Urteil des BGH vom 10.03.2016

Ausfuhr, Genehmigung, Beihilfe, Freier Mitarbeiter

ECLI:DE:BGH:2016:100316U3STR347.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 347/15
vom
10. März 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
Nebenbeteiligte:
a) R. gesellschaft mbH, vertreten durch die Geschäftsführer
b)
S.
GmbH,
vertreten
durch
den
Geschäftsführer
wegen gewerbsmäßiger Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck
ohne Genehmigung u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Januar 2016 in der Sitzung am 10. März 2016, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Tiemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Verteidigerin des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Vertreterin der Nebenbeteiligten R. gesellschaft mbH,
Justizobersekretärin - in der Verhandlung -,
Justizamtsinspektor - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 20. April 2015 mit den jeweils zu-
gehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit hinsichtlich der
Nebenbeteiligten R. gesellschaft mbH eine über
den Betrag von 355.618,38 € und hinsichtlich der Nebenbetei-
ligten S. GmbH eine über den
Betrag von 57.846,62 € hinausgehende Anordnung des Ver-
falls von Wertersatz unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die hierdurch entstandenen
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die gegen die Angeklagten gerichtete Revision der Staatsan-
waltschaft sowie die Revisionen der Angeklagten und der Ne-
benbeteiligten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verwor-
fen.
3. Die Angeklagten und die Nebenbeteiligten haben die Kosten ih-
rer Rechtsmittel zu tragen. Die Kosten der gegen die Angeklag-
ten gerichteten Revision der Staatsanwaltschaft und die den
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen
fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
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Gründe:
I. Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen gewerbsmäßiger
Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck ohne Genehmigung in
sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten
L. wegen jeweiliger Beihilfe hierzu zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung
beider Strafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es Verfall
von Wertersatz angeordnet: gegen den Angeklagten L. in
Höhe von 10.656,71
€, gegen die R. gesellschaft mbH (nachfol-
gend: R.
GmbH) in Höhe von 355.618,38 € und gegen die S.
GmbH (nachfolgend: S. GmbH) in Höhe von
57.846,62
€. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten,
der Nebenbeteiligten sowie der Staatsanwaltschaft, wobei letztere ihr jeweils
zuungunsten eingelegtes Rechtsmittel betreffend die Angeklagten auf den je-
weiligen Strafausspruch und betreffend die Nebenbeteiligten auf die Anordnung
des Verfalls von Wertersatz beschränkt hat.
II. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte K.
seit deren Gründung im Jahr 1985 alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter-
Geschäftsführer der R. GmbH; der Angeklagte L. ist bei
dieser seit 2000 als freier Mitarbeiter auf Provisionsbasis tätig. Zwischen der
R. GmbH und dem iranischen Unternehmen P. mit Sitz in Teheran
bestand eine langjährige Geschäftsbeziehung über die Lieferung von Rohstof-
fen für die Fertigung von Hochspannungsschaltanlagen einschließlich Schal-
tern. In der Vergangenheit - wie auch erneut seit Juli 2013 - erteilte das Bun-
desamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (nachfolgend: BAFA) stets erforder-
liche Genehmigungen für die Ausfuhr in den Iran bzw. erließ sogenannte Null-
bescheide. Erstmals mit Bescheid vom 22. Oktober 2008 konstituierte das
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BAFA hinsichtlich der geplanten Ausfuhr von Aluminium-Vierkantstangen durch
die R. GmbH an die P. eine Pflicht zur Genehmigung gemäß
Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 1334/2000 und verweigerte zugleich deren Erteilung (Fall
III. 2. a. der Urteilsgründe). Hintergrund der Neubewertung war der im Jahr
2007 aufgekommene Verdacht, dass P. in die Beschaffung japani-
scher Technologie für das iranische Nuklearprogramm involviert gewesen sei.
Entsprechende Entscheidungen ergingen am 20. Januar 2009 bezüglich der
Ausfuhr von Stahlblechen (Fall III. 2. b. der Urteilsgründe), am 3. Februar 2009
bezüglich der Ausfuhr von Kupferrohren (Fall III. 2. d. der Urteilsgründe) und
am 3. April 2009 bezüglich der Ausfuhr von Schmierstoffen und eines Rost-
schutzmittels, wobei hinsichtlich eines Teils der Schmierstoffe - 15 kg Molykote
FS 3451 - bereits mit Bescheid vom Vortag eine Genehmigungspflicht nach
Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1334/2000 festgestellt und diese Genehmigung versagt
worden war (Fall III. 2. f. der Urteilsgründe). Teilweise eingelegte Widersprüche
der R. GmbH wurden mit Bescheiden vom 29. Juni 2009 und vom
12. November 2009 zurückgewiesen, letzterer unter Bezugnahme auf Art. 3
Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 VO (EG) 428/2009 (nachfolgend einheitlich: Dual-Use-
VO).
In Kenntnis der ablehnenden Bescheide lieferten die Angeklagten unter
der gegenüber den beteiligten Zollämtern getätigten, wahrheitswidrigen Be-
hauptung, es bestehe keine Genehmigungspflicht, die bestellten Güter an P.
in den Iran. Auf diese Weise kam es zu der Ausfuhr von 8.240 kg Stahl-
blech am 18. Dezember 2009 (Fall III. 2. b. der Urteilsgründe), von 5.431,5 kg
Kupferrohren am 14. Januar 2010 (Fall III. 2. d. der Urteilsgründe), von
1.336 kg Schmierstoffen und des Rostschutzmittels am 9. März 2010 (Fall III.
