramsauer, aaO Rn. 50; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, aaO Rn. 29) mit
der Folge, dass der diese Rechtsposition vermittelnde Verwaltungsakt "auf an-
dere Weise" gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt ist und damit - ohne weiteren
rechtsgestaltenden Akt, wie hier etwa in Gestalt eines Widerrufs der Fachan-
waltsbefugnis - seine äußere und innere Wirksamkeit verliert (vgl. Senatsurteile
vom 2. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 57/11, NJW-RR 2013, 177 Rn. 4 f. mwN; vom
11. Januar 2016 - AnwZ (Brfg) 49/14, AnwBl. 2016, 437 Rn. 5; BVerwG, NVwZ
1998, aaO; BVerwGE 139, aaO Rn. 13, 15).
(3) Da es mithin bereits an einer planwidrigen Regelungslücke in § 43c
Abs. 4 Satz 2 BRAO fehlt, kommt es auf die weitere Annahme der Beklagten
nicht entscheidend an, es bestehe, jedenfalls was das öffentliche Interesse be-
treffe, hinsichtlich des Verzichts auf die Fachanwaltsbefugnis eine mit dem Ver-
zicht auf die Anwaltszulassung vergleichbare Interessenlage.
dd) Für den Streitfall ergibt sich aus dem Fehlen der Voraussetzungen
einer analogen Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 4 in Verbindung mit § 43c
Abs. 4 Satz 2 BRAO, dass die Beklagte mangels einer Rechtsgrundlage nicht
berechtigt war, die Fachanwaltsbefugnis des Klägers nach erfolgtem Verzicht
zu widerrufen. Die Fachanwaltsbefugnis ist vielmehr gemäß den vorstehend
genannten Grundsätzen des § 43 Abs. 2 VwVfG durch den Verzicht des Klä-
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gers, den der Anwaltsgerichtshof zutreffend als wirksam und insbesondere
auch als von der erforderlichen Dispositionsbefugnis des Klägers getragen an-
gesehen hat, erloschen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt ein Recht zum Widerruf der
Fachanwaltsbefugnis des Klägers schließlich auch nicht etwa "spiegelbildlich"
aus ihrem Recht zur Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung (§ 43c Abs. 1, 2
BRAO). Da der Gesetzgeber die Voraussetzungen für einen solchen Widerruf in
§ 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO gesetzlich geregelt hat und die Voraussetzungen
dieser Bestimmung hier weder in direkter Anwendung noch in analoger Anwen-
dung in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO erfüllt sind, kann der Beklagten
- wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat - durch das Gericht keine
weitergehende Widerrufsbefugnis zuerkannt werden. Ob im Einzelfall unter be-
stimmten Voraussetzungen - etwa wenn der Rechtsanwalt trotz des von ihm
erklärten Verzichts das Erlöschen der Fachanwaltsbezeichnung in Zweifel zieht
oder die Fachanwaltsbezeichnung weiterhin führt - ausnahmsweise durch einen
Verwaltungsakt klarstellend festgestellt werden darf, dass die Befugnis zum
Führen der Fachanwaltsbezeichnung durch den ausgesprochenen Verzicht er-
loschen ist, bedarf keiner Entscheidung.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52
Abs. 2 GKG.
Kayser
Seiters
Bünger
Kau
Wolf
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Vorinstanz:
AGH Dresden, Entscheidung vom 11.09.2015 - AGH 13/14 (I) -