Urteil des BGH vom 28.04.2015

Leitsatzentscheidung zu Missbrauch, Unterbringung, Genehmigung, Versuch

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 5 3 2 / 1 4
vom
28. April 2015
Nachschlagewerk:
ja
BGHSt:
ja
Veröffentlichung:
ja
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StGB § 174a Abs. 1
Ein Minderjähriger wird grundsätzlich nicht im Sinne des § 174a Abs. 1 StGB auf
behördliche Anordnung verwahrt, wenn er sich in einer stationären Jugendhilfe-
einrichtung befindet, wie sie § 34 SGB VIII vorsieht.
BGH, Beschluss vom 28. April 2015 - 3 StR 532/14 - LG Osnabrück
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. April
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 (analog) StPO einstimmig be-
schlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Osnabrück vom 2. Juli 2014
a) im Schuldspruch
aa) in den Fällen II. 2. Taten 2 und 3 der Urteilsgründe
dahin geändert, dass der Angeklagte insoweit des
sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in zwei
Fällen schuldig ist;
bb) in den Fällen II. 3. Taten 27, 28, 30 bis 53 der
Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte
insoweit des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in
Tateinheit
mit
sexuellem
Missbrauch
eines
Schutzbefohlenen in 26 Fällen schuldig ist;
b) im Übrigen aufgehoben
aa) und der Angeklagte freigesprochen, soweit er in den
Fällen II. 2. Taten 4 bis 26 der Urteilsgründe verurteilt
worden ist; insoweit fallen die ausscheidbaren Kosten
des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des
Angeklagten der Staatskasse zur Last;
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bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen, soweit
der Angeklagte im Fall II. 3. Tat 29 der Urteilsgründe
verurteilt
worden
ist
sowie
im
gesamten
Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem
Missbrauch eines Schutzbefohlenen und in weiterer Tateinheit mit sexuellem
Missbrauch eines behördlich Verwahrten in 26 Fällen, wegen versuchten
sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit versuchtem sexuellen
Missbrauch eines Schutzbefohlenen und in weiterer Tateinheit mit versuchtem
sexuellen Missbrauch eines behördlich Verwahrten in einem Fall, wegen
sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem
Missbrauch eines behördlich Verwahrten in zwei Fällen, wegen sexuellen
Missbrauchs eines behördlich Verwahrten in 23 Fällen sowie wegen sexuellen
Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in einem Fall zu der Gesamtfrei-
heitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die
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allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen
Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die rechtliche Bewertung erweist sich als fehlerhaft, soweit das
Landgericht den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines behördlich
Verwahrten verurteilt hat.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen war der
Angeklagte als Erzieher in stationären Jugendhilfeeinrichtungen (Heimen) tätig
und für die Betreuung und Erziehung der ihm anvertrauten Kinder und
Jugendlichen verantwortlich. Im Zeitraum von Juni 2005 bis Juli 2011 kam es in
insgesamt 52 Fällen zu sexuellen Handlungen mit Kindern bzw. Jugendlichen,
insbesondere zu Manipulationen am Geschlechtsteil der Jungen. Teilweise
veranlasste der Angeklagte diese auch dazu, an ihm den Handverkehr
auszuüben. Dabei war der Geschädigte im Fall II. 1. Tat 1 der Urteilsgründe 14
Jahre alt. Der Geschädigte der unter II. 2. festgestellten Taten war zu Beginn
der Übergriffe 14 oder 15 (Taten 2 und 3), bei den Taten 4 bis 26 allerdings
bereits 16 oder 17 Jahre alt. Der durch die unter II. 3. festgestellten Taten
Geschädigte (Taten 27 bis 53) befand sich im Alter zwischen 11 und 13 Jahren.
b) Während in den Fällen II. 1. Tat 1, II. 2. Taten 2 und 3 sowie II. 3.
Taten 27, 28, 30 bis 53 die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von
Schutzbefohlenen, teilweise in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von
Kindern, keiner rechtlichen Beanstandung unterliegt, tragen die Feststellungen
die weitere Verurteilung wegen tateinheitlichen sexuellen Missbrauchs eines
behördlich Verwahrten nicht. Dies gilt auch, soweit das Landgericht in den
Fällen II. 2. Taten 4 bis 26 den Angeklagten ausschließlich wegen sexuellen
Missbrauchs eines behördlich Verwahrten verurteilt hat.