2. f. der Urteilsgründe) sowie von 3.551 kg Aluminium-Vierkantstangen am
12. April 2010 (Fall III. 2. a. der Urteilsgründe).
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Dabei gaben die Angeklagten zur Verschleierung des tatsächlichen Vor-
gangs als Empfänger jeweils das Unternehmen Z. an, an dem die
P. beteiligt war. Bereits zuvor war der in einem Teil der Fälle (III. 2. a.,
b., f. der Urteilsgründe) unternommene Versuch, durch Gründung der S.
GmbH mit Sitz in B. die Ausfuhr über die Schweiz abzuwickeln, daran ge-
scheitert, dass das schweizerische Pendant zum BAFA, das Staatssekretariat
für Wirtschaft SECO, mit Bescheid vom 12. August 2009 die Erteilung von Aus-
fuhrgenehmigungen versagte, weshalb die weitere Geschäftsabwicklung von
der R. GmbH durchgeführt wurde. Schließlich gewannen die Angeklagten in
einem Fall (III. 2. f. der Urteilsgründe) einen ihrer Lieferanten, das Handelsun-
ternehmen H. , für sie die von P. begehrten Güter zu bestel-
len und nach ihren Vorgaben auszuführen. Dabei verschwiegen die Angeklag-
ten gegenüber den Verantwortlichen der H. die bestehende Genehmi-
gungspflicht.
Darüber hinaus führten die Angeklagten am 13. Juli 2009 6.176 kg
Stahlbleche (Fall III. 2. c. der Urteilsgründe), am 24. August und 14. Oktober
2010 insgesamt 10.740 kg Kupferrohre (Fall III. 2. e. der Urteilsgründe) sowie
am 18. März 2011 9.701 kg Stabstahl (Fall III. 2. g. der Urteilsgründe) an die
P. aus, ohne - bezüglich der Stahlbleche - die Verbescheidung eines
gestellten Antrags abzuwarten bzw. ohne - bezüglich der Kupferrohre und des
Stabstahls - einen Antrag auf Genehmigung beim BAFA zu stellen. Auch inso-
weit wurden zur Verschleierung des wahren Geschehens Scheinempfänger
angegeben.
In allen Fällen waren die ausgeführten Güter - wenn auch von unterge-
ordneter Bedeutung - mittelbar zum Einsatz in einem der in Art. 4 Abs. 1 Dual-
Use-VO genannten Bereiche geeignet. Tatsächlich wurden sie jedoch einer
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zivilen Verwendung zugeführt. Während der Angeklagte K. den direkten
persönlichen Kontakt zu den iranischen Kunden hielt und die Pflege der allge-
meinen Geschäftsbeziehungen wahrnahm, führte in enger Abstimmung mit ihm
der Angeklagte L. den Großteil des anfallenden Schriftver-
kehrs; insbesondere wurde er gegenüber dem BAFA jeweils als Ansprechpart-
ner bei der R. GmbH genannt. Beide Angeklagte handelten in der Absicht,
sich durch ihr Vorgehen eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem
Umfang zu verschaffen, sei es mit Blick auf das als Geschäftsführer von der
R. GmbH bezogene Gehalt (Angeklagter K. ), sei es mit Blick auf die
ihm im Erfolgsfalle zustehenden Provisionszahlungen (Angeklagter L.
). Die Ausfuhren wurden seitens der P. mit insgesamt
444.164,40 € vergütet, wobei 65.351,82 € auf das Konto der S. GmbH flos-
sen (Fall III. 2. f. der Urteilsgründe), der Rest (378.812,58 €) gelangte auf Kon-
ten der R. GmbH.
III. Die Strafkammer hat eine Strafbarkeit nach § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1,
Abs. 7 Nr. 2 AWG nF angenommen, weil es sich hierbei um das gegenüber
§ 33 Abs. 4 Satz 1, § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 2 AWG aF, § 70 Abs. 5a Satz
1 Nr. 1, Nr. 2 AWV aF mildere Recht handele (§ 2 Abs. 3 StGB). Die faktische
Durchführung der Ausfuhr durch die H. (Fall III. 2. f. der Urteilsgrün-
de), ändere nichts daran, dass es sich bei dem Angeklagten K. als ver-
antwortlich Handelndem der R. GmbH um den Ausführer im Sinne des
Außenwirtschaftsrechts gehandelt habe. Allein wegen des an die Ausführer-
eigenschaft anknüpfenden Sonderdeliktscharakters sei hinsichtlich des Ange-
klagten L. , der selbst gewerbsmäßig gehandelt habe, ledig-
lich eine Verurteilung wegen Beihilfe in Betracht gekommen, weshalb neben
der Strafrahmenverschiebung nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB kein
Raum für eine solche gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gewesen sei. Der
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hinsichtlich dieses Angeklagten angeordnete Verfall von Wertersatz in Höhe
von 10.656,71 € ergebe sich aus den von diesem vereinnahmten - soweit nicht
buchhalterisch belegt in Höhe von 2% des erzielten Erlöses geschätzten - Pro-
visionszahlungen abzüglich der hierauf entfallenden Steuerlasten. Auch hin-
sichtlich der Nebenbeteiligten habe die Kammer im Rahmen des ihr durch
§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB eröffneten Ermessens von den durch die Ausfuhr
erwirtschafteten Beträgen jeweils die bestandskräftig festgesetzte Steuer sowie
die - insoweit, falls erforderlich, mit 4% geschätzten - Provisionszahlungen an
den Angeklagten L. in Abzug gebracht.
