Urteil des BGH vom 17.03.2014

Leitsatzentscheidung zu Verordnung, Vergleich, Öffentlich, Verwaltungsakt, Gerichtsbarkeit

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
ARNot 1/13
vom
17. März 2014
in der verwaltungsrechtlichen Notarsache
wegen Bestimmung des zuständigen Oberlandesgerichts
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VwGO § 53 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3; BNotO § 111b Abs. 1 Satz 1, § 111a
Zur Gerichtsstandbestimmung in verwaltungsrechtlichen Notarsachen.
BGH, Beschluss vom 17. März 2014 - ARNot 1/13 -
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Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2014
durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Dr. Herrmann und Wöst-
mann, die Notarin Dr. Doyé und den Notar Dr. Strzyz
beschlossen:
Zuständig für die vom Antragsteller beabsichtigte "Leistungs- und
Zwischenfeststellungsklage" gegen die Antragsgegner wegen
Rückabwicklung des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom 16. April
2002 ist das Oberlandesgericht München.
Gründe:
I.
Der mittlerweile im Ausland lebende Antragsteller war Notar in München.
Vertreter des Antragsgegners zu 1 und er schlossen am 16. April 2002 einen
öffentlich-rechtlichen Vergleich, der im Kern die Entlassung des Antragstellers
aus dem Amt als Notar auf eigenen Antrag und im Gegenzug die Einstellung
von Maßnahmen der Antragsgegner, die auf die Amtsenthebung des Antrag-
stellers gerichtet waren, sowie die Beseitigung von deren Folgen zum Gegen-
stand hatte. Der Antragsteller hält diesen Vergleich für nichtig gemäß § 138
BGB und für unwirksam nach § 779 BGB. Ferner hat er den Rücktritt von dem
Vergleich erklärt, weil die Antragsgegner seiner Ansicht nach die darin über-
nommenen Verpflichtungen nicht erfüllt haben. Er beabsichtigt deshalb, gegen
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die Antragsgegner eine "Leistungs- und Zwischenfeststellungsklage" zu erhe-
ben. Der Klageentwurf sieht die Anträge vor, zu erkennen, dass die künftigen
Beklagten schuldig seien, "Wertersatz" für die entgangenen Nutzungen der
vormaligen Notarstelle zu zahlen und Amtshaftungsansprüche anzuerkennen.
Ferner beabsichtigt der Antragsteller, zu beantragen, die Beklagten zu verurtei-
len, ihm zu erlauben, die Bezeichnung "Notar außer Dienst" zu führen. Schließ-
lich kündigt er den Klageantrag an, im Falle der Begründetheit eines der vorge-
nannten Anträge gemäß § 256 Abs. 2 ZPO die Unwirksamkeit des Vergleichs
vom 16. April 2002 festzustellen.
Der Antragsteller beantragt, das für diese Klage zuständige Oberlandes-
gericht (Senat für Notarsachen) zu bestimmen, wobei er der Auffassung ist, das
Oberlandesgericht München sei unzuständig.
II.
1.
Der Antrag ist entsprechend § 53 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VwGO i.V.m.
§ 111b Abs. 1 Satz 1, § 111a BNotO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2.
Das für die beabsichtigte Klage im Rechtsweg nach § 111 BNotO örtlich
zuständige Gericht ist gemäß § 111a Satz 1 BNotO das Oberlandesgericht
München. Nach der genannten Bestimmung ist in notariellen Verwaltungs-
sachen das Oberlandesgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk (unter ande-
rem) ein begehrter Verwaltungsakt zu erlassen wäre (Halbsatz 1) oder hoheit-
liche Maßnahmen zu treffen wären, die berufsrechtliche Rechte und Pflichten
der Beteiligten verwirklichen (Halbsatz 2).
