Urteil des BGH vom 17.08.2015

Begründung des Urteils, Psychische Krankheit, Sorgfalt, Professor

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Anw Z (Brfg) 50/14
vom
17. August 2015
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Gutachtenanordnung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. König und Dr. Remmert sowie die
Rechtsanwälte Dr. Martini und Dr. Kau
am 17. August 2015
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nord-
rhein-Westfalen vom 12. September 2014 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 12.500
€ festgesetzt.
Gründe:
I.
Der am 7. Dezember 1938 geborene Kläger ist seit 1967 zur Rechtsan-
waltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 11. Juli 2014 gab die Beklagte dem
Kläger gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 BRAO auf, innerhalb einer Frist von drei
Monaten ab Zustellung des Bescheids ein Gutachten über seinen Gesundheits-
zustand vorzulegen. Als Gutachter bestimmte sie Professor Dr. A. aus M.
. Die Klage gegen den Bescheid vom 11. Juli 2014 hat der Anwaltsgerichts-
hof abgewiesen, da sie mangels Rechtsschutzinteresse des Klägers unzulässig
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sei. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des An-
waltsgerichtshofs. Mit Schriftsatz vom 27. April 2015 hat er im Berufungszulas-
sungsverfahren ein fachpsychiatrisches Gutachten von Professor Dr. A. vom
22. April 2015 vorgelegt. Er hat seinen Klageantrag geändert und beantragt
nunmehr unter anderem, unter Abänderung des Urteils des Anwaltsgerichtshofs
festzustellen, dass der angefochtene Bescheid vom 11. Juli 2014 rechtswidrig
war.
II.
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag
hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe
liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils beste-
hen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des an-
gefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder
eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage
gestellt wird (BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NVwZ 2000, 1163, 1164; NVwZ-RR
2008, 1; NJW 2009, 3642; BGH, Beschluss vom 29. Juli 2011 - AnwZ (Brfg)
11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542, 543;
Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl.,
§ 112e BRAO Rn. 77).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
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a) Die Klage ist allerdings zulässig.
aa) Dies gilt zunächst - bis zur Erledigung des angefochtenen Bescheids
vom 11. Juli 2014 - in Bezug auf die vom Antragsteller erhobene Anfechtungs-
klage. Insbesondere war insofern - entgegen der Auffassung des Anwaltsge-
richtshofs - im Hinblick auf den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2014 ein
Rechtsschutzbedürfnis des Klägers gegeben.
(1) Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Kläger durch sein gesam-
tes Verhalten zu erkennen gibt, mit dem Bescheid, gegen den er sich nun wen-
det, einverstanden zu sein (vgl. BVerwGE 54, 276, 278; Kopp/Schenke, VwGO,
21. Aufl., vor § 40 Rn. 43; Eyermann/Rennert, VwGO, 14. Aufl., vor §§ 40-53
Rn. 22). Jedoch ist insofern Zurückhaltung geboten. Das Gericht darf die Ge-
währung von Rechtsschutz nur verweigern, wenn ein rechtlich anerkennens-
wertes Interesse des Klägers an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung un-
ter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt. Im Zweifel ist das
Rechtsschutzinteresse zu bejahen (BVerwGE 121, 1, 3; Kopp/Schenke aaO
Rn. 38; Eyermann/Rennert aaO sowie Rn. 11).
(2) Nach diesem Maßstab war vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis des
Klägers anzunehmen.
