Urteil des BGH vom 28.07.2015

Beschränkung, Erpressung, Hehlerei, Geldstrafe

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 S t R 2 4 7 / 1 5
vom
28. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers - zu 1. a) mit dessen Zu-
stimmung - am 28. Juli 2015 einstimmig nach § 349 Abs. 2 und 4, § 354
Abs. 1, § 154a Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. gegen das Urteil
des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 30. Januar 2015 wird
a) das Verfahren nach § 154a Abs. 2 StPO beschränkt, soweit
der Angeklagte im Fall II. 3 der Urteilsgründe auch wegen
einer tatmehrheitlich begangenen vorsätzlichen Körperver-
letzung verurteilt worden ist; im Umfang der Beschränkung
fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Aus-
lagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorbezeichnete Urteil
– soweit es ihn betrifft – im
Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklag-
te wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Geldwäsche,
Computerbetrug, Diebstahl in drei Fällen und unerlaubtem
Führen einer Schusswaffe verurteilt ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines
Rechtsmittels zu tragen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räube-
rischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2 der
Urteilsgründe), Geldwäsche in Tateinheit mit Hehlerei sowie vorsätzlicher Kör-
perverletzung (Fall II. 3 der Urteilsgründe), Computerbetrugs (Fall II. 6 der Ur-
teilsgründe), Diebstahls in drei Fällen (Fälle II. 1, II. 4 und II. 7 der Urteilsgrün-
de) und „unerlaubten Führens einer Schreckschusspistole“ (Fall II. 8 der Ur-
teilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Mona-
ten verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt zu einer Beschränkung der
Strafverfolgung und zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Änderung des
Schuldspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.
1. Der Senat nimmt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts im Fall
II. 3 der Urteilsgründe den Vorwurf einer tatmehrheitlich begangenen vorsätzli-
chen Körperverletzung nach § 154a Abs. 2 StPO aus verfahrensökonomischen
Gründen von der Verfolgung aus. Dies führt zum Wegfall der für diese Tat ver-
hängten Einzelstrafe.
Entgegen der Auffassung der Revision war die von der Strafkammer
festgestellte Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten Sc. von der
unverändert zugelassenen Anklage (dort Fall 4) mit umfasst. Denn im Anklage-
satz wird neben den Ereignissen in der J. straße in B. (gewalt-
sames Abpressen von Mobiltelefon und Bargeld) auch geschildert, dass der
Angeklagte und sein Mittäter anschließend mit dem Geschädigten zu dessen
Wohnhaus gingen, um weitere Gegenstände zu entwenden. Dort wurde der
Geschädigte dann
– nach den Feststellungen des Landgerichts – von dem An-
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geklagten S. mit der Faust geschlagen, weil sich kein Diebesgut finden
ließ. Zwischen den in der Anklage mitgeteilten Ereignissen und dem Faust-
schlag besteht damit ein innerer Zusammenhang, der trotz materiell-rechtlicher
Tatmehrheit die Annahme einer prozessualen Tat im Sinne eines bei natürli-
cher Betrachtungsweise einheitlichen Lebensvorganges rechtfertigt (vgl. dazu
BGH, Beschluss vom 4. September 2013
– 1 StR 374/13, NStZ 2014, 102, 103
Rn. 15; Beschluss vom 16. März 1989
– 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 154;
Beschluss vom 4. Juni 1970
– 4 StR 89/70, BGHSt 23, 270, 273). Für eine
Teileinstellung des Verfahrens nach § 354 Abs. 1 StPO war daher kein Raum.
Die auf den Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung entfallenen Kos-
ten des Strafverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen not-
wendigen Auslagen waren der Staatskasse aufzuerlegen. Zwar ist bei einer
Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a StPO wegen des vorläufigen
Charakters dieser Entscheidung eine Kostenentscheidung grundsätzlich nicht
möglich. Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - gleichzeitig mit der Beschränkung
der Strafverfolgung auf einzelne Teile der Tat durch Verwerfung der Revision
das Urteil über die von der Beschränkung nicht betroffenen Teile der Tat
rechtskräftig wird (BGH, Beschluss vom 15. Juni 1993
– 4 StR 287/93, BGHR
StPO § 154a Kostenentscheidung 1).
