Urteil des BGH vom 06.05.2015

Therapie, Weisung, Aussetzung, Zusage

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 S t R 8 9 / 1 5
vom
6. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2015 nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Essen vom 5. November 2014 insoweit aufgehoben, als
eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Be-
währung abgelehnt worden ist.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verbreitung pornographi-
scher Schriften in 27 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit sexuellem
Missbrauch von Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verur-
teilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Be-
schlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
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Die Begründung, mit der die Strafkammer eine Aussetzung der Freiheits-
strafe zur Bewährung abgelehnt hat, hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung
nicht stand.
1. Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ist ebenso
wie die Strafzumessung Aufgabe des Tatrichters. Ihm kommt bei der Beurtei-
lung der Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB ein weiter Beurteilungsspielraum zu,
in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Ent-
scheidung hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 2011
– 4 StR 699/10,
Rn. 11 mwN).
Im vorliegenden Fall weist die Begründung der Strafkammer jedoch
einen durchgreifenden Erörterungsmangel auf, weil sie sich nicht mit der Frage
befasst hat, ob die Weisung, sich einer sexualtherapeutischen Therapie zu un-
terziehen (§ 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB), zu einer noch ausreichenden positiven
Sozialprognose führen kann. Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte
in der Hauptverhandlung bereit erklärt, eine Therapie zu machen, und hat in der
Justizvollzugsanstalt an einer Gesprächsgruppe teilgenommen. Die Strafkam-
mer hat demgegenüber „den Eindruck gewonnen, dass es nicht zu einer ge-
danklichen Auseinandersetzung mit den Taten und ihren Ursachen beim Ange-
klagten gekommen ist und eine ernsthafte Motivation zum Beginn einer thera-
peutischen Aufarbeitung nicht besteht“. Es kann dahinstehen, ob dieser Ein-
druck des Tatrichters ausreichend mit Tatsachen belegt ist. Denn auch in die-
sem Fall hätte die Strafkammer in Betracht ziehen müssen, die Zusage des An-
geklagten, sich einer Therapie zu unterziehen, durch eine Weisung nach § 56c
Abs. 3 StGB abzusichern. Gerade angesichts seines von der Kammer unter-
stellten taktischen Verhaltens wäre zu erörtern gewesen, ob der Angeklagte
unter dem Druck der Möglichkeit eines Bewährungswiderrufs (§ 56f Abs. 1 Nr. 2
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StGB) zur Durchführung einer Therapie bewogen werden und damit der Rück-
fallgefahr hinreichend begegnet werden kann.
2. Schließlich begegnet auch die Begründung, mit welcher besondere
Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint wurden, durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht hat lediglich ausgeführt, „nach Gesamtwürdigung von
Tat und Persönlichkeit des Angeklagten liegen besondere Umstände schon
aufgrund des längeren Tatzeitraums und der Vielzahl der begangenen Taten
nicht vor“. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Begründung den Anforde-
rungen, die an die gebotene Gesamtschau von Tat und Täterpersönlichkeit zu
stellen sind, in einem Fall wie dem vorliegenden grundsätzlich noch gerecht
wird. Das Landgericht hat zwar auf eine Strafe erkannt, welche die Grenze
möglicher Strafaussetzung erreicht und bei der die Begründungsanforderungen
an die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 StGB
regelmäßig geringer sind (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2003
– 4 StR
389/03, StV 2004, 479). Bei der Beurteilung ist jedoch auch von Bedeutung, ob
erwartet werden kann, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen (BGH,
Beschluss vom 21. September 2006
– 4 StR 323/06, NStZ-RR 2006, 375, 376
mwN). Da die Strafkammer hier schon die ungünstige Sozialprognose nach
§ 56 Abs. 1 StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet hat, ist auch die Verneinung
besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB mit einem Mangel behaf-
tet.
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Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht; sie dürfen durch
solche, die ihnen nicht widersprechen, ergänzt werden.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke
Mutzbauer
Bender
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