Zwar sind die prozessualen Erklärungen des Klägers mehrdeutig. Er hat
im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof erklärt, er habe Verständnis für den
angefochtenen Bescheid, werde der Aufforderung des Sachverständigen Folge
leisten und den Termin wahrnehmen. Die Klage werde nur aus "rechtlicher Vor-
sorge" erhoben (Klageschrift S. 2). Insgesamt lässt sich seinem Vorbringen je-
doch entnehmen, dass er nur mit einer freiwilligen ärztlichen Begutachtung ein-
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verstanden war, nicht indes mit einem ihn zur Beibringung eines Gutachtens
nach § 15 Abs. 1 BRAO verpflichtenden Bescheid der Beklagten. So hat er vor-
getragen, das Verlangen in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten sei
rechtswidrig und unwürdig, weil er sich aufgrund des Bescheides zum wieder-
holten Male einer Untersuchung und Begutachtung unterziehen müsse (Schrift-
satz vom 11. August 2014, S. 2). Im Verfahren betreffend seinen Antrag auf
Zulassung der Berufung hat der Kläger erklärt, er habe lediglich Verständnis für
die unförmliche Aufforderung der Beklagten zur Einholung eines Gutachtens
gehabt, nicht für die jetzt erfolgte förmliche Aufforderung (zu dem für die Beur-
teilung des Rechtsschutzbedürfnisses maßgeblichen Zeitpunkt vgl. BVerwGE
97, 68, 73; Kopp/Schenke aaO vor § 40 Rn. 11, 57; Eyermann/Happ aaO § 42
Rn. 23). Die angefochtene Entscheidung belaste ihn, weil der Eindruck bei den
Mandanten und Gerichten entstehe, dass er krank und postulationsunfähig sei.
Sie behindere ihn in der Ausübung seines Berufs. Die Prüfungsphase der Be-
klagten unter Einschaltung des Universitätsklinikums werde von gegnerischen
Anwälten in zahlreichen gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren genutzt,
um wahrheitswidrig vorzutragen und ihn wegen Geschäftsunfähigkeit zu ver-
nichten (Schriftsätze vom 10. Oktober 2014, S. 1 ff., und vom 12. Januar 2015,
S. 4 f.).
Durch diese Erklärungen hat der Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis
hinreichend dargetan. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob sich der Betroffe-
ne im Einvernehmen mit der Rechtsanwaltskammer freiwillig einer Begutach-
tung unterzieht oder die Rechtsanwaltskammer einen nach § 15 Abs. 2 Satz 2
BRAO anfechtbaren Bescheid nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAO erlässt mit der
- den Adressaten besonders belastenden - Vermutungswirkung nach § 15
Abs. 3 Satz 1 BRAO bei nicht rechtzeitiger Gutachtenvorlage. Mit einem sol-
chen Bescheid hat sich der Kläger zu keinem Zeitpunkt einverstanden erklärt.
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Dementsprechend war ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm erhobene
Anfechtungsklage zu bejahen.
bb) Auch gegen die Zulässigkeit der mit Schriftsatz des Klägers vom
16. Juli 2015 erfolgten Umstellung von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfest-
stellungsklage gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 4
VwGO bestehen keine Bedenken.
(1) Eine solche Umstellung des Klageantrags ist zulässig (Eyermann/
Schmidt aaO § 113 Rn. 65; Kopp/Schenke aaO § 113 Rn. 121) und auch im
Verfahren über die Zulassung der Berufung möglich (vgl. Eyermann/Schmidt
aaO Rn. 70 zur entsprechenden Umstellung des Klageantrags im Beschwerde-
verfahren wegen Nichtzulassung der Revision).
(2) Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2014 ist auch
erledigt i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Die Beklagte hat mit Schreiben vom
22. Mai 2015 erklärt, dass der Kläger der Auflage in dem angefochtenen Be-
scheid vom 11. Juli 2014 vollumfänglich nachgekommen sei und dadurch eine
Erledigung der Auflage aus diesem Bescheid eingetreten sei. Sie leitet mithin
aus dem Bescheid vom 11. Juli 2014 keine weiteren Rechtsfolgen mehr her
(zur Erledigung eines Verwaltungsakts, wenn der Adressat dem Gebot des
Verwaltungsakts, das auf eine einmalige, nicht mehr rückgängig zu machende
Handlung bezogen war, freiwillig nachgekommen ist, vgl. BVerwGE 59, 148,
152; Kopp/Schenke aaO § 113 Rn. 103; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier,
VwGO, § 113 [2015] Rn. 88).