IV. Revisionen der Angeklagten
Den Rechtsmitteln der Angeklagten bleibt ein Erfolg versagt.
1. Die von beiden Angeklagten wortgleich erhobene Beanstandung eines
Verstoßes gegen § 244 Abs. 3 StPO ist unbegründet. Sie hatten jeweils die
Vernehmung eines instruierten Vertreters des Bundesnachrichtendienstes zum
Beweis der Tatsache beantragt, dass die nachrichtendienstlichen Hinweise,
aufgrund derer P. eine negative Neubewertung durch das BAFA er-
fahren habe, auf einem in einem japanischen Zeitungsbericht geäußerten Ver-
dacht beruht hätten und sich dieser Verdacht nachträglich als falsch erwiesen
habe. Das Landgericht hat es als erwiesen erachtet, dass die nachrichten-
dienstlichen Erkenntnisse auch auf dem benannten Zeitungsbericht beruhten
und dem Begehren im Übrigen die Beweisantragsqualität abgesprochen.
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Der Senat muss weder entscheiden, ob letzteres zutreffend war, noch,
ob die Revisionsführer gehalten gewesen wären, bereits in der Hauptverhand-
lung darauf hinzuweisen, dass das Landgericht den gestellten Antrag mit einer
den Sinn des Beweisbegehrens verfehlenden Begründung abgelehnt habe (vgl.
jeweils LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 99, 371 mwN). Denn das Urteil
beruht nicht auf einer etwaigen fehlerhaften bzw. unzureichenden Zurückwei-
sung. Die unter Beweis gestellten Tatsachen waren aus Rechtsgründen für den
Schuldspruch offensichtlich ohne Bedeutung. Für die Strafbarkeit nach § 18
Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG nF bzw. § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG aF kommt es auf-
grund der Verwaltungsakzessorietät dieser Vorschriften auf die materielle
Rechtmäßigkeit der jeweiligen Verwaltungsakte des BAFA nicht an. Die be-
hauptete tatsächliche Genehmigungsfähigkeit der verfahrensgegenständlichen
Ausfuhren kann lediglich im Rahmen der Strafzumessung Bedeutung erlangen.
Dem hat das Landgericht indes schon dadurch hinreichend Rechnung getra-
gen, dass es ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt hat, dass die gelieferten
Güter einer zivilen Verwendung zugeführt wurden und dass die R. GmbH
bis zuletzt erhebliche Umsatzeinbußen erlitt, obwohl bereits seit Ende 2012
hinsichtlich einer möglichen Einbindung der P. in das iranische Nuk-
learprogramm nur noch von "nicht bestätigten Hinweisen" ausgegangen wurde
und Ausfuhren an diese wieder genehmigt bzw. Nullbescheide erlassen wur-
den.
2. Auch die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des
Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen das Bestehen
der vom Landgericht angenommenen Genehmigungspflichten nach Art. 3
Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO.
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Hinsichtlich der für eine Genehmigungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 Dual-
Use-VO erforderlichen Listung des auszuführenden Gutes in Anhang I der Ver-
ordnung hat das Landgericht - unter Bezugnahme auf den Bescheid des
BAFA - zwar lediglich mitgeteilt, dass der Schmierstoff Molykote FS 3451 unter
Position 1C006 des Anhangs I falle. Eine ausdrückliche Zuordnung unter die im
Einzelnen aufgeführten Eigenschaften der Stoffe hat es nicht vorgenommen.
Aufgrund der mitgeteilten konkreten Typenbezeichnung ist es dem Senat je-
doch anhand allgemein zugänglicher Quellen möglich nachzuvollziehen (vgl.
hierzu BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 57/11, NStZ 2011, 702), dass es
sich bei Molykote FS 3451 - wie von Position 1C006 b) 2. Anhang I Dual-Use-
VO vorausgesetzt - um ein Schmiermittel handelt, dessen Hauptbestandteil ein
fluoriertes, flüssiges Silikon mit einer kinematischen Viskosität kleiner als 5.000
mm²/s, gemessen bei 25° C ist.
Die Bescheide vom 22. Oktober 2008, 20. Januar 2009, 3. Februar 2009
und 3. April 2009 genügen den Anforderungen, die an die Unterrichtung des
Ausführers nach Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO zu stellen sind. Als belastende
Verwaltungsakte sind sie hinreichend konkret, bezeichnen insbesondere die
Umstände der Ausfuhr - Güter, Empfänger, potentieller Verwendungszweck -,
bezüglich derer die Genehmigungspflicht konstituiert werden soll (vgl. Pietsch in
Wolffgang/Simonsen/Rogmann, AWR-Kommentar, 21. Erg.-Lfg., Art. 4 Dual-
Use-VO Rn. 34 f.). Dabei folgt bereits aus dem Wesen der Unterrichtung, dass
diese nicht auf einen Einzelfall im Sinne eines konkreten Exportgeschäftes be-
schränkt ist, sondern sich auf eine bestimmte, näher bezeichnete Art von Ge-
schäften bezieht. Daher erfasste die durch die Bescheide vom 20. Januar 2009
für Stahl und vom 3. Februar 2009 für Kupferrohre begründete Genehmigungs-
pflicht alle zeitlich nachfolgenden Ausfuhren entsprechender Güter an die P.
.
