Urteil des BGH vom 08.01.2015

Klinik, Unterbringung, Persönlichkeitsstörung, Nötigung, Schuldfähigkeit

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 5 9 0 / 1 4
vom
8. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Nötigung
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Koblenz vom 21. Juli 2014 im Maßregelausspruch mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung zu einer viermo-
natigen Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatri-
schen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Ange-
klagten mit sachlichrechtlichen Angriffen. Das Rechtsmittel hat den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte, der ab
dem Jahr 2011 begonnen hatte, Suizidgedanken zu entwickeln, im Juli 2013
aufgrund einer bei ihm diagnostizierten kombinierten Persönlichkeitsstörung mit
ausgeprägten sexuellen Gewaltphantasien nach dem rheinland-pfälzischen
Landesgesetz für psychisch kranke Personen wegen Fremdgefährdung in einer
Klinik in Ahrweiler vorläufig untergebracht. Am 16. September 2013 begegnete
er dort einer Mitarbeiterin. Er fühlte sich zu der Frau, die er persönlich nicht
kannte, sofort hingezogen und malte sich aus, mit ihr auch gegen ihren Willen
und unter Einsatz von Gewalt sexuell zu verkehren. Diese Phantasien dauerten
bis zum nächsten Tag an. Daraufhin ging der Angeklagte auf die Station, in der
die Mitarbeiterin ihren Arbeitsplatz hatte, betrat das Zimmer, schloss die Türe
und erklärte ihr, er habe sie am Vortag gesehen und habe "Blicke und Gesten
von ihr gedeutet". Den Versuch der Frau, telefonisch Hilfe herbeizuholen, un-
terband der Angeklagte, indem er auf die Rufunterbrechung drückte. Als sie ihr
Büro verlassen wollte, stellte sich der Angeklagte an die Türe, hielt ihre Hand
fest und hinderte sie, die Klinke herunterzudrücken. Zugleich äußerte er, es sei
ohnehin niemand auf dem Flur. Als die Mitarbeiterin nach einiger Zeit mit der
anderen Hand auf einen neben der Tür befindlichen Alarmknopf drücken konn-
te, erkannte der Angeklagte, dass er seine Phantasien nicht mehr würde in die
Tat umsetzen können, und ließ die Hand los. Die Mitarbeiterin konnte die Tür
öffnen, an der aufgrund des Notrufs bereits andere Pflegekräfte standen. Der
Angeklagte wurde wegen dieser Tat in der Folgezeit in einer anderen Klinik un-
tergebracht, wo er mit dem Behandlungspersonal gut zurechtkommt, als Haus-
arbeiter tätig ist und inzwischen eine Sicherheitsstufe erreicht hat, bei der Aus-
gänge aus der Klinik in Begleitung eines Pflegers möglich sind.
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Das Landgericht hat, von einem psychiatrischen und einer psychologi-
schen Sachverständigen beraten, festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund
seiner kombinierten Persönlichkeitsstörung und seinem sexuellen Sadismus
zur Tatzeit bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit in seiner Steuerungs-
fähigkeit erheblich eingeschränkt war und wegen dieses Zustands, den sexuel-
le Gewaltphantasien, sadistische Wünsche bis hin zu Tötungsimpulsen kenn-
zeichnen, auch gefährlich im Sinne von § 63 StGB ist.
2. Während der Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten aufweisen, kann die Maßregelanordnung nicht be-
stehen bleiben.
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zu-
treffend ausgeführt hat, lässt das angefochtene Urteil die im Rahmen der Prü-
fung der Verhältnismäßigkeit gemäß § 62 StGB gebotene Überlegung vermis-
sen, ob der Gefährlichkeit des Angeklagten ausreichend durch außerstrafrecht-
liche Sicherungssysteme begegnet werden könnte. Anlass hierzu geben die
Umstände, dass der Angeklagte seit Oktober 2012 unter Betreuung u.a. für die
Bereiche Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht steht, dass er
in der Unterbringung nach dem Landesgesetz für psychisch kranke Personen in
der neuen Klinik gut zurecht kommt und inzwischen als für begleitete Ausgänge
geeignet angesehen wird und dass er sich bislang straflos verhalten hat.
Über die Unterbringung muss deshalb erneut entschieden werden. Bei
der Prüfung, ob bei dem Angeklagten ein überdauernder Zustand im Sinne von
§ 63 StGB besteht, wird der neue Tatrichter auch zu klären haben, welchen
Einfluss die zum Zeitpunkt der Tat gegebene hohe Medikamentendosis hierauf
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hatte. Bislang ist die Medikation nur im Zusammenhang mit der Beurteilung der
Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt erörtert worden (UA S. 12).
Zudem wird zu beachten sein, dass das Subsidiaritätsprinzip bei den
freiheitsentziehenden Maßregeln nicht für die Frage der Anordnung, sondern
nur für die Frage der Vollstreckung gilt (BGH, Urteile vom 23. Februar 2000
- 3 StR 595/99, NStZ-RR 2000, 300, 301 und vom 11. Dezember 2008 - 3 StR
469/08, NStZ 2009, 260, 261).
Becker Pfister Hubert
Mayer Gericke
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