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(3) Ob der Kläger ein berechtigtes Feststellungsinteresse i.S.v. § 112c
Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO hat, bedarf vorliegend
keiner Entscheidung (zum berechtigten Interesse nach § 113 Abs. 1 Satz 4
VwGO in Gestalt eines Rehabilitationsinteresses bei Anordnung einer psychiat-
rischen Untersuchung vgl. Kopp/Schenke aaO § 113 Rn. 142). Denn eine Prü-
fung des Feststellungsinteresses ist entbehrlich, wenn der Feststellungsantrag
aus sachlichen Gründen ohnedies erfolglos ist (BVerwG, Buchholz 310 § 113
Nr. 82; Eyermann/Schmidt aaO § 113 Rn. 85). Dies ist vorliegend der Fall (vgl.
nachfolgend zu b).
b) Die als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Anfechtungsklage
ist unbegründet.
aa) Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) bestehen dann nicht, wenn die Begründung des Urteils zwar unrichtig
ist, die Entscheidung sich jedoch aus anderen, ohne weiteres auf der Hand lie-
genden Gründen als richtig erweist (BVerfG, NJW 2013, 3506 Rn. 40; BGH,
Beschlüsse vom 18. Juli 2011 - NotZ (Brfg) 10/10, NJW-RR 2012, 57 Rn. 12,
und vom 5. März 2012 - NotZ (Brfg) 13/11, NJW-RR 2012, 632 Rn. 6; Böhnlein
in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 112e Rn. 10; Schmidt-Räntsch in Gaier/
Wolf/Göcken aaO § 112e BRAO Rn. 16; Kopp/Schenke aaO § 124 Rn. 7a
m.w.N.). Die Zulassung der Berufung scheidet daher nach zutreffender Auffas-
sung auch aus, wenn eine Entscheidung zu Unrecht mit der Unzulässigkeit ei-
ner Klage oder eines Antrags begründet worden ist, jedoch ohne weiteres er-
kennbar ist, dass der geltend gemachte Anspruch jedenfalls nicht besteht (VGH
München, NVwZ-RR 2004, 223; OVG Berlin, Beschluss vom 9. März 1999
- 4 SN 158/98, juris Rn. 3 ff., 12 f.; Kopp/Schenke aaO Rn. 7a (aE); BeckOK
VwGO/Roth, § 124 Rn. 25 [1. April 2015]; a.A. VGH Kassel, NJW 2001, 3722,
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3723; Eyermann/Happ aaO § 124 Rn. 14). Denn an der Zulassung einer Beru-
fung, die aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, kann kein Interesse
bestehen (Kopp/Schenke aaO).
bb) Vorliegend ist ohne weiteres erkennbar, dass der angefochtene Be-
scheid der Beklagten vom 11. Juli 2014 rechtmäßig und die Klage daher unbe-
gründet ist.
(1) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAO gibt die Rechtsanwaltskammer, wenn
dies zur Entscheidung über den Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO
erforderlich ist, dem Betroffenen auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden
angemessenen Frist das Gutachten eines von ihr zu bestimmenden Arztes über
seinen Gesundheitszustand vorzulegen. Nach der Rechtsprechung des Senats
muss die Anordnung auf hinreichend konkreten Anhaltspunkten dafür beruhen,
den Gesundheitszustand des Rechtsanwalts überprüfen zu lassen. Dies ist der
Fall, wenn Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass der Betroffene von
seinen Vorstellungen in krankhafter Weise derart beherrscht sein könnte, dass
dies sich zugleich und in schwerwiegender Weise auf seine Fähigkeit auswirkt,
die Belange seiner Mandanten noch sachgerecht und mit der gebotenen Sorg-
falt wahrzunehmen (Senat, Beschlüsse vom 26. November 2007 - AnwZ (B)
102/05, BRAK-Mitt. 2008, 75 Rn. 15; vom 6. Juli 2009 - AnwZ (B) 81/08,
NJW-RR 2009, 1578, 1579 und vom 28. März 2013 - AnwZ (Brfg) 70/12, juris
Rn. 8; vgl. ferner Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 15 Rn. 5; eingehend
Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 15
BRAO Rn. 6 ff.).
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(2) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Mehrere Umstände
deuten darauf hin, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der
Lage sein könnte, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben und die Belange
seiner Mandanten noch sachgerecht und mit der gebotenen Sorgfalt wahrzu-
nehmen.
