Urteil des BGH vom 12.05.2015

Syrien, Irak, Untersuchungshaft, Rufnummer

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
A K 1 1 / 1 5
vom
12. Mai 2015
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 12. Mai 2015
gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa weiter erforderliche Haftprüfung durch den Bundesge-
richtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemei-
nen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.
Gründe:
I.
Der Beschuldigte, ein tunesischer Staatsangehöriger, wurde aufgrund
des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom
15. Oktober 2014 (2 BGs 420/14) am 18. Oktober 2014 festgenommen und
befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe die
in Syrien und im Irak bestehende Vereinigung "Islamischer Staat im Irak und in
Großsyrien (ISIG)" - seit 29. Juni 2014 auftretend unter "Islamischer Staat
(IS)" -, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211
StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, dadurch unterstützt, dass er
1
2
- 3 -
(1) im Juli 2013 von Deutschland aus im Zusammenwirken mit dem in
Syrien kämpfenden, im Januar 2014 getöteten "ISIG"-Mitglied Ü. die
Ausreise des G. aus Deutschland nach Syrien und dessen Auf-
nahme als Mitglied der "ISIG" gefördert habe, indem er G. absprachege-
mäß über notwendige Vorbereitungsmaßnahmen informiert und ihm Kontakt-
personen vermittelt habe,
(2) am 19. Dezember 2013 gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten R.
und anderen in B. drei Pakete mit Kleidungsstücken im Gesamtwert
von 1.129 €, die für die Ausstattung von Mitgliedern des "ISIG" bestimmt gewe-
sen seien, zum Postversand an einen Mittelsmann in der Türkei aufgegeben
habe,
(3) am 13. Februar 2014 einem A. in der Türkei 3
00 €
überwiesen habe, die zur Unterstützung des mit diesem verwandten, in Syrien
kämpfenden "ISIG"-Mitglieds " W. " bestimmt gewesen seien,
(4) am selben Tag 1.500 € an einen Mittelsmann in der Türkei überwie-
sen habe, die zur Unterstützung des in Syrien kämpfenden "ISIG"-Mitglieds
J. bestimmt gewesen seien,
(5) am 14. März 2014 den Mitbeschuldigten R. veranlasst habe, an
den Mittelsmann weitere 1.000 € für J. zu überwiesen, um es die-
sem zu ermöglichen, seine schwangere Ehefrau in der Türkei unterzubringen
und den bewaffneten Kampf fortzusetzen,
3
4
5
6
7
- 4 -
(6) am 26. März 2014 im Zusammenwirken mit dem Mitbeschuldigten
R. und einem anderen Flüge für vier in Adana/Türkei wegen illegalen Auf-
enthalts festgenommene Mitglieder des "ISIG" nach Tunesien bzw. Mauretani-
en gebucht und bezahlt habe, um deren Abschiebung in ihr Heimatland Marok-
ko zu verhindern und ihnen so die Rückkehr nach Syrien zu ermöglichen,
(7) im Zusammenwirken mit dem Mitbeschuldigten G. dem
17-jährigen K. , der sich dieser Vereinigung habe anschließen
wollen, bei der Ausreise aus Deutschland über die Türkei nach Syrien behilflich
gewesen sei, indem er ihn am 10. August 2014 von Aachen zum Flughafen
Köln-Bonn gebracht, ihm während der bis 13. August 2014 andauernden Wei-
terreise von Istanbul nach Syrien telefonisch sachdienliche Anweisungen erteilt
und Kontaktpersonen über ihn informiert habe;
- Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb
der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in sieben tatmehrheitlichen Fällen,
strafbar nach § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, § 53 StGB -.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über
sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens dringend
verdächtig.
