Urteil des BGH vom 18.12.2015

Diplom, König, Berufsausübungsfreiheit, Anfechtungsklage

ECLI:DE:BGH:2015:181215BANWZBRFG19.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (Brfg) 19/15
vom
18. Dezember 2015
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
gegen
wegen belehrenden Hinweises
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin
des Bundesgerichtshofs Limperg, die Richter Prof. Dr. König und Dr. Remmert
sowie die Rechtsanwälte Dr. Braeuer und Dr. Kau
am 18. Dezember 2015 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz
vom 26. Februar 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
Der Kläger wendet sich gegen einen durch die Beklagte ausgesproche-
nen "belehrenden Hinweis" vom 22. Mai 2014. Darin wird die Gestaltung des
Briefkopfs seiner Geschäftspapiere insoweit beanstandet, als dort neben dem
Namen des Klägers unter anderem der Name einer Diplom-Wirtschaftsjuristin
(FH) aufgeführt ist, ohne dass durch Zusätze klargestellt wird, dass kein Fall
der gemeinschaftlichen Berufsausübung vorliegt. Die nach durchgeführtem Wi-
derspruchsverfahren gegen die Beanstandung erhobene Klage hat der An-
waltsgerichtshof abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Beru-
fung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1
Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach
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ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auf der Grundlage des
§ 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise namentlich dann,
wenn sie wie der angefochtene Bescheid ein Handlungsgebot oder ein Hand-
lungsverbot aussprechen, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingrei-
fende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungs-
klage angegriffen werden können (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 2014
- AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7; vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg)
35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5; jeweils mwN).
2. Ein Zulassungsgrund (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO) ist
nicht gegeben.
a) Der durch den Kläger der Sache nach geltend gemachte Zulassungs-
grund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils
(§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
aa) Entgegen der Auffassung des Klägers stellt die Verwendung eines
gemeinsamen Briefkopfs ein werbendes Verhalten dar, das darauf abzielt, den
Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu ge-
winnen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11,
BGHZ 194, 79 Rn. 18; Beschluss vom 23. September 2002 - AnwZ (B) 67/01,
NJW 2003, 346; jeweils mwN). Sie unterliegt damit den anwaltliche Werbe-
maßnahmen einschränkenden Bestimmungen der §§ 43b, 59b Abs. 2 Nr. 3
BRAO i.V.m. §§ 8 ff. BORA, wobei im Lichte der von Art. 12 Abs. 1 GG ge-
schützten Berufsausübungsfreiheit im Einzelfall nicht die Gestattung der An-
waltswerbung, sondern deren Beschränkung einer besonderen Rechtfertigung
bedarf (BGH, Urteile vom 12. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 37/11, aaO; vom 1. März
2001 - I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 74 f.).
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bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Anwaltsgerichtshof die
Ausgestaltung des durch den Kläger verwendeten Briefkopfes mit Recht als
irreführend angesehen. Im angefochtenen Urteil wird maßgebend darauf abge-
stellt, dass durch den verwendeten Briefkopf der Eindruck erweckt wird, es be-
stehe zwischen dem Kläger und der Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH) eine beruf-
liche Zusammenarbeit in Form einer Sozietät. Dies trifft jedoch - was der Kläger
auch im Zulassungsantrag nicht in Abrede stellt - gerade nicht zu. Es hätte ihm
deshalb oblegen, einen klarstellenden Hinweis auf diesen Umstand aufzuneh-
men (§ 8 Satz 2 BORA).
b) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger nicht
ausreichend dargelegt (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
aa) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist gegeben,
wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und
klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl
von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit
an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl.
BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - AnwZ (Brfg) 31/15 Rn. 11 mwN).
Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführun-
gen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechts-
frage sowie zu ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder
ihrer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum
ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.
bb) Das Verlangen nach einem klarstellenden Hinweis auf die tatsächli-
chen Verhältnisse in der Kanzlei des Klägers findet seine Grundlage in der ein-
deutigen und insoweit keiner anderweitigen Interpretation zugänglichen Rege-
lung des § 8 Satz 2 BORA. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die An-
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wendung der Vorschrift auf den vorliegenden Fall hegt der Senat nicht. Diese
beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO und wird
von der Rechtsprechung sowie der herrschenden Kommentarliteratur der
Rechtsanwendung zugrunde gelegt (vgl. Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, An-
waltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 8 BORA/§ 59a BRAO Rn. 1, 5, 8 mwN). Sie
dient dem Schutz der Rechtsuchenden vor Irreführung, mithin einem wichtigen
Belang des Gemeinwohls, der die - überaus geringfügige - Beeinträchtigung der
Berufsausübungsfreiheit des Klägers (Art. 12 Abs. 1 GG) rechtfertigt (vgl. auch
BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - AnwZ (Brfg) 31/15 Rn. 12).
Der Hinweis des Klägers auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs
vom 16. Mai 2013 (II ZB 7/11, NJW 2013, 2674) geht schon deswegen fehl,
weil vorliegend nicht die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 59a Abs. 1
BRAO, sondern die Notwendigkeit zutreffender Darstellung der tatsächlichen
Verhältnisse in Frage steht (vgl. auch Träger in Feuerich/Weyland, 9. Aufl., § 8
BORA Rn. 8; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 8 BORA Rn. 2).
Zudem sind Gegenstand der genannten Entscheidung die Berufe des Arztes
und des Apothekers, die sich in mehrfacher Hinsicht von dem des Diplom-
Wirtschaftsjuristen (FH) unterscheiden (vgl. unter anderem zur strafbewehrten
eigenständigen Schweigepflicht, zu den strafprozessualen Schutzvorschriften
und zur Berufsaufsicht BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - II ZB 7/11, aaO
Rn. 60, 66 ff.).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO,
§ 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52
Abs. 2 GKG.
Limperg König Remmert
Braeuer Kau
Vorinstanz:
AGH Koblenz, Entscheidung vom 26.02.2015 - 1 AGH 6/14 -
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