(a) Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Auseinandersetzung des
Klägers mit seiner ehemaligen Sozietät sein Verhalten in zahlreichen Verfahren
erheblich beeinflusst, obwohl sie dort nicht Gegenstand ist. Daraus folgt die Ge-
fahr, dass der Kläger als Verfahrensbevollmächtigter seinen Sachvortrag und
sein Prozessverhalten nicht mehr - wie geboten - ausschließlich an den Interes-
sen seiner Mandanten orientiert, sondern sachwidrig auch an seinem persönli-
chen Interesse an der vorgenannten Auseinandersetzung. Bereits der Präsident
des Landgerichts Hagen hat in seinem Bericht vom 20. April 2011 über ein sol-
ches Verhalten des Klägers berichtet. Danach erschwert das entsprechende
Verhalten des Klägers die Konzentration auf die Sache. Konkret habe ein Bei-
sitzer berichtet, dass der Kläger vor dem Hintergrund des vorgenannten Kon-
flikts völlig versäume, die Interessen des Mandanten hinreichend deutlich zu
machen und nachvollziehbar vorzutragen.
Dieses Verhalten des Klägers hat auch im vorliegenden Verfahren einen
deutlichen Niederschlag gefunden. Obwohl die Beklagte Eingaben und Äuße-
rungen von Angehörigen der ehemaligen Sozietät des Klägers nicht zur Be-
gründung des Bescheids vom 11. Juli 2014 herangezogen hat, schildert der
Kläger - teilweise umfangreich - seine Auseinandersetzung mit der Sozietät in
zahlreichen Schriftsätzen. Er zeigt hierdurch, wie sehr dieser Konflikt seine Vor-
stellungen und sein Handeln beherrscht. Letzteres wird auch durch den von ihm
selbst dargestellten Vorfall vom 7. März 2014 belegt. In einem an die Beklagte
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gerichteten Schreiben vom 14. März 2014 berichtet er, am 7. März 2014 anläss-
lich einer Werbeveranstaltung in den Praxisräumen seiner ehemaligen Sozietät
trotz Hausverbots erschienen zu sein, sich - entgegen der Aufforderung, das
Haus zu verlassen - dort etwa 40 Minuten aufgehalten und erst nach Erschei-
nen der Polizei die Örtlichkeit verlassen zu haben. Obwohl er danach den Tat-
bestand des Hausfriedensbruchs verwirklicht haben dürfte, fehlt ihm hierfür jeg-
liches Unrechtsbewusstsein.
(b) Darüber hinaus bestehen weitere Anhaltspunkte dafür, dass der Klä-
ger nicht in der Lage sein könnte, den jeweiligen Prozessstoff zu überblicken,
die Folgen seines Handelns für seine Mandanten abzuschätzen und deren Be-
lange hinreichend wahrzunehmen. Bereits der Präsident des Landgerichts Ha-
gen hat in seinem Bericht vom 20. April 2011 zu einem solchen Verhalten des
Klägers ausgeführt. Danach herrschte bei den seinerzeit befragten Vorsitzen-
den Richterinnen und Richtern mehrheitlich der Eindruck, dass der Antragsteller
nicht mehr adäquat in der Lage sei, die Interessen seiner Mandanten ausrei-
chend zu vertreten. Unter Schilderung mehrerer Verfahren führt der Präsident
des Landgerichts Hagen aus, die Schriftsätze des Klägers seien häufig schwer
verständlich und unstrukturiert, eine strukturierte und zielgerichtete Verhand-
lung sei mit ihm häufig sehr schwierig.
Auch dieses Verhalten des Klägers hat im vorliegenden Verfahren einen
deutlichen Niederschlag gefunden. Seine Schriftsätze zeigen, dass er den Kern
des von ihm angegriffenen Bescheids, dessen Begründung und die insofern
entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen nicht vollstän-
dig erfasst. Sie sind oft nur schwer verständlich, zeugen von einer sprunghaften
und unstrukturierten Gedankenführung und betreffen nicht selten Sachverhalte,
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die mit dem vorliegenden Verfahren in keinem erkennbaren Zusammenhang
stehen.