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a) Soweit der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegner begehrt,
ihm zu erlauben, die Bezeichnung "Notar" mit dem Zusatz "außer Dienst (a.D.)"
weiterzuführen, handelt es sich um eine auf den Erlass eines Verwaltungsakts
gerichtete Verpflichtungsklage. Die Erlaubnis, die Amtsbezeichnung mit der ge-
nannten Ergänzung weiterzuführen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 BNotO) stellt einen
Verwaltungsakt dar (Bracker in Schippel/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 52 Rn. 6;
Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 7. Aufl., § 52 Rn. 8). Für die Erteilung
der begehrten Erlaubnis ist gemäß § 3 Nr. 1 Buchstabe c der Verordnung zur
Regelung von Angelegenheiten auf dem Gebiet des Notarwesens vom 10. Feb-
ruar 2000 (GVBl. 2000, S. 60) i.V.m. § 112 BNotO und § 3 Nr. 8 der Verordnung
zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom 27. Juli 1999 (GVBl. 1999,
S. 339) in der Fassung von § 1 Nr. 2 Buchstabe d der Verordnung zur Ände-
rung der Verordnung zur Ausführung der Bundesnotarordnung und der Delega-
tionsverordnung vom 9. November 2009 (GVBl. 2009, S. 556) der Antragsgeg-
ner zu 2 als Präsident des Oberlandesgerichts, in dessen Amtsbezirk der An-
tragsteller tätig war, zuständig. Mithin wäre die Erlaubnis im Bezirk des Ober-
landesgerichts München zu erteilen.
b) Soweit der Antragsteller mit der beabsichtigten Klage die Feststellung
der Verpflichtung der Antragsgegner zum "Wertersatz für entgangene Nutzun-
gen" seiner vormaligen Notarstelle und zum Anerkenntnis von Amtshaftungsan-
sprüchen begehrt, folgt die örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Mün-
chen aus § 111a Satz 1, Halbsatz 2 BNotO. Die durch den Urteilsspruch ange-
strebte Zuerkennung von "Wertersatzansprüchen" und Amtshaftungsansprü-
chen durch die Antragsgegner wegen des infolge des öffentlich-rechtlichen
Vergleichs eingetretenen Amtsverlusts des Antragstellers wäre eine hoheitliche
Maßnahme, die dessen aus seinem früheren Notaramt resultierenden Rechte
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verwirklichte. Von § 111a Satz 1, Halbsatz 2 BNotO erfasst sind Leistungs- und
Feststellungsklagen (Custodis, DNotZ 2009, 895, 898; ders. in Eylmann/
Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 111a BNotO Rn. 3; Herrmann in Schippel/
Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 111a Rn. 4 f; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler,
BNotO, 7. Aufl., § 111a Rn. 9). Dies gilt entgegen der Ansicht des Antragstellers
auch für Klagen, die auf die Herbeiführung hoheitlicher Handlungen der Lan-
desjustizverwaltung gerichtet sind. Das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass
die Bestimmung auch solche Maßnahmen erfasst, die auf die Verwirklichung
berufsrechtlicher Rechte der Notare gerichtet sind. Die vom Antragsteller ange-
strebten Maßnahmen der Antragsgegner wären ebenfalls im Bezirk des Ober-
landesgerichts München zu vollziehen.
In diesem Zusammenhang ist allerdings - ohne dass es hierauf für die
vorliegende Entscheidung ankommt, da die Prozessvoraussetzungen der beab-
sichtigten Klage im Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts
grundsätzlich nicht zu prüfen sind (Kraft in Eyermann/Fröhler, VwGO, 13. Aufl.,
§ 53 Rn. 16; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 1987 - I ARZ 650/86,
BGHR ZPO § 37 Prozessfähigkeit 1 und vom 21. November 1955 - II ARZ 1/55,
BGHZ 19, 102, 106 jeweils zu § 36 ZPO) - anzumerken, dass Amtshaftungsan-
sprüche nicht in die vom Antragsteller in Anspruch genommene Rechtswegezu-
ständigkeit für verwaltungsrechtliche Notarsachen (§ 111 Abs. 1 BNotO) fallen.
Vielmehr sind hierfür gemäß Art. 34 Satz 3 GG die allgemeinen Gerichte der
ordentlichen Gerichtsbarkeit, und zwar erstinstanzlich die Landgerichte (§ 71
Abs. 2 Nr. 2 GVG), zuständig.
c) Die Zuständigkeit für die Zwischenfeststellungsklage folgt derjenigen
der Hauptklage. Da sowohl für die begehrte Erlaubnis nach § 52 Abs. 2 Satz 1
BNotO als auch für die auf "Wertersatz" und Amtshaftungsansprüche gerichte-
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ten Klageanträge die örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München
besteht, gilt dies auch für den in Aussicht genommenen Zwischenfeststellungs-
antrag.
d) Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Auf-
fangnorm des § 111a Satz 2 BNotO auch einen Gerichtsstand am Sitz der be-
klagten Justizverwaltungsbehörde begründet (siehe hierzu die, soweit ersicht-
lich, einhellige Meinung in der Literatur: Custodis, DNotZ 2009, 895, 898; ders.
in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 111a BNotO Rn. 3; Herrmann in
Schippel/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 111a Rn. 6; Sandkühler in Arndt/Lerch/
Sandkühler, BNotO, 7. Aufl., § 111a Rn. 11), kommt es nicht mehr an, da die
örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München für sämtliche angekün-
digten Klageanträge bereits aus § 111a Satz 1 BNotO folgt.
3.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Oberlandesgericht
München nicht deshalb unzuständig, weil dessen Präsident Beklagter in dem
angestrebten Prozess sein wird und seinerzeit als Vizepräsident für das dem
Abschluss des Vergleichs vom 16. April 2002 vorangegangene, auf die Amts-
enthebung des Antragstellers gerichtete Verwaltungsverfahren verantwortlich
war und später als Generalstaatsanwalt Vorgesetzter der Bediensteten der
Staatsanwaltschaft wurde, die strafrechtliche Ermittlungen gegen den Antrag-
steller führten.
Hieraus folgt nicht, dass das Oberlandesgericht München gemäß § 53
Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 BNotO an der Ausübung der Gerichts-
barkeit rechtlich oder tatsächlich gehindert ist. Soweit der Antragsteller geltend
machen möchte, dass der Notarsenat mit Richtern besetzt ist, die der Dienst-
aufsicht des Präsidenten des Oberlandesgerichts unterliegen, hat dies nicht den
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Eintritt der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1
BNotO zur Folge. Die Besetzung des Notarsenats mit Richtern des Oberlan-
desgerichts, dessen Präsident die von dem Spruchkörper nachzuprüfenden
Maßnahmen als Justizverwaltungsbehörde getroffen hat, ist von §§ 101 f i.V.m.
§ 111 Abs. 4 BNotO vorgegeben und führt, ohne dass im Einzelfall besondere
Umstände vorliegen, nicht zu Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit der
Richter (Senatsbeschlüsse vom 25. November 2013 - NotZ(Brfg) 7/13 und vom
21. Februar 2011 - NotZ(Brfg) 7/10, juris Rn. 4). Tatsachen, aus denen sich ei-
ne konkrete Besorgnis ergeben könnte, die Richter des Notarsenats des Ober-
landesgerichts München würden die gebotene Neutralität gegenüber den Par-
teien des in Aussicht genommenen Rechtsstreits nicht wahren, hat der Antrag-
steller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Unbeachtlich ist,
ob sich der derzeitige Präsident des Oberlandesgerichts in Abweichung von
§ 102 Abs. 1 Satz 1, § 111 Abs. 4 BNotO gemäß § 21e Abs. 1 Satz 3 GVG zum
Vorsitzenden des Senats für Notarsachen bestimmen könnte, wie der Antrag-
steller befürchtet. In diesem Fall wäre der Präsident in dem angestrebten Ver-
fahren bereits gemäß § 41 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 54 Abs. 1 VwGO, § 111b Abs. 1
Satz 1 BNotO von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen. Ohne dass
es für die Entscheidung noch erheblich ist, ist ergänzend anzumerken, dass die
richterlichen Mitglieder des Notarsenats in Abweichung von dem in § 21e Abs. 1
Satz 2 GVG bestimmten Jährlichkeitsprinzip für die Dauer von fünf Jahren be-
stellt werden (§ 102 Satz 1 BNotO). Das Präsidium des Oberlandesgerichts
München hat zum Beginn des Geschäftsjahres 2014 Herrn Vorsitzenden Rich-
ter am Oberlandesgericht Z. zum Vorsitzenden des Senats für Notar-
sachen für die Dauer von fünf Jahren bestellt, und der Präsident des Oberlan-
desgerichts hat sich, wie bisher, dem Fideikomisssenat angeschlossen. Des-
halb ist die Besorgnis des Klägers, der Oberlandesgerichtspräsident werde den
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Vorsitz des Senats für Notarsachen übernehmen, schon in tatsächlicher Hin-
sicht fernliegend.
Galke
Herrmann
Wöstmann
Doyé
Strzyz