Urteil des BGH vom 05.05.2011

Beihilfe, Transport, Wirtschaftliches Interesse, Kokain, Zusage

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 445/10
vom
5. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u.a.
zu 2.: Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
zu 3.: Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Mai 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagte S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagte S. P. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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I. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des
Landgerichts Duisburg vom 10. November 2009, soweit es ihn
betrifft,
1. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe verur-
teilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteils-
gründe,
c) im Gesamtstrafenausspruch,
2. im Schuldspruch zu Fall II. 3. der Urteilsgründe dahin abgeän-
dert, dass der Angeklagte des Führens einer halbautomati-
schen Kurzwaffe in Tateinheit mit Besitz von Munition schuldig
ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
II. Auf die Revision des Angeklagten A. P. wird das vorbe-
zeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen
aufgehoben.
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Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die Revision des Angeklagten S. P. gegen das vorbe-
zeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Den Angeklagten S. hat das Landgericht wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmit-
teln, jeweils in nicht geringer Menge (Fall II. 1. der Urteilsgründe), wegen Beihil-
fe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 2.
der Urteilsgründe) und wegen "Führens und Besitzes einer halbautomatischen
Kurzfeuerwaffe" (Fall II. 3. der Urteilsgründe) unter Einbeziehung der Strafe aus
einem Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Juni 2008 zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Weiter hat das Landgericht im Falle II. 2. der Urteilsgründe den Ange-
klagten A. P. des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht gerin-
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ger Menge und den Angeklagten S. P. der Beihilfe hierzu schuldig ge-
sprochen. Den Angeklagten A. P. hat es deswegen unter Einbeziehung
der Strafe aus einem Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. April 2008 zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen den Angeklag-
ten S. P. hat es eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten
verhängt.
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten rügen die Verlet-
zung materiellen Rechts; die Angeklagten S. und A. P. beanstan-
den auch das Verfahren. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. P. hat
mit der Sachrüge Erfolg, das des Angeklagten S. den aus der Urteilsformel
ersichtlichen Teilerfolg. Die weitergehende Revision des Angeklagten S.
sowie die Revision des Angeklagten S. P. sind dagegen unbegründet im
Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I. Verurteilung der Angeklagten im Falle II. 2. der Urteilsgründe
Die Feststellungen zu Fall II. 2. der Urteilsgründe tragen weder die Ver-
urteilung des Angeklagten A. P. wegen täterschaftlichen Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG)
noch die des Angeklagten S. wegen Beihilfe hierzu. Die Verurteilung des
Angeklagten S. P. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmit-
teln in nicht geringer Menge hat dagegen Bestand.
1. Das Landgericht hat hierzu festgestellt:
Zwei in den Niederlanden wohnhafte Personen namens H. und
W. verfügten über einen Vorrat von 300 kg Kokain, der in Griechenland
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lagerte und den sie nach Deutschland und gegebenenfalls weiter in die Nieder-
lande oder nach Großbritannien verbringen lassen wollten. Der frühere Mitan-
geklagte I. hatte ihnen zugesagt, für den Transport zu sorgen. Dies scheiterte
indes zunächst an einer Erkrankung des vorgesehenen Lkw-Fahrers, was
H. und W. so verärgerte, dass sie vorübergehend einen Vertrauten
des I. als Geisel nehmen ließen. I. bemühte sich deshalb dringend um an-
derweitige Transportmöglichkeiten. Dabei kam er in Kontakt mit den Angeklag-
ten A. und S. P. , die nach der Insolvenz ihrer Spedition Partner für
den Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz suchten. Anfang Oktober
2006 erklärte sich der Angeklagte A. P. gegenüber I. bereit, unter
dessen Beteiligung umgehend ein neues Unternehmen zu gründen. Beide ka-
men überein, dass dieses eine Infrastruktur für künftige Drogentransporte bie-
ten, jedoch auch legale Geschäfte abwickeln sollte. Vordringlich sollte es indes
dazu dienen, das in Griechenland lagernde Kokain nach Deutschland zu
verbringen. Für den Gründungsaufwand erhielt der Angeklagte A. P.
von I. zu
nächst 40.000 € in bar.
Am 26. Oktober 2006 reisten die Angeklagten A. P. und S.
- dieser war am Vortag mit I. bekannt gemacht und in die Pläne eingeweiht
worden - zu einem Treffen mit I. und weiteren Personen nach Griechenland.
Dort wurde abgesprochen, als Erstes einen "check test" durchzuführen, um die
Häufigkeit und die Intensität der Kontrollen an den einzelnen Grenzstationen zu
ermitteln. Für die Errichtung des neuen Unternehmens übergab I. dem Ange-
klagten A. P. bei dieser Gelegenheit weite
re 105.000 € und kurz darauf
nochmals 70.000 €.
In der Folgezeit betrieb der Angeklagte A. P. die notarielle Grün-
dung und den Aufbau des neuen Transportunternehmens. Zu Geschäftsführern
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wurden seine Lebensgefährtin sowie ein Vertrauter des I. bestellt. Der Ange-
klagte S. P. , der zwischenzeitlich ebenfalls erfahren hatte, dass I. den
Geschäftsbetrieb dazu nutzen wollte, eine größere Menge Kokain aus Grie-
chenland nach Deutschland zu verbringen, übernahm gegen Gehalt die Aufga-
ben des Disponenten. Beide rechneten mit einem Transport von mindestens
100 kg Kokain. Sie ließen sich hierauf ein, weil sie hofften, sich auf diese Wei-
se die wirtschaftliche Basis für eine zukünftige legale Geschäftstätigkeit schaf-
fen zu können.
Im November 2006 erteilte ein Mitarbeiter des I. den Auftrag, nunmehr
die besprochene Testfahrt durchzuführen. Hierzu mietete der Angeklagte A.
P. ein Kühlfahrzeug der Marke "Thermoking" an, das der bereits in der
Spedition der beiden Angeklagten als Fahrer beschäftigte frühere Mitangeklag-
te C. deshalb empfohlen hatte, weil er mit einem 100-Liter-Wassertank
und weiteren Hohlräumen über gute Versteckmöglichkeiten verfügte. Der An-
geklagte S. P. buchte im Wissen um den Zweck der Fahrt die entspre-
chenden Fährverbindungen zwischen Italien und Griechenland. Vereinba-
rungsgemäß belud C. das gemietete Fahrzeug in Deutschland mit Milch-
produkten, lieferte diese in Griechenland aus und nahm für die Rückfahrt Oran-
gen, anderes Obst und Gemüse auf. In ständigem Telefonkontakt mit dem An-
geklagten S. P. und dem Kreis um I. brachte er die Ware nach
Deutschland, wo sie der Angeklagte S. entgegennahm und auf dem Berliner
Großmarkt verkaufte. An der Planung der Testfahrt war der Angeklagte S.
nicht beteiligt. Ein Mitarbeiter des I. hatte ihn "erst kurzfristig" darauf ange-
sprochen, ob er für den Abverkauf der Ladung sorgen könne; er hatte in Kennt-
nis dessen zugesagt, dass es sich um die Testfahrt für einen Transport von
mindestens 100 kg Kokain handelte.
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Zu dem geplanten Kokaintransport "kam es jedenfalls im Jahre 2006
nicht mehr".
2. Danach hat nicht nur der Angeklagte S. P. , sondern auch der
Angeklagte A. P. lediglich Beihilfe zum Handeltreiben der niederländi-
schen Hintermänner mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet
(§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB). Im Einzelnen:
a) Die niederländischen Hintermänner haben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge Handel getrieben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Handeltrei-
ben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG jede eigennützige, auf den
Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGH, Beschluss vom
26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252). Das Erfordernis einer auf Um-
satz gerichteten Tätigkeit ist dahin zu verstehen, dass diese die einverständli-
che Übertragung von Betäubungsmitteln von einer Person auf eine andere zum
Endziel haben muss; auf eine tatsächliche Förderung des erstrebten Umsatzes
kommt es dabei nicht an, denn Handeltreiben ist kein Erfolgsdelikt. Die Tat ist
deshalb auch dann rechtlich vollendet, wenn der erstrebte Umsatz von Betäu-
bungsmitteln nicht erreicht wird (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 1981
- 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277).
Dass die vom Landgericht festgestellten Bemühungen der Hintermänner,
den zu ihrer Verfügung stehenden Vorrat von 300 kg Kokain aus Griechenland
nach Deutschland und gegebenenfalls weiter in die Niederlande oder nach
Großbritannien transportieren zu lassen, nach diesen Maßstäben den Teilakt
einer auf gewinnbringenden Absatz des Betäubungsmittels gerichteten Tätig-
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keit bildeten, versteht sich nach den Umständen von selbst und bedurfte des-
halb keiner besonderen Darlegung.
b) Der frühere Mitangeklagte I. hat zu diesem Handeltreiben der Hin-
termänner jedenfalls - unmittelbar - Beihilfe geleistet.
Gemäß § 27 Abs. 1 StGB macht sich als Gehilfe strafbar, wer (vorsätz-
lich) einem anderen zu dessen (vorsätzlich begangener) rechtswidriger Tat Hil-
fe leistet. Als Hilfeleistung in diesem Sinne ist grundsätzlich jede Handlung an-
zusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter ob-
jektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem
konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich
(BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 388 f.).
Danach hat I. durch seine Zusage, den Transport der Drogen zu über-
nehmen, und seine nachfolgende, auf die Planung und die Durchführung die-
ses Transports gerichtete Tätigkeit das Handeltreiben der Hintermänner geför-
dert. Zwar verhält sich das Urteil nicht ausdrücklich dazu, dass und wodurch die
Begehung der Haupttat in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder
erleichtert wurde; dies bedarf grundsätzlich sorgfältiger und genauer Feststel-
lungen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2000 - 4 StR 229/00, NStZ-RR 2001,
40). Für die hier vorliegende Fallgestaltung einer - wie die Aktivitäten des Mit-
angeklagten I. belegen - ernsthaften und verlässlichen Zusage, das zum Ab-
satz bestimmte Betäubungsmittel zu transportieren, liegt dies indes auf der
Hand, denn sie verschafft dem Haupttäter Sicherheit, seinen Tatplan wie vor-
gesehen umsetzen zu können, und enthebt ihn weitergehender Maßnahmen
(vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284). Die
Bedeutung, welche die Hintermänner der Transportzusage für die Verwirkli-
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chung ihres Tatplans zugemessen haben, wird nicht zuletzt augenfällig in ihrer
Reaktion auf den Ausfall des zunächst vorgesehenen Fahrers.
c) Durch die Unterstützung des früheren Mitangeklagten I. bei der Pla-
nung und Vorbereitung des den Hintermännern zugesagten Transports haben
sich die Angeklagten A. und S. P. der - mittelbaren - Beihilfe zu de-
ren Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig gemacht.
aa) Hilfe leistet dem Täter auch derjenige, der seinerseits die Tatförde-
rung eines weiteren Gehilfen unterstützt (sog. "Beihilfe zur Beihilfe", vgl. BGH,
Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409). Auch hier ist es
ausreichend, dass der Gehilfe über die Haupttat wenigstens in Umrissen Be-
scheid weiß (BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 3 StR 91/06, NStZ 2007,
102). Er muss die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren
Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen; Ein-
zelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch
keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Beschluss vom 20. Januar
2011 - 3 StR 420/10, Rn. 13; Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06,
NJW 2007, 384, 389). Ebenso wenig ist es andererseits erforderlich, dass der
Haupttäter überhaupt von der - objektiv fördernd wirkenden - Hilfeleistung
Kenntnis erlangt (BGH, Urteil vom 8. September 1994 - 4 StR 364/94,
BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 8). Diesen Maßstäben genügen die von den
Angeklagten A. und S. P. zur Ermöglichung des Kokaintransports
entfalteten Tätigkeiten.
bb) Entgegen der Annahme des Landgerichts hat der Angeklagte A.
P. jedoch nicht als (Mit-)Täter gehandelt.
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Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Be-
täubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt
sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf
einen Teilakt des Umsatzgeschäfts wie hier auf den Transport, so kommt es
nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht al-
lein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tat-
herrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses isolierten Teilakts innehat. Abzustel-
len ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung
im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007
- 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219; Beschluss vom 7. August 2007 - 3 StR 326/07,
NStZ 2008, 40; Urteil vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, NJW 2008, 1460;
Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 5 StR 345/08, NStZ 2009, 392). Maßgeblich
sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der
Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille
dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom
Willen des Tatbeteiligten abhängen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006
- 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Beschluss vom 25. April 2007 - 1 StR 156/07,
NStZ 2007, 531; Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 324/10).
Danach kommt einer Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Betäu-
bungsmitteln erschöpft, in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglich-
keit zu; auch bei faktischen Handlungsspielräumen hinsichtlich der Art und
Weise des Transports wird sie zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit
darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein (BGH, Urteil vom 28. Februar
2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219; Beschluss vom 30. März 2007 - 2 StR
81/07, NStZ-RR 2007, 246; Beschluss vom 7. August 2007 - 3 StR 326/07,
NStZ 2008, 40; Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 468/07,
NStZ 2008, 285; Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 324/10). Anderes
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kann gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinaus-
gehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar
beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Ge-
samtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielen-
den Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine
gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts
spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätig-
keit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder
Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weit gehende Ein-
flussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden
Drogen sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß
reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen
(vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 421/06,
NStZ 2007, 288; Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219;
Beschluss vom 30. März 2007 - 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246; Beschluss
vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324; Beschluss vom 7. August
2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40).
Solche besonderen Umstände hat das Landgericht indes nicht in hinrei-
chendem Umfang festgestellt. Zwar hat der Angeklagte zur Ermöglichung des
Drogentransports erhebliche, über die eines gewöhnlichen Kuriers weit hinaus-
gehende Aktivitäten entfaltet und umfangreiche Investitionen getätigt. Auch
handelte er, wie insbesondere die bereits geflossenen Beträge zeigen, in der
Aussicht auf einen hohen, ihm eine neue wirtschaftliche Perspektive eröffnen-
den Gewinn. Andererseits beschränkte sich der tatfördernde Beitrag des Ange-
klagten auf Maßnahmen zur Vorbereitung des zugesagten Transports, die ihm
für sich allein noch keinen wesentlichen Einfluss auf den Ablauf des eigentli-
chen, von den Hinterleuten betriebenen Umsatzgeschäfts sicherten. In dieses
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war der Angeklagte auch sonst nicht eingebunden; er hatte weder zu den Hin-
terleuten noch zu potentiellen Abnehmern Kontakte, sondern arbeitete lediglich
mit dem ebenfalls für den Transport verantwortlichen früheren Mitangeklagten
I. zusammen. Das zu transportierende Kokain bekamen weder er noch sein
Fahrer je in die Hände. Allein sein Wille, den Transport durchzuführen, reicht
zur Annahme von Tatherrschaft vor diesem Hintergrund nicht aus. Sein wirt-
schaftliches Interesse erschöpfte sich in der Übernahme der erforderlichen
Speditionsgeschäfte. Dass der Angeklagte darüber hinaus ein eigenes Interes-
se am Gelingen des von den Hinterleuten betriebenen Umsatzgeschäfts hatte,
etwa für diesen Fall auf Folgeaufträge hoffte, ist den Feststellungen nicht zu
entnehmen.
3. Demgegenüber tragen die Feststellungen zu Fall II. 2. der Urteilsgrün-
de nicht die Verurteilung des Angeklagte S. wegen Beihilfe zum Handeltrei-
ben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Allerdings stünde der Annahme einer (mittelbaren) Beihilfehandlung des
Angeklagten nach § 27 StGB nicht schon entgegen, dass die Zusage des Ab-
verkaufs der für I. und die anderen Angeklagten nutzlosen Testladung ge-
messen am Gesamtgeschehen eher untergeordnete Bedeutung hätte und von
dem seitens der Hintermänner angestrebten Betäubungsmittelumsatz noch weit
entfernt bliebe. Auf das Gewicht eines tatfördernden Beitrags kommt es für
dessen Einstufung als Hilfeleistung grundsätzlich nicht an; dieses gewinnt viel-
mehr allein für die Strafzumessung Relevanz (BGH, Urteil vom 16. November
2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 389). Die Zusage erschiene auch nicht
- mit der Folge eines straflosen Versuchs - für die Förderung des Entschlusses
zur Durchführung der Testfahrt von vornherein objektiv ungeeignet oder für de-
ren Gelingen nutzlos (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07,
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NJW 2008, 1460), denn grundsätzlich konnte der Abverkauf, wie das Landge-
richt zu Recht ausführt, den reibungslosen und unauffälligen Ablauf der Test-
fahrt erleichtern und den hierdurch entstehenden finanziellen Aufwand verrin-
gern.
Indes entbehrt die Annahme des Landgerichts, die Zusage des Ange-
klagten S. habe die Testfahrt objektiv gefördert, deshalb einer tragfähigen
Grundlage, weil sich die Feststellungen nicht dazu verhalten, inwieweit sie den
Entschluss des I. und der anderen Angeklagten zur Durchführung der Fahrt
tatsächlich (noch) beeinflusst hat. Schon zum Zeitpunkt der Zusage teilt das
Urteil lediglich mit, der Angeklagte habe sie "kurzfristig" erteilt; im Übrigen stellt
es fest, dass ein "check test" zur Gewinnung von Erkenntnissen über Zollkon-
trollen bereits bei dem Treffen in Griechenland im Oktober 2006 vereinbart
wurde.
