Urteil des BGH vom 31.03.2015

Kokain, Erwerb, Anstiftung, Täterschaft

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 6 3 0 / 1 4
vom
31. März 2015
in der Strafsache
gegen
1.
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wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und der Beschwerdeführer am 31. März 2015 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Hannover vom 19. Juni 2014 mit den Feststellungen aufge-
hoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmit-
teln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmit-
teln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von jeweils vier Jahren und
sechs Monaten verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und die
sichergestellten Betäubungsmittel, ca. 1,85 kg Kokain, eingezogen. Dagegen
wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Revisionen, die jeweils auf die
Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt sind; der Angeklagte X.
beanstandet zudem das Verfahren.
Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, auf die Verfahrensbe-
anstandungen kommt es deshalb nicht an.
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1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen täterschaftlicher Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält revisionsrechtlicher Prüfung
nicht stand.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten
mit einem - nicht namentlich feststellbaren - Dritten vor dem 8. März 2012
überein, unter finanzieller Beteiligung aller anderthalb bis zwei Kilogramm Ko-
kain in den Niederlanden zu erwerben, diese Betäubungsmittel in die Bundes-
republik Deutschland einzuführen und in Hannover zu strecken, zu portionieren
und gewinnbringend weiterzuverkaufen. Der Angeklagte M. begab sich zu
diesem Zweck mit dem unbekannten Dritten am 8. März 2012 nach Utrecht und
später nach Amsterdam. Dabei machten sie sich in zwei Autos, mit einem von
dem Angeklagten X. angemieteten VW Polo sowie mit einem in seinem Ei-
gentum stehenden BMW 730d, auf den Weg. Den BMW übergaben sie auf
Weisung des Angeklagten X. , der das Fahrzeug auf nicht näher feststellba-
re Weise zur Finanzierung des Rauschgiftgeschäfts einsetzte, in den Nieder-
landen an einen unbekannten Empfänger. Sodann erwarben der Angeklagte
M. und sein unbekannter Begleiter von einer oder mehreren unbekannt ge-
bliebenen Personen das in drei Beuteln abgepackte Kokaingemisch, das je-
weils unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen zwischen gut 30 % und über
96 % aufwies. Am Abend des 9. März 2012 machten sich der Angeklagte
M. und sein unbekannter Begleiter in dem VW Polo auf den Rückweg nach
Hannover, wo sie am frühen Morgen des 10. März 2012 eintrafen. Am selben
Tag gegen 14.15 Uhr wurde das erworbene Betäubungsmittel von einem
Kurierfahrer, zu dessen Identität keine Feststellungen getroffen werden konn-
ten, angeliefert und dem Angeklagten M. übergeben.
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b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass die Angeklagten das verfah-
rensgegenständliche Kokain als Täter in die Bundesrepublik Deutschland ein-
führten. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht
erforderlich, dass der Täter der Einfuhr die Betäubungsmittel eigenhändig ins
Inland verbringt, vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht
selbst nach Deutschland transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar
handelnden Täters sein, wenn er einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei werten-
der Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der
zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt,
und der die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatan-
teils erscheinen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1992 - 3 StR
35/92, BGHSt 38, 315, 319 mwN). Auch der im Inland aufhältige Erwerber von
Betäubungsmitteln aus dem Ausland kann deshalb wegen täterschaftlicher Ein-
fuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die
Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung
fördernde Beiträge leistet; wesentliche Anhaltspunkte für die Täterschaft sind
dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tat-
herrschaft und der Wille dazu, die in eine wertende Gesamtbetrachtung einzu-
beziehen sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 - 1 StR 357/91,
BGHSt 38, 32, 33 mwN). Hat der Besteller hingegen keinen Einfluss auf den
Einfuhrvorgang und wartet er nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführ-
ten Betäubungsmittel bringt, ist er wegen der Bestellung zwar wegen Handel-
treibens mit Betäubungsmitteln strafbar; die bloße Bereitschaft zur Entgegen-
nahme der eingeführten Betäubungsmittel begründet aber weder die Stellung
als Mittäter noch als Gehilfe der Einfuhr (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG,
7. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 190 mwN).
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Die Strafkammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Ange-
klagten Einfluss auf den Transportweg oder in anderer Weise auf die Einfuhr
des Kokains hatten; es ist auch nicht festgestellt, dass der Angeklagte M.
beim Erwerb der Betäubungsmittel mit den Verkäufern die von diesen durchzu-
führende Einfuhr vereinbarte (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 29. Januar 1986
- 2 StR 613/85, StV 1986, 384). Hinsichtlich des Angeklagten X. , der bei
dem Erwerb der Betäubungsmittel in den Niederlanden nicht einmal zugegen
war, sind ebenfalls keine Umstände festgestellt, die auf seine Täterschaft bei
der Einfuhr des Kokains hindeuten könnten.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einem neuen Rechtsgang
Umstände festgestellt werden können, die die Annahme täterschaftlicher Ein-
fuhr durch die Angeklagten - oder jedenfalls einen von ihnen - rechtfertigen
könnten. Eine Umstellung des Schuldspruchs verbietet sich zudem auch des-
halb, weil in Fällen wie dem vorliegenden eine Strafbarkeit wegen Anstiftung
zur Einfuhr der Betäubungsmittel in Betracht kommt; die Voraussetzungen der
Anstiftung sind dabei selbständig zu prüfen (BGH, Beschluss vom 22. Januar
1987 - 1 StR 647/86, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 3). Die Sache be-
darf daher neuer Verhandlung.
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Einfuhr von Betäubungsmit-
teln bedingt auch die Aufhebung des - für sich genommen rechtsfehlerfreien -
Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäu-
bungsmitteln in nicht geringer Menge. Um dem neuen Tatgericht widerspruchs-
freie Feststellungen zu ermöglichen, hat der Senat von der Möglichkeit abge-
sehen, die bislang getroffenen Feststellungen auch nur teilweise bestehen zu
lassen.
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3. Die Gestaltung der Urteilsgründe gibt dem Senat - erneut - Anlass zu
folgenden Bemerkungen:
Die Beweiswürdigung soll keine umfassende Dokumentation der Be-
weisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen, warum bestimmte bedeut-
same Umstände so festgestellt worden sind. Es ist regelmäßig untunlich, den
Inhalt der überwachten Telekommunikation wörtlich oder auch nur in einer aus-
führlichen Inhaltsangabe wiederzugeben (hier UA S. 6 bis 23, 26 bis 27 und 55
bis 57), die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen aus der Hauptver-
handlung der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen oder verlesene
Urkunden, auf deren Wortlaut es nicht ankommt, wörtlich wiederzugeben. Ein
solches Vorgehen kann die Besorgnis begründen, der Tatrichter sei davon
ausgegangen, eine breite Darstellung der erhobenen Beweise könne die gebo-
tene eigenverantwortliche Würdigung ersetzen und unter Umständen den Be-
stand des Urteils gefährden (st. Rspr.; s. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013
- 3 StR 121/13, juris mwN).
Schäfer
RiBGH Pfister befindet sich
Hubert
im Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unterschreiben.
Schäfer
Mayer
Gericke
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