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aa) Nach § 174a Abs. 1 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer
sexuelle Handlungen an einer auf behördliche Anordnung verwahrten Person,
die ihm zur Erziehung anvertraut ist, unter Missbrauch seiner Stellung vornimmt
oder sexuelle Handlungen von einer solchen Person an sich vornehmen lässt.
Auf behördliche Anordnung verwahrt ist, wer sich aufgrund hoheitlicher Gewalt
in staatlichem Gewahrsam befindet (MüKoStGB/Renzikowski, 2. Aufl., § 174a
Rn. 11). Der Begriff ist wie in § 120 Abs. 4 StGB auszulegen (S/S-Eisele, StGB,
29. Aufl., § 174a Rn. 4; MüKoStGB/Renzikowski aaO; aA LK/Hörnle, StGB,
12. Aufl., § 174a Rn. 12). Danach sind Kinder und Jugendliche, die sich in
Jugendhilfeeinrichtungen aufhalten, wie sie § 34 SGB VIII vorsieht, nicht auf
behördliche Anordnung verwahrt. Grundlage der Heimunterbringung ist die
Entscheidung des Inhabers der Personensorge. Eine behördliche oder
gerichtliche Befugnis, die Unterbringung eines Kindes oder Jugendlichen in
einer stationären Einrichtung anzuordnen, ist - von wenigen, hier nicht
vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen (vgl. § 9 Nr. 2, § 12 Nr. 1, 2 JGG;
dazu LK/Rosenau aaO, § 120 Rn. 20) - gesetzlich nicht vorgesehen.
Im Einzelnen:
§ 34 SGB VIII sieht die sog. Hilfe zur Erziehung "in einer Einrichtung
über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten
Wohnform" vor. Die Heimerziehung stellt eine der nach §§ 27 ff. SGB VIII
gewährten Erziehungshilfen dar (Nellissen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB
VIII, § 34 Rn. 1; vgl. auch Staudinger/Salgo, BGB (2015), § 1631b Rn. 16, 2),
auf die unter bestimmten Umständen ein Anspruch besteht (Nellissen in
Schlegel/Voelzke aaO, Rn. 8). Eine gesetzliche Grundlage für die
Unterbringung Minderjähriger in einem solchen Heim enthält § 34 SGB VIII
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dagegen nicht. Die Entscheidung, eine stationäre Jugendhilfemaßnahme für
das Kind oder den Jugendlichen in Anspruch zu nehmen, obliegt vielmehr allein
dem Sorgeberechtigten, vorrangig den Eltern. Aber auch dann, wenn den Eltern
das Sorgerecht entzogen (§ 1666 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6 BGB) und durch das
Familiengericht nach §§ 1773 ff. BGB eine Vormundschaft angeordnet wurde,
gilt insoweit nichts anderes. In diesen Fällen obliegt die Personensorge dem
bestellten Vormund, der in seiner Tätigkeit vom Familiengericht überwacht wird,
aber weder diesem noch dem Jugendamt weisungsunterworfen ist. Seine
Entscheidung, eine Heimerziehung in Anspruch zu nehmen, stellt deshalb
ebenfalls keine behördliche Anordnung einer Unterbringung dar (so auch bei
sonstigen
Unterbringungen
durch
einen
Betreuer
oder
Vormund
MüKoStGB/Renzikowski aaO; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, 2005, § 4
Rn. 58; Laubenthal, Handbuch Sexualstraftaten, 2012, Rn. 393). Ebenso liegt
es
schließlich
im
Falle
der
sogenannten Amtsvormundschaft,
die
familiengerichtlich angeordnet wird, wenn ausnahmsweise eine als Vormund
geeignete
Person
nicht
vorhanden
ist
(vgl.
Hamdan
in
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 1791b Rn. 10). In
diesen Fällen geht zwar die Personensorge auf das Jugendamt als Träger der
Jugendhilfe über. Diesem obliegt damit auch die Entscheidung, den
Jugendlichen in einer stationären Einrichtung unterzubringen. Selbst wenn das
Jugendamt nach § 55 Abs. 2 SGB VIII die Ausübung der Aufgaben des
Amtsvormunds einem Beamten oder Angestellten übertragen muss, der
Anträge auf Hilfe zur Erziehung dann in eigenem Namen stellt, ändert dies an
der Stellung des Jugendamtes als Amtsvormund nichts (Fröschle in
Schlegel/Voelzke,
jurisPK-SGB
VIII,
§
55
Rn.