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b) Die durch die Angeklagten bewirkte Ausfuhr ohne die danach erfor-
derlichen Genehmigungen erweist sich sowohl nach dem zur Tatzeit geltendem
Recht als auch nach der in Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des
Außenwirtschaftsrechts vom 6. Juni 2013 (BGBl. I, S. 1482) enthaltenen Neu-
fassung des Außenwirtschaftsgesetzes, die am 1. September 2013 in Kraft trat,
als strafbar. Zwischen den jeweils anzuwendenden Vorschriften besteht - auch
soweit es um die unterschiedlichen Dual-Use-Verordnungen als blankettausfül-
lende Normen geht - Unrechtskontinuität (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom
10. Juli 1975 - GSSt 1/75, BGHSt 26, 167, 172 ff.), da sowohl das Schutzgut
als auch die inkriminierte Angriffsrichtung unverändert geblieben sind (vgl.
S/S-Eser/Hecker, StGB, 29. Aufl., § 2 Rn. 22 ff. mwN).
Soweit nach früherem Recht - entgegen § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG
nF, der die genehmigungslose Ausfuhr an sich für strafbar erklärt - erst die Eig-
nung des Verstoßes zur erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen
der Bundesrepublik Deutschland eine Ordnungswidrigkeit nach § 33 Abs. 4
Satz 1 AWG aF, § 70 Abs. 5a Satz 1, Nr. 2 AWV aF zu einer Straftat gemäß
§ 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG aF hochstufte, hat das Landgericht diese Eignung und
den diesbezüglichen Vorsatz der Angeklagten bei Anwendung der zutreffenden
rechtlichen Maßstäbe (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2009 - AK 20/08,
BGHSt 53, 128, 134 ff.) unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Aus-
wärtigen Amtes sowie auf die sachverständigen Zeugenangaben eines dort
tätigen Beamten ebenfalls rechtsfehlerfrei festgestellt. Dass der gegen die P.
bestehende Verdacht im Jahr 2012 einer Neubewertung unterzogen und
die auf eine Einbindung in das iranische Nuklearprogramm hindeutenden Um-
stände als "nicht bestätigte Hinweise" bezeichnet wurden, ändert daran nichts:
Für die Frage der Eignung der Tat zur erheblichen Gefährdung der auswärtigen
Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland ist auf die Zeit der Tat (§ 8
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StGB) abzustellen; spätere Erkenntnisse bezüglich des Empfängers und der
konkreten Verwendung der gelieferten Güter durch diesen können nicht rück-
wirkend zu einer anderen Beurteilung führen.
Auch die Bejahung der Qualifikationstatbestände des § 34 Abs. 6 Nr. 2
Alternative 1 AWG aF bzw. des § 18 Abs. 7 Nr. 2 Alternative 1 AWG nF durch
das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Dabei steht der Annahme von Ge-
werbsmäßigkeit nicht entgegen, dass die von den Angeklagten erstrebten Vor-
teile ihnen nur mittelbar in Form des Gehalts oder der Provisionszahlungen zu-
fließen sollten (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 1998 - 1 StR 246/98, BGHR StGB
§ 261 Strafzumessung 2). Da im Moment der ersten Ausfuhr am 13. Juli 2009
das BAFA schon mehrfach Genehmigungen verweigert hatte, ist auch das er-
forderliche Dauerelement der Gewerbsmäßigkeit belegt.
c) Schließlich lässt der zur Bestimmung des milderen Rechts im Sinne
des § 2 Abs. 3 StGB gebotene Gesamtvergleich der konkreten Einzelfälle (vgl.
BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 - 3 StR 314/13, BGHSt 59, 271, 275 mwN) kei-
nen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen.
Fehl geht allerdings die Ansicht des Landgerichts, sowohl nach früherem
als auch nach neuem Recht komme hinsichtlich des Angeklagten L.
schon deshalb lediglich eine Verurteilung wegen Beihilfe (§ 27
Abs. 1 StGB) in Betracht, weil nur der Ausführer den jeweiligen Tatbestand er-
füllen könne, es sich mithin um Sonderdelikte handele. Tatsächlich folgt die
Gehilfenstellung dieses Angeklagten nur im Rahmen des § 70 Abs. 5a Satz 1
Nr. 2 AWV aF aus der Fassung dieser Vorschrift. Dieser Fehler beschwert den
Angeklagten indes nicht. Im Einzelnen:
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aa) Tatbestandlich war (§ 33 Abs. 4 Satz 1 AWG aF, § 70 Abs. 5a Satz 1
Nr. 1, 2 AWV aF) und ist (§ 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG nF) die genehmi-
gungslose Ausfuhr (siehe auch BGH, Urteil vom 20. August 1992 - 1 StR
229/92, NJW 1992, 3114). Dabei ist, weil die Genehmigungspflicht durch Art. 3
Abs. 1 bzw. Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO begründet wird, auch der in dieser Ver-
ordnung definierte Ausfuhrbegriff (Art. 2 Buchst. b) VO (EG) 1334/2000, Art. 2
Nr. 2 VO (EG) 428/2009) maßgeblich (vgl. Morweiser in Wolff-
gang/Simonsen/Rogmann aaO, 40. Erg.-Lfg., § 18 AWG Rn. 83). Allein des-
halb ist auch in den Fällen III. 2. d. und e. der Urteilsgründe der Tatbestand
erfüllt, weil der europarechtliche Ausfuhrbegriff - weiter als § 4 Abs. 2 Nr. 4
AWG aF bzw. § 2 Abs. 3 Nr. 1 AWG nF - jede Lieferung von Gütern aus der
Europäischen Union in ein Drittland und damit hier auch die unmittelbaren
Sendungen vom Lieferanten der R. GmbH aus Österreich in den Iran er-
fasst
(vgl.
Tervooren/Mrozek
in
Wolffgang/Simonsen/Rogmann
aaO,
33. Erg.-Lfg., Art. 2 Dual-Use-VO Rn. 22 mwN).
bb) Knüpfen demnach die Tatbestände an die Ausfuhr als Realakt an,
kann Täter grundsätzlich jedermann sein, der an dieser beteiligt ist. Die Ab-
grenzung von Täterschaft und Teilnahme bestimmt sich nach den allgemeinen
Regeln der §§ 25 ff. StGB (BGH, Urteil vom 20. August 1992 - 1 StR 229/92,
NJW 1992, 3114). Soweit das Landgericht für seine gegenteilige Ansicht auf
eine Entscheidung des Senats (Beschluss vom 23. April 2010 - AK 2/10, NJW
2010, 2370, 2371) verwiesen hat, hat es übersehen, dass sich diese auf die
anders gelagerte Konstellation des Art. 4 Abs. 4 Dual-Use-VO bezog.
cc) Der Begriff des Ausführers ist allerdings insoweit von Bedeutung, als
dieser im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO unterrichtet werden muss. Hier-
zu hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass es
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sich bei der R. GmbH auch im Fall III. 2. f. der Urteilsgründe, in dem das
zwischen ihr und P. abgeschlossene Geschäft nach Vorgaben der
Angeklagten durch die H. abgewickelt wurde, um den Ausführer im
Sinne des Art. 2 Buchst. c) VO (EG) 1334/2000, Art. 2 Nr. 3 VO (EG) 428/2009
handelte.
dd) Daraus folgt indes nicht, dass nur der Adressat der Unterrichtung
tatbestandlich handeln kann (ebenso Bieneck, Handbuch des Außenwirt-
schaftsrechts, 2. Aufl., § 29 Rn. 69; aA MüKoStGB/Wagner, 2. Aufl., § 18 AWG
Rn. 113). Dies ergab sich für den früheren Rechtszustand allein aus dem Wort-
laut des § 70 Abs. 5a Satz 1 Nr. 2 AWV aF, wonach derjenige ordnungswidrig
handelte, der ohne Genehmigung nach Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO Güter aus-
führte, obwohl er (!) von der zuständigen Behörde entsprechend unterrichtet
worden war. § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG nF enthält eine solche Verknüpfung
nicht mehr, so dass nach heutigem Recht jeder an der Ausfuhr Beteiligte als
Täter in Betracht kommt (Morweiser in Wolffgang/Simonsen/Rogmann aaO,
43. Erg.-Lfg., Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 29).
ee) Damit ergibt sich hinsichtlich des Angeklagten L.
für den im Rahmen des § 2 Abs. 3 StGB anzustellenden Gesamtvergleich Fol-
gendes:
(1) In den Fällen III. 2. a.-e. und g. der Urteilsgründe, in denen es jeweils
um Ausfuhren ohne Genehmigung nach Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO ging, er-
weist sich der Schuldspruch wegen Beihilfe zur Ausfuhr ohne Genehmigung als
zutreffend, wäre indes entgegen der Ansicht des Landgerichts aus dem frühe-
ren Recht herzuleiten gewesen, da der nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1
StGB gemilderte Strafrahmen des § 34 Abs. 6 AWG aF niedriger ist als der
Regelstrafrahmen des § 18 Abs. 7 AWG nF. Dass das Landgericht demgegen-
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über den noch milderen Strafrahmen aus § 18 Abs. 7 AWG nF, § 27 Abs. 2
Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB zur Anwendung gebracht hat, weil es - unzutreffend -
davon ausgegangen ist, es komme auch nach neuem Recht nur eine Verurtei-
lung wegen Beihilfe in Betracht, beschwert den Angeklagten nicht.
(2) Im Fall III. 2. f. der Urteilsgründe, dem auch die Ausfuhr von Gütern
ohne Genehmigung nach Art. 3 Abs. 1 Dual-Use-VO zugrunde lag, ist zwar die
Anwendung des § 18 Abs. 7 AWG nF im Ergebnis richtig; allerdings erweist
sich der Schuldspruch als unzutreffend, weil sowohl nach früherem als auch
nach heutigem Recht der Angeklagte L. insoweit täter-
schaftlich handelte. Eine Schuldspruchänderung durch den Senat (§ 354 Abs. 1
StPO analog) kam indes nicht in Betracht. Da bereits die Anklage dem Ange-
klagten nur Beihilfe zur Last gelegt hat, stünde dem § 265 Abs. 1 StPO entge-
gen. Auch in diesem Fall beschwert die Anwendung des gemilderten Strafrah-
mens den Angeklagten nicht.
V. Revision der Staatsanwaltschaft
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte, wirksam
beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat nur hinsichtlich der zulasten
der Nebenbeteiligten ergangenen Wertersatzverfallsentscheidungen Erfolg.