8
9
10
11
12
- 5 -
a) Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ist im Sinne eines dringenden
Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien/ad-Dawla al-Islamiya fil-
Iraq wash-Sham (ISIG/DAAISH)"
Beim "Islamischen Staat im Irak und in Großsyrien" handelte es sich um
eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die
es sich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die his-
torische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jorda-
nien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Got-
tesstaat" zu errichten. Wer sich den Ansprüchen dieser Vereinigung entgegen-
setzte, wurde begriffen als "Feind des Islam"; die Tötung solcher "Feinde" oder
ihre Einschüchterung durch Gewaltakte hielt sie für ein legitimes Mittel des
Kampfes.
Die Organisation geht zurück auf die von Abu Musab az-Zarqawi Anfang
2004 als Widerstandsgruppe gegen die US-Präsenz im Irak gegründete "Ja-
ma'at at-Tauhid wal-Dschihad" ("Gemeinschaft der göttlichen Einheit und des
Kampfes"). Im Oktober 2004 leistete az-Zarqawi die bai'at (den Treueeid) auf
Osama bin Laden und dessen "al-Qa'ida", worauf sich die Gruppierung umbe-
nannte in "Tanzim Qa'idat al-Jihad fi Bilad ar-Rafidain" ("Organisation der Basis
des Jihad im Zweistromland") und bekannt wurde als "al-Qaida im Irak (AQI)".
Im Dezember 2005 ernannte bin Laden az-Zarqawi zu seinem Stellvertreter im
Irak. Die "AQI" trat zunächst hervor mit Angriffen auf zivile Angehörige westli-
cher Staaten im Irak, die Opfer von Anschlägen, Entführungen und - auf so-
dann verbreiteten Videofilmen festgehaltenen - Hinrichtungen wurden. Ab
13
14
15
16
- 6 -
Herbst 2005 verlegte sie sich auf medienwirksame Sprengstoffanschläge, vor-
nehmlich in Bagdad und im Nordwestirak, aber am 9. November 2005 auch auf
mehrere Hotels in Amman/Jordanien.
Anfang 2006 schloss sich die "AQI" zunächst unter der Dachorganisation
"Schura-Rat der Mudschaheddin im Irak" mit weiteren Gruppierungen zusam-
men. Nach Zarqawis Tod im Juni 2006 rief dessen Nachfolger Abu Ayyub al-
Masri im Oktober 2006 einen das Gebiet von Bagdad und mehrere Nordwest-
provinzen umfassenden islamischen Staat aus und benannte den Zusammen-
schluss um in "ad-Dawlat al-Islamiya fil-Iraq" ("Islamischer Staat im Irak", "ISI").
Die von den USA gegen den "ISI" ins Leben gerufene und mit Waffen ausge-
rüstete, zeitweise bis zu 100.000 Stammesangehörige umfassende "Erwe-
ckungsbewegung" führte zu keiner entscheidenden Schwächung. So fielen den
Autobomben- und Selbstmordanschlägen des "ISI" im Irak allein 2007 etwa
1.900 Menschen zum Opfer; 2008 bis 2012 kam es bei Anschlägen vor allem
auf schiitische Moscheen und Pilger sowie auf frequentierte Märkte zu insge-
samt etwa 3.000 Toten.
Im Frühjahr 2010 wurde al-Masri bei einer Operation der US-Armee und
der irakischen Regierungstruppen getötet. Sein Nachfolger wurde schließlich
Abu Bakr al-Baghdadi. Unter dessen Führung beteiligte sich der "ISI" nach dem
am 11. Februar 2012 veröffentlichten Aufruf des zwischenzeitlichen al-Qaida-
Anführers Aiman az-Zawahiri an die Muslime des Nahen Ostens, den Kampf
gegen das Assad-Regime aufzunehmen, auch am syrischen Bürgerkrieg. Da-
bei kooperierte er unter anderem mit der 2011 als Arm von "al-Qa'ida" in Syrien
gegründeten, vom Syrer Muhammad al-Jawlani angeführten Kämpfergruppe
"Jabhat an-Nusra li Ahl ash-Sham" ("Hilfsfront für das syrische Volk"; "an-
17
18
- 7 -
Nusra-Front"), deren Aktionen sich vornehmlich gegen Einrichtungen und An-
gehörige der Assad-Armee richteten. Im April 2013 verkündete al-Baghdadi die
Vereinigung von "ISI" und "an-Nusra" zum "Islamischen Staat im Irak und in
Großsyrien/ad-Dawlat al-Islamiya fil-Iraq wash-Sham (ISIG/DAAISH)". Dem
widersprach al-Jawlani und leistete seinerseits die bai'at auf az-Zawahiri, wo-
rauf dieser den Zusammenschluss annullierte und beide Parteien zur Beilegung
ihrer Streitigkeiten auf der Grundlage einer Gebietsabgrenzung - "ISIG" im Irak,
"an-Nusra" in Syrien - aufrief. Dies führte zum Bruch al-Baghdadis sowohl mit
"al-Qa'ida" als auch mit "an-Nusra". In Veröffentlichungen vom 15. und 28. Juni
2013 warf er az-Zawahiri die "Heiligsprechung" des Sykes-Picot-Abkommens
vor und erklärte "an-Nusra" zum Teil des "ISIG" sowie al-Jawlani zum "Abtrün-
nigen".
Dem "ISIG" gelang es, sich in einigen Regionen Nordsyriens als Ord-
nungsmacht festzusetzen. Aus dem Kampf gegen das Assad-Regime zog sich
die Organisation in der Folge weitgehend zurück und konzentrierte sich auf die
Machterhaltung in den von ihr beherrschten Gebieten. Angehörige anderer Op-
positionsgruppen sowie die Teile der Zivilbevölkerung, die den Herrschaftsan-
spruch des "ISIG" in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrich-
tung ausgesetzt. Im August 2013 kam es bei Operationen mehrerer Gruppen in
der Provinz Latakia unter der Führung des "ISIG" zu Massakern unter der regie-
rungstreuen alawitischen Zivilbevölkerung, denen 190 Menschen zum Opfer
fielen; weitere ca. 200 wurden entführt. Unter den syrischen Oppositionsgrup-
pen ist die Organisation wegen des von ihr eingeschlagenen Weges zwischen-
zeitlich isoliert; teils im offenen Kampf gegen den "ISIG" haben andere Grup-
pierungen in einigen Regionen wieder die Oberhand gewonnen. Auch
"al-Qa'ida" distanzierte sich Mitte Mai 2014 ausdrücklich vom Vorgehen des
"ISIG".
19
- 8 -
Wegen der Parteinahme der libanesischen "Hizbollah" für das Assad-
Regime verübte der "ISIG" ferner am 2. Januar 2014 einen Bombenanschlag in
einem schiitischen Wohngebiet in Beirut, der vier Menschen tötete und 77 ver-
letzte. Daneben kam es zu weiteren Aktionen im Irak, so zu dem Überfall auf
die Gefängnisse in Abu Ghuraib und Tadshi am 22. Juli 2013 sowie einen
Selbstmordanschlag in Arbil am 29. September 2013 mit jeweils mehreren To-
desopfern.
In der Folge verlagerte der "ISIG" seine Aktivitäten zunehmend in den
Irak, wo es ihm Anfang Juni 2014 u.a. gelang, die Stadt Mosul unter seine Ge-
walt zu bringen.
Die Führung des "ISIG" bestand aus dem "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi,
dem "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche unterstellt waren, so
ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Der Führungsebene zuge-
ordnet waren beratende "Shura-Räte" sowie "Gerichte", die über die Einhaltung
der Regeln der Sharia wachten. Veröffentlichungen wurden in der Medienabtei-
lung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet.
Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung be-
stand aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah -
Rasul - Muhammad", auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islami-
schen Glaubensbekenntnis. Die etwa 10.000 Kämpfer - im Kern sunnitische
Teile der ehemaligen Streitkräfte des Regimes von Saddam Hussein - waren
dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem
Kommandeur gegliedert.