2. Die tateinheitliche Verurteilung wegen Hehlerei im Fall II. 3 der Ur-
teilsgründe hat zu entfallen, weil die von dem Angeklagten entgegengenomme-
nen 25 Euro eine geringwertige Sache im Sinne des § 259 Abs. 2, § 248a StGB
waren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004
– 2 StR 176/04, BGHR StGB
§ 248a Geringwertig 1) und die erforderlichen Verfolgungsvoraussetzungen
nicht gegeben sind. Der Geschädigte hat keinen Strafantrag gestellt. Die
Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfol-
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gung weder ausdrücklich noch konkludent bejaht (vgl. dazu BGH, Beschluss
vom 7. Mai 2015
– 1 StR 108/15, Rn. 4 zitiert nach juris). Die Anklage umfasste
nur den Vorwurf der räuberischen Erpressung und einer tateinheitlich verwirk-
lichten gefährlichen Körperverletzung. Auf den in der Hauptverhandlung erteil-
ten Hinweis des Gerichts, dass für den Angeklagten S. insoweit auch
eine Verurteilung wegen Hehlerei in Tateinheit mit Geldwäsche sowie (tatmehr-
heitlich) wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Betracht komme, hat die
Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse ausdrücklich nur in Be-
zug auf die vorsätzliche Körperverletzung bejaht.
Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer im Fall einer Verur-
teilung nur wegen Geldwäsche eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte. Der
Strafrahmen wurde § 261 StGB entnommen und die tateinheitliche Verwirkli-
chung des § 259 StGB nicht straferschwerend berücksichtigt.
3. Das ohne jede waffenrechtliche Erlaubnis erfolgte Mitführen einer
Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalpistole im Fall II. 8 der Urteilsgründe hat
die Strafkammer zu Unrecht als Verstoß gegen § 52 Abs. 1 WaffG gewertet.
Tatsächlich liegt ein Fall des § 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG vor (vgl. Heinrich in:
MüKo-StGB 2. Aufl., § 52 WaffG Rn. 55). Denn bei der von dem Angeklagten
mitgeführten Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalpistole handelt es sich nicht
um eine der in § 52 Abs. 1 Nr. 1 (frühere Kriegswaffen) oder Nr. 2b (halbauto-
matische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition) WaffG genannten
Waffen, sondern um einen den Schusswaffen gleichstehenden tragbaren Ge-
genstand gemäß Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.2.1 zu § 1 Abs. 4
WaffG (vgl. Abschnitt 2, Ausführungen zu Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt
1 Nummer 1.2.1 WaffVwV), der nach § 2 Abs. 2 WaffG i.V.m. Anlage 2 Ab-
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schnitt 2 Unterabschnitt 1 und Unterabschnitt 3 Nr. 2.1 nur mit einem sog. Klei-
nen Waffenschein geführt werden darf.
Der Senat kann jedoch ausschließen, dass das Landgericht für diese Tat
eine noch mildere Einzelstrafe als Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen ver-
hängt hätte, wenn es bei der Strafzumessung nicht von dem nach den §§ 21,
49 StGB gemilderten Strafrahmen des § 52 Abs. 1 WaffG, sondern von dem
– gleichermaßen gemilderten – Strafrahmen des § 52 Abs. 3 StGB ausgegan-
gen wäre.
4. Die Verfahrensbeschränkung und der Wegfall der tateinheitlichen
Verurteilung wegen Hehlerei im Fall II. 3 der Urteilsgründe ziehen die sich aus
der Beschlussformel ergebende Änderung des Schuldspruchs nach sich. § 265
StPO steht dem nicht entgegen. Obgleich durch die Verfahrenseinstellung, die
für die vorsätzliche Körperverletzung im Fall II. 3 verhängte Einzelstrafe von
drei Monaten Freiheitsstrafe entfallen ist, kann die Gesamtstrafe bestehen blei-
ben. Der Senat vermag mit Rücksicht auf die verbleibenden Einzelstrafen von
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zwei Jahren Freiheitsstrafe, zweimal sechs Monaten Freiheitsstrafe, fünf Mona-
ten Freiheitsstrafe, vier Monaten Freiheitsstrafe und drei Monaten Freiheitsstra-
fe sowie einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen auszuschließen, dass die Straf-
kammer auf eine noch mildere Gesamtstrafe erkannt hätte.
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin