Urteil des BGH vom 22.03.2016

Rechtsanwaltschaft, Widerruf, Vermögensverfall, Erlass

ECLI:DE:BGH:2016:220316BANWZBRFG18.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (Brfg) 18/14
vom
22. März 2016
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
hier: Fortsetzungsfeststellungsklage
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Der Bundesgerichtshofs, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterinnen Roggenbuck und Lohmann sowie den
Rechtsanwalt Prof. Dr. Quaas und die Rechtsanwältin Schäfer
am 22. März 2016
beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das
Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 29. Januar
2014 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin ist seit dem 29. Januar 2004 im Bezirk der Beklagten zur
Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 8. September 2010 erging Haftbefehl zur
Erzwingung der Eidesstattlichen Offenbarungsversicherung gegen sie. Dieser
wurde im November 2010 in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Mit Be-
scheid vom 11. Juli 2012 widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin we-
gen Vermögensverfalls.
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Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Im
Anschluss an die mündliche Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof widerrief
die Beklagte den Widerrufsbescheid nach §§ 32 BRAO, 49 Abs. 1 VwVfG, weil
die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2013 die Löschung des Haftbefehls
vom 8. September 2010 nachgewiesen sowie belegt habe, dass die Kostenein-
ziehungsstelle der Justiz keine Forderungen mehr gegen sie hatte. Die Klägerin
hat daraufhin beantragt festzustellen,
dass der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 11. Juli 2012 hin-
sichtlich der Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft zum
Zeitpunkt der Erledigung durch den Bescheid vom 30. Oktober
2013 rechtswidrig war und weder die Beklagte noch der Anwalts-
gerichtshof durch die Änderung der BRAO in Bezug auf die An-
wendung der VwGO gemäß § 112c BRAO auf Streitigkeiten über
die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft daran
gehindert waren oder sind, dies in einem entsprechenden Rechts-
streit über die Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids zu berück-
sichtigen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Der Anwaltsge-
richtshof hat den Feststellungsantrag als unbegründet abgewiesen, soweit er
die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufsbescheides betraf. Den wei-
tergehenden Antrag hat er als unzulässig angesehen. Nunmehr beantragt die
Klägerin die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.
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II.
Der Klägerin wird gemäß § 112e Satz 2 BRAO, §§ 60, 125 Abs. 1 Satz 1
VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist
zur Begründung des Zulassungsantrags gewährt.
III.
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft.
Er hat jedoch keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Anwaltsgerichts-
hofs bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO wird ein zum Widerruf der
Zulassung führender Vermögensverfall vermutet, wenn der Rechtsanwalt im
Schuldnerverzeichnis eingetragen ist. Diese Voraussetzung war hier erfüllt. Die
Eintragung hat im Widerrufsverfahren Tatbestandswirkung. Ob sie rechtmäßig
war, was die Klägerin bezweifelt, wird im Verfahren über den Widerruf der Zu-
lassung daher nicht geprüft. Der betroffene Anwalt ist dadurch nicht schutzlos.
Er kann gegebenenfalls gegenüber dem Vollstreckungsgericht mit den Rechts-
mitteln und Rechtsbehelfen des Zwangsvollstreckungsrechts die Aufhebung
des Haftbefehls und Löschung der Eintragung erwirken. Der Gläubiger der For-
derung, welche der Eintragung zugrunde liegt, kann im Wege der Klage auf
Herausgabe des Titels in Anspruch genommen werden. Eine vollständige Be-
gleichung der titulierten Forderung vor Erlass des Widerrufsbescheids behaup-
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tet die Klägerin im Übrigen auch in der Begründung ihres Zulassungsantrags
nicht.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschlüsse
vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 1/12, juris Rn. 3; vom 9. Juli 2013 - AnwZ (Brfg)
22/13, juris Rn. 4; vom 14. November 2013 - AnwZ (Brfg) 65/13, juris Rn. 4 und
vom 18. November 2013 - AnwZ (Brfg) 63/13, juris Rn. 4; vom 6. Februar 2014
- AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 5) muss ein Rechtsanwalt, der
im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung der Vermutung ein
vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkei-
ten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse
nachhaltig geordnet sind. Dies hat die Klägerin - wiederum bezogen auf den
maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides - nicht getan. Sie beruft sich
darauf, dass ihr die im Tatbestand des anwaltsgerichtlichen Urteils wiedergege-
bene Mitteilung der Kosteneinziehungsstelle der Justiz über Forderungen von
insgesamt 7.031,50
€ nicht bekannt gewesen sei. Es kommt jedoch nicht auf
die Mitteilung der Kosteneinziehungsstelle an, sondern auf die Vermögensver-
hältnisse der Klägerin im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids.
2. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft die Sache nicht auf
(§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Wider-
rufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab
1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den
Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen.
Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulas-
sungsverfahren vorbehalten (BGH, Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011
- AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 28. Oktober 2011 - AnwZ
(Brfg) 20/11, NZI 2012, 106 Rn. 7; vom 14. November 2013 - AnwZ (Brfg)
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65/13, juris Rn. 5; vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014,
164 Rn. 3). Klärungsbedarf besteht insoweit nicht mehr.
3. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtli-
chen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dieser Zulassungsgrund
ist dann erfüllt, wenn die Sache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt
liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden
Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht
unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den
üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (BGH, Be-
schluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189
Rn. 10). Das ist hier nicht der Fall.
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 und 2 BRAO.
Kayser
Roggenbuck
Lohmann
Quaas
Schäfer
Vorinstanz:
AGH Berlin, Entscheidung vom 29.01.2014 - I AGH 9/12 -
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