1. Als unbegründet erweist sich das - insoweit vom Generalbundesan-
walt nicht vertretene - zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Rechtsmittel,
das die Strafzumessung durch das Landgericht angreift. Das Urteil enthält we-
der bei der Festsetzung der Einzelstrafen noch bei der Bildung der Gesamtstra-
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fen durchgreifende Rechtsfehler zum Vorteil oder zum Nachteil (§ 301 StPO)
der Angeklagten.
a) Die Strafrahmenwahl begünstigt den Angeklagten L.
zwar - wie dargelegt - im Ergebnis zu Unrecht; dies führt in der ge-
gebenen Verfahrenskonstellation gleichwohl nicht zu einem beachtlichen
Rechtsfehler zu seinen Gunsten. Hierzu gilt:
Durch die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch wird
das Revisionsgericht nicht nur an die tatsächlichen Feststellungen zur Schuld-
frage, sondern auch an die sie betreffende rechtliche Würdigung im angefoch-
tenen Urteil gebunden (BayObLG, Urteil vom 16. Dezember 1953 - RR 1 St
615/53, NJW 1954, 611).
aa) Dieser Grundsatz führt vorliegend dazu, dass der Senat für die
Überprüfung der Rechtsfehlerhaftigkeit des Strafausspruchs in Fall III. 2. f. der
Urteilsgründe von der Einstufung des Handelns dieses Angeklagten als Gehil-
fentätigkeit auszugehen hat, obwohl es - unabhängig von der Frage des an-
wendbaren Rechts - zutreffend als täterschaftliches Handeln hätte beurteilt
werden müssen (vgl. III. 2. c) ee) (2)). Von dieser mithin bindenden Beurteilung
ausgehend erweist sich die Anwendung des gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49
Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 18 Abs. 7 AWG als folgerichtig.
bb) Für die übrigen Fälle, in denen der Schuldspruch sich nur im Ergeb-
nis als zutreffend erweist (vgl. III. 2. c) ee) (1)) gilt letztlich nichts anderes. Das
ergibt sich aus Folgendem:
Anders als in den Fällen einer Rechtsänderung nach Erlass des ange-
fochtenen Urteils (vgl. § 354a StPO; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964
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- 3 StR 35/64, BGHSt 20, 116, 117 ff.) musste vorliegend nicht erst der Senat
als Revisionsgericht, sondern bereits die Strafkammer die von § 2 Abs. 3 StGB
veranlasste Vergleichsbetrachtung vornehmen. Die dabei von ihr für die An-
wendung neuen Rechts gegebene - unzutreffende - Begründung ist Teil der
rechtlichen Würdigung; sie nimmt deshalb an der Bindungswirkung teil.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es bei der Anwendung
des Meistbegünstigungsprinzips des § 2 Abs. 3 StGB allein um die Bestrafung
des Täters gehe. Schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist als
Ergebnis der gebotenen Vergleichsbetrachtung das "mildeste Gesetz", nicht
aber lediglich der mildeste Strafrahmen anzuwenden oder aber die mildeste
Strafe zu verhängen. Wenn auch die danach zu treffende Entscheidung sich in
aller Regel an den konkret anzuwendenden Strafrahmen orientieren wird, so
kann sich die Anwendung des mildesten Gesetzes gleichwohl auf den Schuld-
spruch auswirken, was nicht zuletzt der vorliegende Fall zeigt: Wären die Taten
nach dem aktuell geltenden Recht zu beurteilen, wäre entgegen der unzutref-
fenden Rechtsauffassung des Landgerichts für die Annahme von Beihilfe kein
Raum, der Angeklagte wäre vielmehr mangels Vorliegens eines Sonderdelikts
als Täter nach § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 AWG nF zu verurteilen (vgl. III.
2. c) dd)). Nur weil das zur Tatzeit geltende alte Recht in § 70 Abs. 5a Satz 1
Nr. 2 AWV aF verlangte, dass gerade der Täter der ungenehmigten Ausfuhr
zuvor entsprechend Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO unterrichtet worden war, kommt
überhaupt in Betracht, den Angeklagten L. lediglich wegen
Beihilfe schuldig zu sprechen. Weil der dabei anzuwendende - nach § 27
Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderte - Strafrahmen nach altem Recht
sich zudem als milder erweist als der Regelstrafrahmen nach neuem Recht,
führt die Anwendung des mildesten Gesetzes im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB im
Ergebnis zu einem anderen - milderen - Schuldspruch. Dieser und die ihm zu-
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grunde liegenden rechtlichen Überlegungen der Strafkammer sind indes infolge
der Revisionsbeschränkung einer Überprüfung durch den Senat entzogen.
cc) Die - aufgezeigten - Fehler bei der Subsumtion berühren ihrerseits
die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung nicht (allgemein KK-Gericke,
StPO, 7. Aufl., § 352 Rn. 6 mwN). Zwar ist anerkannt, dass die hierdurch be-
wirkte Teilrechtskraft das Revisionsgericht nicht von der Nachprüfung befreit,
ob das festgestellte Verhalten des Angeklagten überhaupt strafbar (vgl. BGH,
Urteil vom 22. Februar 1996 - 1 StR 721/94, NStZ 1996, 352) und ob die Verur-
teilung aufgrund eines gültigen Gesetzes ergangen ist (BGH, Beschluss vom
13. Dezember 1977 - 5 StR 728/77, MDR 1978, 282). Eine solche Ausnahme-
konstellation ist - wie dargelegt - jedoch nicht gegeben. Weitergehenden Ein-
schränkungen dieses Grundsatzes, die im Rahmen des § 318 StPO vorge-
nommen werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 22. Januar 1999 - Ss 616/98,
NStZ-RR 2000, 49 zur Verurteilung wegen Computerbetruges statt Unterschla-
gung), folgt der Senat jedenfalls für die Beschränkung der Revision nicht. Denn
anders als das Berufungsgericht, das durch die Bindung an einen fehlerhaften
Schuldspruch gegebenenfalls gezwungen wäre, sehenden Auges einen der
materiellen Rechtslage widersprechenden Strafrahmen zur Anwendung zu
bringen (vgl. hierzu OLG Saarbrücken, Beschluss vom 2. Juli 1996 - Ss 126/94,
NStZ 1997, 149), ist das Revisionsgericht nicht zu einer eigenständigen Straf-
zumessungsentscheidung berufen.
