Urteil des BGH vom 02.06.2015

Marihuana, Anstiftung, Beihilfe, Verbringen

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 S t R 1 4 4 / 1 5
vom
2. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 2. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Hagen vom 31. Oktober 2014 im Schuldspruch da-
hingehend geändert, dass der Angeklagte der unerlaubten
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der Anstiftung
zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht ge-
ringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des uner-
laubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht gerin-
ger Menge schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Be-
täubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaub-
ten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.3.a.
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der Urteilsgründe), unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge (Fall II.3.b. der Urteilsgründe) und unerlaubten Handel-
treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.3.c. der Urteils-
gründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Ver-
fallsanordnung getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten
führt zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat sich der
Angeklagte im Fall II.3.b. nicht wegen (mittäterschaftlich begangener) unerlaub-
ter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit un-
erlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, son-
dern wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungs-
mitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.
a) Der Angeklagte war spätestens seit Anfang des Jahres 2013 Mitglied
einer „organisierten, kriminellen Struktur“, die einen umfangreichen Handel mit
erheblichen Mengen hochwertigen Marihuanas betrieb. Die Gruppierung ver-
brachte mittels angeworbener Kurierfahrer auf Veranlassung des hauptsächlich
für die Lieferungen verantwortlichen D. Mengen von ca. 10 bis
15 Kilogramm Marihuana über die niederländische Grenze nach Deutschland.
Vornehmlicher Bestimmungsort war B. . Der in H. wohnende Angeklagte
leistete Unterstützungstätigkeiten, indem er unter anderem Kuriere anwarb. Im
September 2013 vermochte er auch den gesondert verfolgten T.
als Kurierfahrer für die Gruppe zu gewinnen. Anfang Oktober plante der Ange-
klagte (auf eigene Rechnung) ein Kilogramm Marihuana gewinnbringend an
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K. aus N. zu verkaufen. Er nahm deshalb Kontakt zu
D. in den Niederlanden auf. Beide kamen überein, dass D. der
nächsten für B. bestimmten und in dem üblichen Umfang stattfindenden Lie-
ferung ein Kilogramm Marihuana für den Angeklagten beifügen werde. Als
Kaufpreis wurden 4.000 Euro vereinbart. Am 1. November 2013 fand die nächs-
te größere Lieferung von Marihuana nach B. statt. Als Kurierfahrer neben
D. fungierte T. . D. belud das für den
Transport vorgesehene Fahrzeug in E. mit mindestens 10 Kilogramm
Marihuana, die in zwei Reisetaschen verpackt waren, und legte das für den An-
geklagten bestimmte eine Kilogramm Marihuana
– verpackt in einer Plastikein-
kaufstüte
– hinter dem Beifahrersitz ab. Anschließend verbrachte er gemeinsam
mit T. und anderen unbekannten Mittätern das Marihuana über die
niederländisch-deutsche Grenze auf das Bundesgebiet. Danach fuhr
T. auf Anweisung von D. zunächst nach H. und übergab
dort dem Angeklagten das für ihn bestimmte Marihuana. Sodann begab er sich
mit der im Kofferraum befindlichen größeren Menge nach B. . Der Angeklag-
te verkaufte das Kilogramm Marihuana noch am Abend des 1. November 2013
in N. für 4.250,- Euro an K. weiter. Beide Rauschgiftmen-
gen hatten einen Tetrahydrocannabinol-Anteil von mindestens 5 %.
b) Die Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte (tateinheit-
lich) einer mittäterschaftlich begangenen unerlaubten Einfuhr von Betäubungs-
mitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 25 Abs. 2
StGB schuldig gemacht hat.
aa) Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht
erforderlich, dass der Täter der Einfuhr die Betäubungsmittel eigenhändig ins
Inland verbringt, vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht
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selbst nach Deutschland transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar
handelnden Täters sein. Voraussetzung ist aber, dass er dabei einen Tatbeitrag
erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden
Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit
aller Mitwirkenden darstellt, und die Tathandlungen der anderen als Ergänzung
seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Wesentliche Anhaltspunkte für die
Täterschaft sind dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbetei-
ligung, die Tatherrschaft und der Wille dazu, die in eine wertende Gesamtbe-
trachtung einzubeziehen sind. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen
Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (BGH, Beschluss vom 25. Februar
2015
– 4 StR 16/15, NStZ 2015, 346; Beschluss vom 31. März 2015 – 3 StR
630/14, StraFo 2015, 259, 260; Beschluss vom 27. Mai 2014
– 3 StR 137/14,
Rn. 3; Beschluss vom 11. Juli 1991
– 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 33 mwN).
bb) Die Feststellungen lassen nicht erkennen, dass der Angeklagte Ein-
fluss auf den Transportweg oder auf andere Modalitäten der Einfuhr des Mari-
huanas hatte. Dass er mit D. beim Erwerb des für ihn bestimmten
Marihuanas dessen Einfuhr vereinbart hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai
2014
– 3 StR 137/14, Rn. 3; anders für den Fall eines Gesamtkonzepts, BGH,
Urteil vom 25. August 1987
– 1 StR 268/87, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Ein-
fuhr 6) und zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel bereit war,
reicht für die Annahme von Mittäterschaft nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom
31. März 2015
– 3 StR 630/14, StraFo 2015, 259, 260). Dem Umstand, dass
der Angeklagte mit der für ihn bestimmten Betäubungsmittelmenge Handel trei-
ben wollte und deshalb ein Interesse am Gelingen des Einfuhrvorgangs hatte,
kommt unter den gegebenen Umständen keine wesentliche Bedeutung zu (vgl.