So nimmt der Kläger zu den Eingaben des Präsidenten des Landgerichts
Hagen und des Rechtsanwalts Dr. Krah vom 25. Februar 2014 und 13. Juni
2014, in denen sein prozessuales Verhalten und sein Sachvortrag geschildert
werden, inhaltlich allenfalls kursorisch Stellung. Das in der Eingabe des Präsi-
denten des Landgerichts Hagen geschilderte widersprüchliche und verwirrende
Prozessverhalten räumt er dagegen weitgehend ein (Klageschrift, Seite 2;
Schriftsatz vom 25. August 2014, S. 4 f.). In demselben Zusammenhang führt er
mehrfach zu einem Verfahren aus (LG Hagen - 1 O 45/09 -), das in der Eingabe
nicht erwähnt wird (Klageschrift, S. 3; Schriftsatz vom 2. Juli 2015, S. 4). In sei-
nem Schriftsatz vom 5. Februar 2015 bringt er - ohne Veranlassung durch das
vorliegende Verfahren - vor, er habe in den letzten Jahren große Probleme ins-
besondere mit seinen geschätzten türkischen Mandanten, die ihn "auf Teufel
komm raus" belügen würden, seine anwaltliche Beratungstätigkeit nicht hono-
rierten und erwarteten, dass er vor Gericht deren Lügerei unterstütze, was er
grundsätzlich ablehne. Auch der von ihm mit Schriftsatz vom 16. Juli 2015 for-
mulierte neue Klageantrag zu 2 ist angesichts der gewählten Satzstrukturen
und -längen sowie der Vermengung von Anträgen und Stellungnahmen
schlechterdings nicht nachvollziehbar. Zudem widmet sich der Kläger - wie be-
reits dargestellt - in erheblichem Umfang und unstrukturiert der Auseinander-
setzung mit seiner ehemaligen Sozietät, obwohl ein Zusammenhang dieses
Konflikts mit dem von ihm angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 11. Juli
2014 nicht erkennbar ist.
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Die vorgenannten Eingaben und Vorfälle sowie die Schriftsätze des Klä-
gers im vorliegenden Verfahren deuten - in ihrer Gesamtschau - darauf hin,
dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein könnte,
seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben und die Belange seiner Mandanten
noch sachgerecht und mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen.
(c) Die hierdurch begründete Erforderlichkeit der Einholung eines Gut-
achtens nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAO wird durch das mit Schriftsatz des Klä-
gers vom 15. September 2014 vorgelegte ärztliche Gutachten des Professor
Dr. Köller vom 17. Juni 2014 nicht in Frage gestellt. Zwar ergeben sich danach
in Bezug auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, eine geistige oder
seelische Behinderung oder eine psychische Krankheit des Klägers keine Hin-
weise. Indes ist nicht zu erkennen, ob der Kläger umfassend im Hinblick auf
eine psychische Erkrankung untersucht wurde. Das - sehr kurze - Gutachten
befasst sich überwiegend mit einem stationären Aufenthalt des Klägers im Jahr
2005, dessen Anlass (Schädel-Hirn-Trauma) keine gesundheitlichen Beein-
trächtigungen hinterlassen hat. Im Übrigen beruht es auf einer klinisch-neurolo-
gischen Untersuchung vom 16. Juni 2014, die keine Lähmungen, Sprach- oder
Sprechstörungen, Auffälligkeiten im Hirnnervenstatus, Sensibilitätsstörungen
und kognitiven Einschränkungen ergeben hat. Ob darüber hinaus im Hinblick
auf eine psychische Erkrankung eine umfassende Untersuchung stattgefunden
hat, ist nicht erkennbar. Die vorgenannten deutlichen Anhaltspunkte dafür, dass
der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein könnte, seinen
Beruf ordnungsgemäß auszuüben und die Belange seiner Mandanten noch
sachgerecht und mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen, werden durch das
Gutachten mithin nicht ausgeräumt.
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2. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weist sie
besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2
BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 VwGO). Der Sachverhalt ist übersichtlich; die
Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.
III.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 2015 zusätzlich zu dem
Fortsetzungsfeststellungsantrag einen Antrag auf Verurteilung der Beklagten
zur Abgabe einer umfangreichen Erklärung gestellt hat, handelt es sich um eine
Klageänderung i.S.v. § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 91 VwGO. Sie setzt
eine zulässige Berufung voraus und kann daher erst nach deren Zulassung er-
folgen. Im Zulassungsverfahren ist sie noch nicht zulässig (Eyermann/Rennert
aaO § 91 Rn. 33; Kopp/Schenke aaO Vorb § 124 Rn. 57; jeweils m.w.N.). Da
die Berufung nicht zuzulassen ist, ist über den vorgenannten Antrag nicht zu
entscheiden.
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52
Abs. 1 GKG.
Kayser
König
Remmert
Martini
Kau
Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 12.09.2014 - 1 AGH 24/14 -
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