Am 29. Juni 2014 verkündete der Sprecher des "ISIG", Abu Muhammad
al-Adnani, in einer Audiobotschaft die Ernennung des "Emirs" Abu Bakr al-
Baghdadi zum "Khalifen" (Nachfolger des Propheten) und die Umbenennung
des "ISIG" in "ad-Dawlat al-Islamiya/Islamischer Staat (IS)". Dies verdeutlicht
20
21
22
23
- 9 -
- bei Beibehaltung der bisherigen ideologischen Ausrichtung - eine Abkehr von
der regionalen Selbstbeschränkung auf ein "Großsyrien" und die Erhebung ei-
nes Führungs- und Herrschaftsanspruchs in Bezug auf das gesamte "Haus des
Islam". Zugleich eingeleitete organisatorische Veränderungen, so die Bildung
von "Räten" für Einzelressorts, die Einteilung der besetzten Gebiete in Gouver-
nements und die Einrichtung eines Geheimdienstapparates zielen auf die
Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen.
bb) Die Tathandlungen des Beschuldigten
(1) Der in Aa. wohnhafte Beschuldigte verkehrte in radikalislami-
schen, mit den Zielen des "ISIG" sympathisierenden Kreisen. Im Juli 2013 ent-
schloss er sich, den damals 26 Jahre alten G. - den Bruder des
Mitbeschuldigten Y. G. - bei dessen Vorhaben zu unterstützen, aus
der Bundesrepublik Deutschland nach Syrien auszureisen und sich dort dem
"ISIG" als Kämpfer anzuschließen. Hierzu wandte er sich an den ihm bekann-
ten Ü. , der sich bereits im Januar 2013 nach Syrien begeben und sich
dort Anfang Juni 2013 dem "ISIG" angeschlossen hatte, und bat diesen am
9. Juli 2013, sich bei "Landsleuten" zu erkundigen, ob man G. auf-
nehmen würde. Ü. forderte den Beschuldigten auf, G. zu-
nächst auf die Reise und auf die Situation in Syrien vorzubereiten, damit er
- der Beschuldigte - nicht dadurch sein Gesicht verliere, dass dieser die Erwar-
tungen nicht erfülle. In der Folge bewog er einen "Emir" des "ISIG", der wie
G. tschetschenischer Herkunft war, zu dessen Aufnahme. Der Be-
schuldigte erteilte G. am 17. Juli 2013 die von Ü. für erfor-
derlich gehaltenen Instruktionen und benannte ihm weitere Kontaktleute. Am
25. Oktober 2013 reiste G. zusammen mit seiner Ehefrau und drei
24
25
- 10 -
Kindern nach Syrien aus, nahm dort Kontakt zu Ü. auf und schloss sich
in der Folge wie geplant dem "ISIG" an.
(2) Im Dezember 2013 plante der Beschuldigte zusammen mit dem Mit-
beschuldigten R. sowie den gesondert verfolgten H. ,
Ka. und S. , Ü. eine Sendung mit Klei-
dungsstücken - 27 Jacken, 10 Paar Schuhe und 73 Stück Unterwäsche im Ge-
samtwert von 1.129 € - zukommen zu lassen, die für die Ausstattung von Mit-
gliedern des "ISIG" bestimmt waren. Sie verpackten die Kleidungsstücke in drei
Pakete und gaben diese am 19. Dezember 2013 in B. zur Post. Als
Empfänger bezeichneten sie den in Hatay/Türkei wohnhaften und als Mittels-
mann zum "ISIG" fungierenden Sa. . Dieser löste die Pakete En-
de Januar 2014 bei einer türkischen Zollbehörde aus und verbrachte sie am
11. Februar 2014 zur syrischen Grenze. Da Ü. bei Kampfhandlungen im
Januar 2014 getötet worden war, konnte er die Sendung zwar nicht mehr selbst
in Empfang nehmen, sie gelangte jedoch wie beabsichtigt in den Besitz des
"ISIG". Die a
ufgewandte Zollgebühr von 300 € sowie weitere für die "ISIG" be-
stimmte 600 € überwies der Mitbeschuldigte M. am 29. Januar 2014 auf
Anweisung des Beschuldigten über Western Union an Sa. , den der Be-
schuldigte am 22. Februar 2014 nochmals darauf hinwies, dass alles, was er
ihm in die Türkei schicke, für die "dawla" bestimmt sei.