40;
Hamdan
in
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth aaO, Rn. 13). Doch nimmt auch dieses
dabei lediglich als Sorgeberechtigter eine nach den §§ 27 ff. SGB VIII gewährte
Hilfe zur Erziehung in Anspruch. Eine behördliche Anordnung ist auch in diesen
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Fällen nicht gegeben.
Ebenso wenig sieht das Gesetz eine gerichtliche Anordnung vor (vgl.
§ 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB), den Jugendlichen in einer stationären Einrichtung
unterzubringen. Zwar bedarf die Entscheidung des Personensorgeberechtigten
für eine Heimerziehung nach § 1631b BGB dann der Genehmigung durch das
Familiengericht, wenn die Erziehungshilfe - ausnahmsweise (vgl. die Zahlen bei
Staudinger/Salgo aaO, Rn. 2) - in einer geschlossenen Einrichtung geleistet
werden soll, in der die Fortbewegungsfreiheit aufgehoben ist (Nellissen in
Schlegel/Voelzke aaO, Rn. 24; Erman/Döll, BGB, 14. Aufl., § 1631b Rn. 3).
Denn da bei der geschlossenen Unterbringung Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG berührt
wird, dessen Einschränkung nach Art. 104 Abs. 2 GG richterlicher Kontrolle
unterliegen muss, schränkt § 1631b BGB insoweit das Personensorgerecht ein
(Staudinger/Salgo aaO, Rn. 1). Das Familiengericht kann jedoch nicht von Amts
wegen, sondern allein auf Antrag des Sorgeberechtigten tätig werden; der
Jugendhilfeträger besitzt - soweit er nicht seinerseits die Personensorge
wahrnimmt - kein Antragsrecht (Nellissen in Schlegel/Voelzke aaO, Rn. 29;
Staudinger/Salgo aaO, Rn. 4; Erman/Döll aaO, Rn. 8). Die Genehmigung wird
erteilt, wenn das Kindeswohl die geschlossene Unterbringung rechtfertigt und
diese verhältnismäßig ist. Eine behördliche Anordnung stellt die Genehmigung
durch das Familiengericht indes nicht dar. Auch bei Vorliegen einer
Genehmigung ist der Sorgeberechtigte nicht zur Unterbringung verpflichtet
(Staudinger/Salgo aaO, Rn. 4, 41).
Nach alledem ist ein Minderjähriger, der sich in einer Einrichtung nach
§ 34 Abs. 1 SGB VIII aufhält, nicht im Sinne des § 174a Abs. 1 StGB aufgrund
behördlicher Anordnung verwahrt (aA LK/Hörnle aaO, § 174a Rn. 12;
MüKoStGB/Renzikowski aaO; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 174a Rn. 4;
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Laubenthal, Handbuch Sexualstraftaten, 2012, Rn. 393; wie hier S/S-Eisele
aaO, § 174a Rn. 4; S/S-Eser aaO, § 120 Rn. 4). Soweit im Schrifttum zur
Begründung der gegenteiligen Auffassung auf das Schutzbedürfnis der in
Heimen untergebrachten Kinder und Jugendlichen verwiesen wird, deren
Situation unter anderem durch eingeschränkte Fortbewegungsmöglichkeit und
existenzielle Abhängigkeit vom Personal gekennzeichnet sei, wird damit
lediglich ein (vermeintliches) Strafbedürfnis artikuliert, auf das der Tatbestand
des § 174a Abs. 1 StGB gerade nicht erstreckt worden ist. Vielmehr hat der
Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik ausdrücklich darauf verzichtet, die
Einrichtungen der freiwilligen Erziehungshilfe in den Schutzbereich des § 174a
Abs. 1 StGB einzubeziehen (BT-Drucks. VI/3521, S. 26 f.).
bb) Damit hat sich der Angeklagte vorliegend in keinem der abgeurteilten
Fälle nach § 174a Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Die Grundlage der
Heimunterbringung ist die Entscheidung des Sorgeberechtigten. Der in den
unter II. 3. der Urteilsgründe festgestellten Fällen Geschädigte befand sich "mit
Zustimmung" (also aufgrund der Entscheidung) seines allein sorgeberechtigten
Vaters in der Einrichtung. Bei dem in den Fällen II. 2. der Urteilsgründe
Geschädigten hatte der "vom Jugendamt eingesetzte" Vormund "einen Antrag
auf stationäre Unterbringung" gestellt. Beide Geschädigte waren damit nicht
aufgrund behördlicher Anordnung verwahrt.