b) Auch hinsichtlich der konkreten Strafzumessung zeigt die Revision
keinen Rechtsfehler auf. Die Strafbemessung ist grundsätzlich Sache des
Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers
eingreifen darf. Ein solcher kann gegeben sein, wenn die Begründung für die
verhängte Strafe dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlich-rechtliche
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Nachprüfung nicht ermöglicht, die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft
sind oder die Strafe sich von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu
sein, nach oben oder unten löst. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Ge-
richt die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter
sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der aus-
drücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörte-
rung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich ver-
pflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Um-
stände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung
aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich.
Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berück-
sichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden
(st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. April 2015 - 3 StR 638/14, NStZ-RR
2015, 240). Entsprechendes gilt für den gesonderten Strafzumessungsvorgang
der Gesamtstrafenbestimmung nach § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB, wobei sich je-
doch eine völlige Trennung der für die Einzel- und Gesamtstrafenbildung
maßgeblichen Gesichtspunkte nicht durchführen lässt (BGH, Urteil vom
30. November 1971 - 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 ff.).
Gemessen hieran sind die Strafzumessungserwägungen des Landge-
richts nicht zu beanstanden. Ausgehend von den nicht angefochtenen
Schuldsprüchen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG nF, beim Angeklagten
L. in Verbindung mit § 27 Abs. 1 StGB, hat die Strafkammer
die zutreffenden Strafrahmen zugrunde gelegt. Im Rahmen der konkreten
Strafzumessung hat sie bei der Festsetzung der Einzelstrafen ausdrücklich die
hohe kriminelle Energie, die in der auf Verschleierung angelegten Ausführung
der Taten zum Ausdruck kam, zulasten der Angeklagten in die Abwägung ein-
gestellt. Bei der Festsetzung der Gesamtstrafe hat das Landgericht schließlich
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mit dem Hinweis einerseits auf die Parallelität der Ausfuhrgeschäfte im Rah-
men einer laufenden Geschäftsbeziehung sowie andererseits auf die erhebli-
chen Mengen verschiedener Güter die erforderliche zusammenfassende Wür-
digung der Einzeltaten nicht nur floskelhaft vorgenommen. Die Angriffe der Re-
vision erschöpfen sich insgesamt in dem untauglichen Versuch, ihre eigene
Bewertung und Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen.
2. Keinen Bestand haben können indes die bezüglich der Nebenbeteilig-
ten getroffenen Wertersatzverfallsentscheidungen. Insoweit gilt:
a) Zunächst hat das Landgericht zutreffend - was von der Revision auch
nicht in Abrede gestellt wird - in den gesamten, auf Konten der R. GmbH
(378.812,58
€) sowie der S. GmbH (65.351,82 €) eingegangenen Verkaufs-
erlösen das im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2, Abs. 3 StGB aus der
Tat Erlangte erkannt. Denn da die für die verfahrensgegenständlichen Ausfuh-
ren erforderlichen Genehmigungen nicht erteilt wurden (Fälle III. 2. a., b., d., f.
der Urteilsgründe) bzw. im Falle der Antragstellung nicht erteilt worden wären
(Fälle III. 2. c., e., g. der Urteilsgründe), erschöpft sich die Sanktionierung nicht
in der Umgehung der Kontrollbefugnisse der Genehmigungsbehörde; vielmehr
ist die Abwicklung des Geschäfts als solche strafbewehrt (vgl. BGH, Urteil vom
19. Januar 2012 - 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 83 ff.).
b) Als rechtsfehlerhaft erweist sich die Verfallsentscheidung betreffend
die S. GmbH aber, soweit die Strafkammer hinsichtlich der von dieser Ge-
sellschaft an den Angeklagten L. ausgekehrten Provisions-
zahlungen von einem Wegfall der Bereicherung ausgegangen ist.
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Nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB kann das Gericht von der
nach § 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 73a Satz 1 StGB zwingenden Anordnung
des Verfalls von Wertersatz nur absehen, wenn der Wert des Erlangten zur Zeit
der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist.
Dementsprechend ist nach ständiger Rechtsprechung eine Ermessensent-
scheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB grundsätzlich nicht eröffnet, wenn
der Verfallsschuldner über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem
verfallbaren Betrag zurückbleibt, unabhängig davon, ob die vorhandenen Ver-
mögenswerte einen Bezug zu den Straftaten aufweisen (BGH, Urteil vom
5. April 2000 - 2 StR 500/99, BGHR StGB § 73c Wert 2). In diesem Sinne war
für die Ermessensentscheidung des Landgerichts kein Raum, denn nach den
getroffenen Feststellungen verfügte die S. GmbH zum Urteilszeitpunkt
schon deshalb über Vermögen in Höhe des von ihr Erlangten, weil sie zur Ab-
wehr von Pfändungen aufgrund dinglicher Arrestbeschlüsse jeweils entspre-
chende Beträge hinterlegt hatte.