(3) Weiter beabsichtigte der Beschuldigte, dem in Syrien kämpfenden
"ISIG"-Mitglied " W. " und dessen Familie über deren in der Türkei
wohnhaften Verwandten A. finanzielle Unterstützung zukommen
zu lassen. Mit Hilfe des gesondert verfolgten Ka. überwies
der Beschuldigte am Nachmittag des 13. Februar 2014 aus einem lnternetcafé
in Aa. über Western Union
300 € an A. , übermittelte diesem telefonisch
26
27
- 11 -
die Transaktionsnummer und teilte ihm den Verwendungszweck mit. A. ließ
sich den Betrag am 24. Februar 2014 in einer Postfiliale in Reyhanli/Türkei
auszahlen und leitete ihn sodann wie erbeten weiter.
(4) In gleicher Weise überwiesen der Beschuldigte und
Ka.
am 13. Februar 2014 einen Betrag von 1.500 € an den Mittelsmann
Sa. in Hatay/Türkei, der zur Unterstützung des in Syrien kämpfenden
"lSlG"-Mitglieds J. (" T. ") und dessen Familie bestimmt
war. Sa. ließ das Geld in der Folge durch einen Kurier namens " Ab.
" zu J. nach Syrien bringen.
(5) Am 19. Februar 2014 äußerte der sich in dem umkämpften Ort Dar-
kush in der syrischen Provinz ldlib aufhaltende J. die Absicht, sei-
ne hochschwangere Ehefrau zu ihrer Sicherheit in der Türkei unterzubringen.
Um J. der Sorge um seine Familie zu entheben und ihm so die weitere
Teilnahme am bewaffneten Kampf für den "lSlG" zu erleichtern, nahm der Be-
schuldigte darauf am 6. März 2014 erneut Kontakt mit Sa. auf und veran-
lasste diesen, eine Wohnung in der Türkei anzumieten und die Frau dorthin zu
verbringen. Weiter veranlasste er den Mitbeschuldigten R. , am 14. März
2014 zwei der für die Wohnung zu bezahlenden Monatsmieten und einen Be-
trag für Einrichtungsgegenstände, insgesamt 1.000 €, über Western Union an
Sa. zu überweisen. Sa. ließ sich das Geld am 17. März 2014 in
Hatay/Türkei auszahlen.
(6) Am 22. März 2014 erhielt der Beschuldigte einen Anruf des ihm bis
dahin unbekannten "lSIG"-Mitglieds Bo. , der sich als Freund des
" T. " vorstellte. Bo. erklärte, er und drei weitere "lSlG"-
Mitglieder, E. , D. und Ay. , seien
28
29
30
- 12 -
wegen illegaler Einreise in die Türkei in Adana in Haft. Ihre Abschiebung in ih-
ren Heimatstaat Marokko und ihre anschließende Inhaftierung dort könnten sie
nur durch den Nachweis von Flugtickets in einen anderen - für sie sicheren -
Staat bis spätestens 26. März 2014 abwenden. Um den Genannten die Rück-
kehr nach Syrien und die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes auf Seiten des
"ISIG" zu ermöglichen, veranlasste der Beschuldigte den Mitbeschuldigten
R. und den gesondert verfolgten H. , am 26. März 2014 in einem Rei-
sebüro in B. auf deren Namen für den Folgetag vier Flüge von Istanbul
nach Tunis bzw. Nouakchott zu buchen, von wo aus jeweils die Weiterreise
über Libyen geplant war. Die Flu
gpreise von insgesamt 2.535 € entrichtete der
gesondert verfolgte H. in bar. Bo. flog wie geplant nach Maure-
tanien, wurde dort aber später festgenommen; den anderen wurde in Tunesien
die Einreise verweigert, worauf sie in die Türkei zurückgeflogen wurden. Jeden-
falls D. und Ay. gelangten von dort aus im Mai 2014 nach Syrien, wo sie
sich erneut dem "lSlG" anschlossen.