4. Eine Abänderung des Schuldspruchs betreffend den Angeklagten A.
P. ist dem Senat verwehrt, denn es liegt nahe, dass dieser - tateinheit-
lich zur Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge - auch die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ver-
abredet oder sich hierzu bereiterklärt hat (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 30 Abs. 2
StGB). Das Landgericht hat dies nicht geprüft, obwohl es sich angesichts der
festgestellten Verabredung eines "check test" unter Beteiligung des Angeklag-
ten im Oktober 2006 hierzu hätte gedrängt sehen müssen. Allein daraus, dass
es "jedenfalls im Jahre 2006 nicht mehr" zu dem Kokaintransport kam, kann
auch nicht auf die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom Ver-
such der Beteiligung (§ 31 StGB) geschlossen werden.
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Eine - gegebenenfalls tateinheitlich zur Beihilfe zum Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzutretende - Verabredung der
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder ein sich Bereiter-
klären hierzu wird der neue Tatrichter aus denselben Gründen auch beim An-
geklagten S. zu prüfen haben. Insbesondere lassen es die bisherigen Fest-
stellungen offen, zu welchem Zweck er den Angeklagten A. P. zu der
Besprechung im Oktober 2006 begleitet hat.
Der Angeklagte S. P. ist durch die Verurteilung allein wegen Bei-
hilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dage-
gen nicht beschwert.
Die Sache bedarf daher im Fall II. 2. allein hinsichtlich der Angeklagten
A. P. und S. neuer Verhandlung und Entscheidung.
II. Verurteilung des Angeklagten S. im Falle II. 1. der Urteilsgründe
Der Ausspruch über die Einzelstrafe hat keinen Bestand.
Das Landgericht hat die Anwendung des vertypten Strafmilderungsgrun-
des des § 31 Nr. 1 BtMG (aF) nicht erörtert. Hierzu hätte es sich entgegen der
Auffassung des Generalbundesanwalts gedrängt sehen müssen, denn es stellt
fest, dass der Angeklagte S. ein umfassendes Geständnis abgelegt und
dabei auch ausführliche Angaben zu weiteren Beschuldigten gemacht hat (UA
S. 23).
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Entsprechendes gilt im Übrigen hinsichtlich der im Falle II. 2. der Urteils-
gründe gegen diesen Angeklagten und gegen den Angeklagten A. P.
ausgesprochenen Einzelstrafen (UA S. 24, 26).
III. Verurteilung des Angeklagten S. im Falle II. 3. der Urteilsgründe
Der Schuldspruch wegen - zum Führen tateinheitlich hinzutretenden -
Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
WaffenG) hat keinen Bestand.
1. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte bei seiner Festnahme
eine ungeladene Pistole des Typs Ceska, Kal. 9 mm, ein zugehöriges gefülltes
Magazin sowie 34 Stück passender Patronenmunition mit sich. Danach tritt die
Tatvariante des Besitzes hinter die des Führens zurück, denn das Führen ist
lediglich eine besondere Form der Ausübung tatsächlicher Gewalt. Einen Fall,
in dem der Besitz als Dauerstraftat über den Zeitraum des Führens hinausreicht
und deshalb einen eigenständigen Unrechtsgehalt aufweist (vgl. BGH, Be-
schluss vom 13. Januar 2009 - 3 StR 543/08; Beschluss vom 22. November
1984 - 1 StR 517/84, NStZ 1985, 221), hat das Landgericht nicht festgestellt.
Tateinheitlich zum Führen der Waffe ist der Angeklagte indes des Besitzes von
Munition schuldig (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b WaffG), denn dieser Tatbestand
tritt hinter § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG nicht zurück (vgl. BGH, Beschluss
vom 13. Januar 2009 - 3 StR 543/08; MünchKomm-StGB/Heinrich, § 52 WaffG
Rn. 64).
2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO
steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte bei zutreffender rechtlicher
Bewertung der Tat nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die
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wegen der Tat ausgesprochene Einzelstrafe hat gleichwohl Bestand, denn der
Senat schließt aus, dass das Landgericht die Strafe milder bemessen hätte,
wäre es nicht von einem zum Führen der Waffe tateinheitlich hinzutretenden
weiteren Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ausgegangen.
Becker von Lienen RiBGH Hubert befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker
Schäfer Mayer