Der dargestellte Grundsatz gilt zwar nicht uneingeschränkt: So ist ein
Absehen von der Anordnung des Wertersatzverfalls nicht ausgeschlossen,
wenn zweifelsfrei feststeht, dass das vorhandene Vermögen ohne jeden denk-
baren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben wurde (BGH,
Urteil vom 10. Oktober 2002 - 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 42 f.), was insbe-
sondere dann in Betracht kommen soll, wenn Teile der durch die Tat verein-
nahmten Gelder an einen anderen weitergeleitet werden (BGH, Urteil vom
27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, NJW 2012, 92). Eine solche Fallkonstellation
ist hier mit Blick auf die S. GmbH indes schon deshalb nicht gegeben, weil
diese nach den Feststellungen des Landgerichts nur gegründet wurde, um die
Güter an den deutschen Ausfuhrbehörden vorbei über die Schweiz ausführen
zu können; es kann mithin keine Rede davon sein, dass die bei der S.
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GmbH vorhandenen Vermögenswerte in keinem Zusammenhang zu den be-
gangenen Straftaten stehen.
c) Auch der Ausspruch über die Anordnung des Verfalls betreffend die
R. GmbH weist Rechtsfehler zu deren Gunsten auf. Dies gilt jedenfalls mit
Blick auf die steuerliche Behandlung des von dieser Erlangten. Hierzu gilt:
Eine Doppelbelastung durch Abschöpfung des Bruttobetrages einerseits
und dessen Besteuerung andererseits ist zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 4/87, BVerfGE 81, 228, 241 f.). Dies geschieht
regelmäßig dadurch, dass der abgeschöpfte Betrag im Besteuerungsverfahren
gewinnmindernd geltend gemacht wird; das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG
gilt mangels Strafcharakters der Verfallsanordnung nicht (vgl. BGH, Urteil vom
21. März 2002 - 5 StR 138/01, NJW 2002, 2257, 2258 f.). Die Berücksichtigung
einer nur voraussichtlichen Besteuerung im Strafverfahren hat zu unterbleiben
(BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 - 3 StR 131/01, BGHR StGB § 73c Härte 7). Ist
jedoch das Besteuerungsverfahren abgeschlossen, darf der Betroffene nicht
auf die eventuell gegebene Möglichkeit der Änderung des Steuerbescheids
nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO verwiesen werden; vielmehr ist die bestandskräftig
festgesetzte Steuerschuld mindernd zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom
21. März 2002 - 5 StR 138/01, NJW 2002, 2257, 2258 f.; Beschluss vom
18. Februar 2004 - 1 StR 296/03, NStZ-RR 2004, 214, 215; siehe auch BGH,
Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 3 StR 167/13, juris Rn. 43; Lack-
ner/Kühl/Heger, StGB, 28. Aufl., § 73c Rn. 2).
Diese Grundsätze hat das Landgericht zwar im Ansatz nicht verkannt. Es
hat indes zum Vorteil der Nebenbeteiligten nicht nur die steuerliche Belastung
in Abzug gebracht, die auf dem eigentlich dem Verfall unterliegenden Betrag
ruht, sondern ausdrücklich auf die Jahressteuerendbeträge für die Jahre 2009
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bis 2011 insgesamt abgestellt, obwohl es ausdrücklich festgehalten hat, dass
"die in den verfahrensgegenständlichen Jahren bei der R. erzielten Um-
satzerlöse den inkriminierten Betrag von 378.812,58 Euro um ein Mehrfaches
überstiegen haben". Danach liegt es trotz der in diesem Zusammenhang unge-
nauen Begrifflichkeit der "Umsatzerlöse" nahe, dass auch allein aufgrund der
nicht strafbewehrten Geschäfte Steuern angefallen wären. Dann aber hätte
nicht der gesamte Betrag i
n Höhe von 8.041,70 € in Abzug gebracht werden
dürfen (zu einer möglichen Anteilsberechnung LG Hamburg, Urteil vom 8. Juni
2011 - 618 KLs 2/11, juris Rn. 202 ff.).
d) Die Sache bedarf deshalb hinsichtlich der Anordnung des Verfalls von
Wertersatz betreffend beide Nebenbeteiligte neuer Verhandlung und Entschei-
dung. Bezüglich der R. GmbH wird das neue Tatgericht auch zu prüfen ha-
ben, ob - entsprechend den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil - davon
ausgegangen werden kann, dass diese Gesellschaft durch die Leistung der
Provisionszahlungen an den Angeklagten L. tatsächlich ent-
reichert ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, NJW 2012,
92), oder ob insoweit nicht eine Fallkonstellation vorliegt, in der gegenüber dem
Empfänger von aus der Tat erlangten Geldbeträgen, der sie ganz oder teilweise
an andere Tatbeteiligte weiterleitet, der Verfall von Wertersatz in voller Höhe
angeordnet werden kann, weil und soweit er und die anderen Beteiligten als
Gesamtschuldner haften (vgl. dazu etwa BGH, Beschlüsse vom 10. September
2002 - 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199; vom 10. Januar 2008 - 5 StR
365/07, NStZ 2008, 565, 566, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 127/03, NStZ
2004, 440).
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VI. Revisionen der Nebenbeteiligten
Die jeweils auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen der Ne-
benbeteiligten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Becker Schäfer Gericke
Spaniol Tiemann
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