(7) Im August 2014 verabredeten der Beschuldigte und der Mitbeschul-
digte Y. G. , den 17-jährigen K. bei seinem Vorhaben
zu unterstützen, über die Türkei nach Syrien auszureisen und sich dort dem
"IS" als Kämpfer anzuschließen. Beide beschafften K. das Ticket für
einen Flug nach Istanbul und brachten ihn am 10. August 2014 zum Flughafen
Köln-Bonn. Weiter übergaben sie ihm einen Geldbetrag unbekannter Höhe, der
zur Unterstützung des sich weiterhin als "IS"-Mitglied in Syrien aufhaltenden
G. bestimmt war. Nach der Ankunft in Istanbul erhielt K.
vom Beschuldigten telefonische Hinweise zur Unterkunft dort und zur Weiter-
reise. Am 12. August 2014 nahm der in Gaziantepe/Türkei angelangte
K. erneut telefonischen Kontakt zum Beschuldigten auf. Dieser wies
ihn an, eine türkische Rufnummer zu wählen und den Gesprächspartner unter
31
- 13 -
Berufung auf einen " I. " zu bitten, einen Taxifahrer mit der Weiterfahrt
zu beauftragen. Während der Fahrt versicherte sich der Beschuldigte telefo-
nisch über den ordnungsgemäßen Reiseverlauf und teilte K. mit, er
werde laut Auskünften von Kontaktleuten wohl in ein Militärlager nach
Raqqa/Syrien gebracht. Am 13. August 2014 reiste K. nach Syrien ein
und wurde dort von Mitgliedern des "IS" in Empfang genommen, um ihn wie
vorgesehen nach Raqqa zu verbringen. Hiervon in Kenntnis gesetzt forderte
der Beschuldigte K. telefonisch auf, seinen Begleitern zunächst den
Wunsch nach einem Treffen mit G. zum Zwecke der Geldübergabe
vorzutragen.
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich, wie im Haftbefehl des Ermitt-
lungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. Oktober 2014 im Einzelnen dar-
gestellt, aus den Ergebnissen der Überwachung der Telekommunikation des
Beschuldigten und der Mitbeschuldigten, der Nachverfolgung und Öffnung der
Postsendung (Tat 2) und den Auskünften der Western Union Payment Services
(Taten 2 bis 5). Zu Tat 6 werden diese Erkenntnisse bestätigt durch die am
18. Oktober 2014 im Pkw des Mitbeschuldigten R. sichergestellten Flugti-
ckets nebst Quittung des Reisebüros und eines Faxprotokolls betreffend die
Übermittlung der Tickets durch das Reisebüro an eine türkische Rufnummer
(Vermerk des Bundeskriminalamts vom 24. November 2014, Auswertung As-
servat 2.4.2.2.2. Flugtickets). Im Übrigen waren in einem am selben Tag in der
Wohnung des Beschuldigten sichergestellten Smartphone die jeweils für die
Kommunikation benutzten Rufnummern von " T. " (Taten 4 und 5) und
"So. " (K. , Tat 7) eingespeichert, desweiteren die türkische Ruf-
nummer eines " Ab. " (Tat 4), unter " Tu. " die an
K. in die Türkei übermittelte Rufnummer (Tat 7) sowie eine türkische
Rufnummer, die nach polizeilichen Erkenntnissen einem unter " I. "
32
- 14 -
auftretenden Kontaktmann des "IS" zuzuordnen ist (Tat 7; im Einzelnen Ver-
merk des Bundeskriminalamts vom 26. Januar 2015, Auswertung Asservat
1.1.2.4.2.1.1 Smartphone Samsung).
c) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur
strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der ausländi-
schen terroristischen Vereinigung "ISIG", die deutsche Staatsangehörige sind,
sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten oder hier tätig werden, hat
das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 6. Januar
2014 erteilt (4030 E (1027) - 21 1158/2013). Diese Ermächtigung erfasst auch
das unter (7) geschilderte Tatgeschehen, denn die mit der Ausrufung des "Kha-
lifats Islamischer Staat" am 29. Juni 2014 einhergehenden Veränderungen las-
sen die Identität der Vereinigung unberührt.