Deshalb war in den Fällen II. 2. Taten 2 und 3, sowie II. 3. Taten 27, 28,
30 bis 53, in denen der Angeklagte jeweils auch wegen tateinheitlichen
sexuellen Missbrauchs eines behördlich Verwahrten verurteilt worden ist, der
Schuldspruch entsprechend abzuändern (§ 354 Abs. 1 analog StPO). In den
Fällen II. 2. Taten 4 bis 26, in denen der Angeklagte ausschließlich nach § 174a
Abs. 1 StGB schuldig gesprochen worden ist, war er demgegenüber unter
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teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils freizusprechen (§ 354 Abs. 1
StPO); denn eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 174 Abs. 1 Nr. 2, § 182
StGB hat das Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei verneint. Der Senat schließt
es aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden
könnten, die eine Strafbarkeit der Handlungen des Angeklagten nach diesen
oder anderen Strafvorschriften begründen könnten.
2. Im Fall II. 3. Tat 29 tragen die Feststellungen auch die Verurteilung
wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit
mit versuchtem sexuellen Missbrauch von Kindern nicht.
Nach den Feststellungen lehnte der Geschädigte das Ansinnen des
Angeklagten ab, diesen mit der Hand zu befriedigen. Daraufhin ließ der
Angeklagte ihn für einen Moment in seinem Betreuerzimmer zurück und begab
sich zu zwei anderen Jugendlichen der Wohngruppe, die er aufforderte, sich
um den Geschädigten "zu kümmern". Dann brachte er den Geschädigten zu
den beiden Jugendlichen, die diesen schlugen. In der Folge kam der Junge
einer erneuten Aufforderung des Angeklagten zum Handverkehr nach (II. 3. Tat
30 der Urteilsgründe). Dass dies etwa auf die vorangegangenen Schläge
zurückzuführen war, hat das Landgericht nicht festgestellt.
Es hat einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten von der
versuchten Tat verneint; denn es liege ein "gescheiterter Versuch" vor. Das ist
rechtsfehlerhaft,
da
die
Feststellungen
die
Voraussetzungen
eines
fehlgeschlagenen Versuchs nicht erkennen lassen.
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Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm
vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder
den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr
herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalket-
te in Gang setzt (s. etwa nur BGH, Urteile vom 30. November 1995 - 5 StR
465/95, BGHSt 41, 368, 369; vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010,
690, 691 mwN).
Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlage-
nen Versuch nicht. Sie beschränken sich darauf, das objektive Geschehen dar-
zulegen, ohne Feststellungen zu den maßgeblichen Vorstellungen des Ange-
klagten zu treffen. Dass der Angeklagte nach der schlichten Weigerung des
Jungen, den Handverkehr auszuüben, keine Möglichkeit mehr sah, etwa durch
verbale Einwirkung auf das Kind ohne Ingangsetzung einer neuen Handlungs-
kette sein Ziel noch zu erreichen, ergeben die Urteilsgründe nicht. Insbesonde-
re hat das Landgericht nicht festgestellt, dass der Angeklagte annahm, allein
durch die Übergabe des Geschädigten an die beiden anderen Bewohner der
Wohngruppe zur körperlichen Züchtigung erreichen zu können, dass der Ge-
schädigte seinen Wünschen noch nachkam. Grund und Zweck dieser Maß-
nahmen blieben vielmehr offen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass der An-
geklagte durch freiwilliges Unterlassen weiterer auf den Taterfolg abzielender
Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten konnte (§ 24 Abs. 1 Satz
1 Alt. 1 StGB). Es bedarf deshalb über das objektive Geschehen hinaus weite-
rer Feststellungen zu den Vorstellungen und Zielen des Angeklagten.
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3. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand. Mit dem
Teilfreispruch sowie der Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 3. Tat 29
entfallen die entsprechenden Einzelstrafen nebst der Gesamtstrafe. Aber auch
die Einzelstrafen der Fälle, in denen der Senat den Schuldspruch abgeändert
hat, unterliegen der Aufhebung; denn das Landgericht hat bei deren
Bemessung jeweils zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er
tateinheitlich zwei beziehungsweise drei Straftatbestände verwirklicht hat. Der
Senat kann daher nicht ausschließen, dass es bei Nichtannahme des § 174a
Abs. 1 StGB zu geringeren Strafen gelangt wäre. Um dem neuen Tatrichter eine
in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hat der Senat auch die für
sich betrachtet nicht zu beanstandende Einzelstrafe im Fall II. 1. der
Urteilsgründe aufgehoben.
Becker Schäfer Mayer
Gericke Spaniol
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