Urteil des BGH vom 20.01.2016

Rüge, Ermittlungsverfahren, Verfall, Polizei

ECLI:DE:BGH:2016:200116B4STR376.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 376/15
vom
20. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und der Beschwerdeführer am 20. Januar 2016 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Stendal vom 30. März 2015, soweit es die An-
geklagten betrifft, im Ausspruch über die Verfallsanordnun-
gen dahin geändert, dass sich die Anordnungen des Verfalls
von Wertersatz in Höhe von 8.000
– gegen die Angeklagten P. und L. N.
jeweils als Gesamtschuldner in Höhe von 7.000
€ mit
dem Angeklagten Q. N. und in weiterer
Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 1.000
€ mit dem
Angeklagten D. ,
– gegen den Angeklagten D. als Gesamtschuldner mit
dem Angeklagten Q. N. und in weiterer
Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 1.000
€ jeweils mit
den Angeklagten P. und L. N. sowie
– gegen den Angeklagten Q. N. als Ge-
samtschuldner mit dem Angeklagten D. und in weite-
rer Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 7.000
€ jeweils
mit den Angeklagten P. und L. N.
richten.
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2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden
verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten D. unter Freisprechung im Üb-
rigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht gerin-
ger Menge zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und die Angeklagten Q.
N. , P. und L. N. jeweils wegen unerlaubten Han-
deltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu
Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren (Q. N. ), vier Jahren
und sechs Monaten (P. ) und fünf Jahren und sechs Monaten (L.
N. ) verurteilt. Des Weiteren hat es gegen alle Angeklagten jeweils den
Verfall von Wertersatz in Höhe von 8.000
€ angeordnet. Hiergegen richten sich
die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der
Angeklagten. Die Rechtsmittel führen lediglich zu einer Änderung der Verfalls-
anordnungen.
1. Hinsichtlich der Schuld- und Strafaussprüche sind die Revisionen der
Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Nachprü-
fung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen inso-
weit keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat. Zu den
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Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundes-
anwalts anzumerken:
Entgegen der Auffassung der Revisionen ist die Strafkammer durch den
Umstand, dass die beiden Übersetzer im Ermittlungsverfahren bei der Übertra-
gung aufgezeichneter Telefongespräche in die deutsche Sprache als Sachver-
ständige tätig waren, nicht gehindert gewesen, sie in der Hauptverhandlung
ausschließlich als Zeugen zum Gegenstand ihrer sinnlichen Wahrnehmung zu
vernehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2002
– 5 StR 42/02, NJW
2003, 150, 151; Trück in MüKo-StPO, § 85 Rn. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom
7. Mai 1965
– 2 StR 92/65, BGHSt 20, 222, 223 f.; Beschlüsse vom 15. August
2001
– 3 StR 225/01, NStZ 2002, 44; vom 18. März 2010 – 3 StR 426/09,
NStZ-RR 2010, 210
[Ls]
).
Die Rüge, mit welcher der Angeklagte P. beanstandet, dass die bei-
den Übersetzer vor ihrer zweiten Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung
auf Veranlassung des Gerichts einzelne Telefongespräche erneut anhörten, ist
nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dabei kann da-
hinstehen, ob der pauschale Verweis der Revision auf eine Vorgabe „des Ge-
richts“ den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt,
weil sich aus den Urteilsgründen, die der Senat aufgrund der gleichfalls erho-
benen Sachrüge zur Kenntnis nimmt, ergibt, dass die Aufforderung zum erneu-
ten Abhören einiger Telefongespräche durch den Vorsitzenden der Strafkam-
mer am 16. Hauptverhandlungstag erfolgte. Die Rüge ist aber unzulässig, weil
dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer
die Aufforderung des Vorsitzenden, bei der es sich um eine auf die Sachleitung
bezogene Anordnung handelte (vgl. Schneider in KK-StPO, 7. Aufl., § 238
Rn. 11), nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet hat. Der Senat braucht daher
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nicht zu entscheiden, ob die Grundsätze, die für die Vorbereitung von Zeugen-
vernehmungen zu in amtlicher Eigenschaft gemachten Wahrnehmungen gelten
(vgl. BGH, Urteile vom 28. November 1950
– 2 StR 50/50, BGHSt 1, 4, 8; vom
11. November 1952
– 1 StR 465/52, BGHSt 3, 281, 283; vom 21. März 2012
– 1 StR 43/12, NStZ 2012, 521, 522 f.; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO,
58. Aufl., § 69 Rn. 8; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 69
Rn. 9; Franke in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 69 Rn. 4), auf
von der Polizei im Ermittlungsverfahren hinzugezogene sachverständige Hilfs-
personen übertragen werden können.
2. Die im angefochtenen Urteil getroffenen Verfallsanordnungen halten
dagegen einer rechtlichen Prüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht die
zum Teil bestehende gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten nicht be-
rücksichtigt hat.
Nach den Feststellungen veräußerten die Angeklagten Q. .
N. und D. jeweils Teile des geernteten Marihuanas, wobei der Ange-
klagte Q. N. insgesamt 160.000
€ und der Angeklagte D.
5.500
€ erlangten. Von diesen Beträgen kehrten die Angeklagten Q.
N. jeweils 7.000
€ und der Angeklagte D. jeweils 1.000 € an die jeweili-
gen anderen Tatgenossen aus. Da die Angeklagten Q. N. und
D. mithin zunächst (Mit-)Verfügungsmacht an den an die jeweils anderen
Angeklagten ausgekehrten Erlösanteilen hatten, haften die Angeklagten beim
Verfall von Wertersatz in diesem Umfang als Gesamtschuldner (vgl. BGH,
Beschlüsse vom 16. Juli 2013
– 4 StR 144/13 Rn. 7; vom 23. November 2011
– 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383; vom 25. September 2012 – 4 StR
137/12, NStZ 2013, 401). Der Umstand, dass das Landgericht bei den Ange-
klagten Q. N. und D. nach § 73c StGB von einer den Betrag
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des ihnen jeweils verbleibenden Erlösanteils übersteigenden Verfallsanordnung
abgesehen hat, lässt das Gesamtschuldverhältnis unberührt (vgl. BGH, Be-
schluss vom 25. September 2012
– 4 StR 137/12 aaO). Die Aussprüche über
die Anordnungen des Wertersatzverfalls sind daher entsprechend zu ergänzen.
3. Der geringfügige Teilerfolg der Rechtsmittel rechtfertigt es nicht, die
Angeklagten teilweise von den durch ihre Rechtsmittel veranlassten Kosten und
Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak
Franke
Bender
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