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).
Der Beschuldigte hat wegen des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens mit
nicht unerheblichem Freiheitsentzug zu rechnen. Seine bestehenden sozialen
Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland erscheinen nicht tragfähig ge-
nug, um den hiervon ausgehenden Fluchtanreizen verlässlich entgegenwirken
zu können. Zwar unterhält der Beschuldigte in Aa. einen gemeinsamen
Wohnsitz mit seiner deutsch-marokkanischen Ehefrau und seinen ehelichen
Töchtern. Nach den Umständen ist jedoch zu besorgen, dass ihn seine familiä-
ren Verhältnisse nicht daran hindern würden, Fluchtgedanken auch in die Tat
umzusetzen. Wie oben dargelegt, ist der Beschuldigte dringend verdächtig, eng
in ein konspirativ arbeitendes Netzwerk von Mitgliedern und Sympathisanten
des "IS" eingebunden zu sein, das ihm ein Untertauchen auch zusammen mit
seiner Familie wesentlich erleichtern könnte. So ergibt sich aus den dem Be-
33
34
35
- 15 -
schuldigten bekannten Ausreiseplänen des Mitbeschuldigten R. , dass eine
Beteiligung dieser Vereinigung an der Schleusung auch von Familienangehöri-
gen nicht ungewöhnlich ist. Ebenso ist dem Beschuldigten der Gebrauch fal-
scher Personaldokumente nicht fremd. So meldete er sich nach den polizeili-
chen Feststellungen am 1. Oktober 2009 unter Vorlage eines auf Aliaspersona-
lien lautenden totalgefälschten französischen Reisepasses beim Einwohner-
meldeamt in Aa. an. Am 17. Oktober 2009 versuchte er, mit einem ge-
fälschten französischen Reisepass in die Türkei einzureisen, weshalb er an die
Bundesrepublik Deutschland zurücküberstellt wurde.
Vor diesem Hintergrund kann der Zweck der Untersuchungshaft auch
nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht
werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersu-
chungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die be-
sondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang
noch nicht zugelassen.
Bei der zeitgleich mit der Festnahme des Beschuldigten und der Mitbe-
schuldigten G. und R. am 18. Oktober 2014 durchgeführten Durchsu-
chung von insgesamt 20 Objekten wurden über 400 Asservate sichergestellt,
darunter 118 Datenträger mit einem Gesamtvolumen von 18 Terabyte, teilweise
verschlüsselt oder passwortgeschützt. Etwa 4.000 Skype-Chat-Ereignisse,
überwiegend in arabischer Sprache, waren zu sichten. Die Auswertung der As-
servate konnte zwischenzeitlich im Wesentlichen abgeschlossen werden. Am
9. April 2014 hat das mit den Ermittlungen beauftragte Bundeskriminalamt in
dem Verfahren gegen den Beschuldigten und die Mitbeschuldigten insgesamt
36
37
38
- 16 -
48 Ordner Ermittlungsakten vorgelegt; die Vorlage der noch ausstehenden Tei-
le hat es für Mai 2015 angekündigt. Der Generalbundesanwalt beabsichtigt,
noch vor der nächsten Haftprüfung durch den Senat Anklage zum Oberlandes-
gericht Düsseldorf zu erheben.
Das Verfahren ist danach mit der in Haftsachen gebotenen Beschleuni-
gung geführt worden.
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch nicht außer
Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu er-
wartenden Strafe.
Becker Hubert Mayer
39
40