Urteil des BGH vom 18.11.2015

Auszahlung, Beendigung, Betrug, Unternehmen

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 76/15
vom
18. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 18. November 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Bochum vom 28. Juli 2014 mit den Feststellungen auf-
gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen zu
der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die
Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen
Rechts rügt, hat Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen veräußerte der Angeklagte ab dem Jahr 2006
über von ihm kontrollierte Firmen Immobilien zu überhöhten Preisen. Die Käufer
verfügten jeweils nicht über hinreichende Eigenmittel und Einkünfte zur Auf-
nahme eines Kredites zum Erwerb der Wohnungen. Der Angeklagte spiegelte
den Mitarbeitern der finanzierenden Bausparkassen durch Vorlage unrichtiger
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Unterlagen die Bonität der Darlehensnehmer vor, worauf es zum Abschluss der
Darlehensverträge und zur Auszahlung der Valuta auf ein Anderkonto des be-
urkundenden Notars kam. Von diesem Notaranderkonto wurden die Darlehens-
beträge an die vom Angeklagten und den Käufern benannten Personen und
Unternehmen ausgezahlt. Darauf kam es dem Angeklagten an.
In den fünf verfahrensgegenständlichen Fällen wurden die Kaufverträge
im Zeitraum zwischen Dezember 2006 und März 2007 geschlossen. In demsel-
ben Zeitraum wurden die Darlehensanträge bei der B. und der D. Bau-
sparkasse gestellt. Die Eintragung der Käufer als Eigentümer im Grundbuch
erfolgte im Zeitraum zwischen April 2008 und Juni 2009. Feststellungen zu den
Zeitpunkten, in denen die Auszahlungen vom Notaranderkonto an die von den
Kaufvertragsparteien benannten Empfänger vorgenommen wurden, enthält das
Urteil nicht.
Als früheste zur Verjährungsunterbrechung geeignete Untersuchungs-
handlung erfolgte am 25. Februar 2013 die Anordnung der ersten Beschul-
digtenvernehmung des Angeklagten.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen hat kei-
nen Bestand, weil weder den Urteilsgründen noch dem Akteninhalt zu entneh-
men ist, wann die abgeurteilten Betrugstaten beendet waren. Der Senat kann
daher nicht prüfen, ob das Verfahrenshindernis der Verjährung der Strafverfol-
gung vorliegt.
1. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB i.V.m.
§ 263 Abs. 1 StGB beginnt nach § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendet ist.
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Beim Betrug ist dafür nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs die Erlangung des letzten vom Tatplan umfassten Vermögensvorteils
maßgeblich (BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2004
– 5 StR 415/03, StraFo
2004, 215; vom 25. April 2014
– 1 StR 13/13, BGHSt 59, 205, 217; vom 21. Mai
1992
– 4 StR 577/91, wistra 1992, 253, 254). Die vom Angeklagten erstrebte
Bereicherung bestand in der Auszahlung der Darlehensvaluta an die von ihm
benannten Empfänger, so dass die Verjährung mit der vollständigen Auszah-
lung des Darlehensbetrages vom Notaranderkonto an die vom Angeklagten
angegebenen Personen und Unternehmen begann.
Der Auffassung des Landgerichts, die Beendigung der Tat sei erst mit
der Grundbucheintragung der jeweiligen Käufer als Eigentümer eingetreten,
vermag der Senat nicht zu folgen. Dabei kann dahinstehen, ob vom Beendi-
gungsbegriff des § 78a Satz 1 StGB auch Verdeckungshandlungen, die nicht
Merkmale des objektiven oder subjektiven Tatbestands erfüllen, erfasst sein
können, wenn sie Teil des Tatplans sind, in zeitlichem Zusammenhang mit der
Planverwirklichung stehen und dadurch die erlangte Beute gesichert werden
soll (vgl. OLG Schleswig, OLGR Schleswig, 2007, 251, 253; LK-StGB/Schmid,
12. Aufl., § 78a Rn. 4). Denn die Eigentumsumschreibung auf die Käufer der
Wohnungen war jedenfalls keine Verdeckungshandlung in diesem Sinne. Durch
die Eigentumsübertragung ist weder ein Verhalten des Angeklagten verschleiert
oder verdeckt worden noch diente sie der Sicherung des Erlangten gegen dro-
hende Entziehung. Zudem war der Angeklagte an dieser Handlung nicht selbst
beteiligt und hatte auf ihre Durchführung keinen Einfluss. Allein der Zusammen-
hang zwischen Vollzug der Kaufverträge und den betrügerisch erlangten Finan-
zierungsdarlehen rechtfertigt es nicht, für die Beendigung der Betrugstaten auf
die Eigentumseintragung abzustellen.
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2. Der demnach für die Beendigung der Tat maßgebliche Zeitpunkt der
Auszahlung der Darlehensvaluta an die Empfänger ist weder den Urteilsfest-
stellungen noch der Verfahrensakte zu entnehmen. Der Senat kann daher nicht
prüfen, ob diese Taten zum Zeitpunkt der Anordnung der ersten Beschuldigten-
vernehmung am 25. Februar 2013 bereits verjährt waren.
Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Zwar hat
das Revisionsgericht grundsätzlich selbst über die Voraussetzungen eines Ver-
fahrenshindernisses aufgrund der vorliegenden oder von ihm noch weiter zu
treffenden ergänzenden Feststellungen und des Akteninhalts zu entscheiden
(BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1961
– 2 StR 193/61, BGHSt 16, 399, 403
mwN). Es ist ihm aber nicht verwehrt, die Sache zur Nachholung fehlender
Feststellungen an den Tatrichter zurückzuverweisen (BGH, Beschlüsse vom
27. Oktober 1961
– 2 StR 193/61 aaO; vom 28. Februar 2001 – 2 StR 458/00,
BGHSt 46, 307, 309 f.; vom 8. Februar 2011
– 1 StR 490/10, BGHSt 56, 146,
151 f.; vgl. auch Urteil vom 19. Oktober 2010
– 1 StR 266/10, BGHSt 56, 6).
Dazu kann insbesondere dann Anlass bestehen, wenn die Ermittlung der maß-
gebenden Tatsachen eine Beweisaufnahme wie in der Hauptverhandlung vor
dem Tatrichter erforderlich machen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Fe-
bruar 2001
– 2 StR 458/00 aaO; Urteil vom 10. Juni 1987 – 3 StR 97/87, wistra
1988, 23; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 337 Rn. 29; Meyer-Goßner/Schmitt,
StPO, 58. Aufl., § 337 Rn. 6).
So liegt der Fall hier. Dem Akteninhalt sind die maßgeblichen Auszah-
lungszeitpunkte nicht zu entnehmen. Die Feststellung dieser Zeitpunkte würde
eine Beweisaufnahme entsprechend dem tatrichterlichen Verfahren erforderlich
machen. Lediglich im Fall II. 2. c) der Urteilsgründe könnten sich aus dem Urteil
des OLG Hamm vom 9. September 2011 in dem Zivilverfahren zwischen der
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B. Bausparkasse und dem beurkundenden Notar Anhaltspunkte dafür erge-
ben, dass die Auszahlung des Darlehensbetrages am 7. März 2007 erfolgt ist
und diese Tat somit verjährt wäre (Bd. IX, Bl. 3974, 3981 ). Die Feststellung
dieses Auszahlungszeitpunktes wird indes nach den oben genannten Grund-
sätzen, ebenso wie in den weiteren vier Fällen, durch den neuen Tatrichter zu
treffen sein.
3. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Besteht beim Betrug der Taterfolg in einer Mehrzahl von Ereignissen,
dann ist für die Beendigung der Zeitpunkt der Erlangung des letzten vom Tat-
vorsatz umfassten Vermögensvorteils maßgebend (BGH, Beschlüsse vom
25. April 2014
– 1 StR 13/13, BGHSt 59, 205, 217; und vom 22. Januar 2004
– 5 StR 415/03, StraFo 2004, 215). In Fällen wie dem vorliegenden, in denen
der erstrebte Vorteil an verschiedene Empfänger ausgezahlt werden soll, be-
ginnt die Verjährung daher mit der Auszahlung des letzten, vom Angeklagten
erstrebten Teilbetrages an den von ihm bestimmten Empfänger.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke
Bender
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