BGH, Beschluss vom 27. Mai 2014
– 3 StR 137/14, Rn. 3). Die frühere Anwer-
bung des am Einfuhrvorgang beteiligten T. als Kurierfahrer für die
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Gruppe um D. erfolgte ersichtlich ohne Bezug zu der hier in Rede
stehenden Einfuhrfahrt.
c) Der Angeklagte ist aber der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Be-
täubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 26
StGB).
aa) Eine tätergleich zu bestrafende Anstiftung (§ 26 StGB) zur unerlaub-
ten Einfuhr von Betäubungsmitteln begeht, wer einen anderen durch Einwirkung
auf dessen Entschlussbildung dazu veranlasst, Betäubungsmittel in nicht gerin-
ger Menge auf das Bundesgebiet zu verbringen (BGH, Beschluss vom 10. April
2013
– 4 StR 90/13, NStZ-RR 2013, 281; Beschluss vom 6. Dezember 2011
– 4 StR 554/11). Die Willensbeeinflussung muss dabei nicht die alleinige Ursa-
che für das Verhalten des anderen sein; bloße Mitursächlichkeit reicht aus
(BGH, Urteil vom 20. Januar 2000
– 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374; Urteil
vom 8. Januar 1985
– 1 StR 686/84, NJW 1985, 924).
bb) Der Angeklagte hat D. vorsätzlich dazu veranlasst, ein
(weiteres) Kilogramm Marihuana mit einem Tetrahydrocannabinol-Anteil von
5 % und damit
– schon für sich genommen – Betäubungsmittel in nicht geringer
Menge über die niederländisch-deutsche Grenze zu verbringen. Dass dieser
Transport absprachegemäß anlässlich einer bereits ins Auge gefassten Einfuhr-
fahrt mit anderen Betäubungsmitteln stattfinden sollte und stattgefunden hat,
stellt die Annahme einer Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmit-
teln in nicht geringer Menge nicht in Frage. Im Hinblick auf die zu dem Ange-
klagten transportierte Rauschgiftmenge war D. vorab noch nicht
zur Tatbegehung entschlossen (sog. omnimodo facturus, vgl. dazu BGH, Be-
schluss vom 30. Mai 2013
– 5 StR 309/12, Rn. 21 mwN). Auch wurde der ge-
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samte Tatablauf durch die Einflussnahme des Angeklagten erheblich verändert
(gesondert verwahrte zweite Rauschgiftmenge im Transportfahrzeug, Fahrt
nach H. ) und der Unrechtsgehalt der Tat deutlich erhöht (zusätzliche Über-
schreitung der Grenzmenge um mehr als das Sechsfache), sodass nicht ledig-
lich eine (psychische) Beihilfe zu der bereits geplanten Einfuhrfahrt vorliegt (vgl.
BGH, Beschluss vom 8. August 1995
– 1 StR 377/95, NStZ-RR 1996, 1; Urteil
vom 3. Juni 1964
– 2 StR 14/64, BGHSt 19, 339, 341; SSW-StGB/Murmann,
2. Aufl., § 26 Rn. 6; Schünemann in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl.,
§ 26 Rn. 34 ff. mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstandes; unter Be-
schränkung auf das Mehr an Unrecht, sofern dies
– wie hier in Bezug auf § 30
Abs. 1 Nr. 4 BtMG der Fall
– selbstständig einen Tatbestand erfüllt, Joerden in
Festschrift Puppe, 2011, S. 563, 578 Fn. 39; Hardtung in Festschrift Herzberg,
2008, S. 411, 423 ff.; a.A. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 26 Rn. 5; Roxin in:
Leipziger Kommentar zum StGB, 10. Aufl., § 26 Rn. 6 mwN).
2. Der Senat schließt angesichts der sorgfältigen und ersichtlich umfas-
senden Beweisaufnahme aus, dass nach einer Aufhebung und Zurückverwei-
sung weitere, einen Schuldspruch wegen täterschaftlicher Einfuhr tragende
Feststellungen getroffen werden können. Er stellt daher selbst den Schuld-
spruch um. Eines Hinweises hierauf bedurfte es nicht, da sich der Angeklagte
gegen den Vorwurf der Anstiftung zur Einfuhr nicht anders als geschehen hätte
verteidigen können; er war hinsichtlich des äußeren Tatgeschehens ohnehin
überwiegend geständig.
Der Senat kann ebenfalls ausschließen, dass der Tatrichter im Falle
einer Verurteilung wegen Anstiftung statt wegen Täterschaft bei der Einfuhr
eine geringere Einzelstrafe verhängt hätte als geschehen. Der Strafrahmen
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bleibt unverändert. Auch hat das Landgericht dem Angeklagten lediglich das für
ihn bestimmte Kilogramm Marihuana zugerechnet.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke
Mutzbauer
Quentin