Urteil des BGH vom 13.10.2011

Raub, Brandstiftung, Vollstreckung, Weisung, Waffengesetz

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 324/11
vom
13. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Oktober 2011 ge-
mäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Hannover vom 19. Mai 2011
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit
Todesfolge, mit besonders schwerem Raub und mit gefährli-
cher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehöri-
gen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwen-
digen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- 3 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tat-
einheit mit besonders schwerem Raub, mit versuchtem besonders schwerem
Raub mit Todesfolge und mit gefährlicher Körperverletzung zur Jugendstrafe
von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der
Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat
zum Schuldspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesan-
walts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesonde-
re erweist sich die tateinheitliche Verurteilung auch wegen besonders schweren
Raubes als rechtsfehlerfrei (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2001 - 3 StR
46/01, NJW 2001, 2187 ohne weitere Begründung; BGH, Beschluss vom
31. August 2004 - 1 StR 347/04, StV 2005, 88 zur Tateinheit bei schwerer
Brandstiftung und versuchter Brandstiftung mit Todesfolge; vgl. auch
LK/Rissing-van Saan, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 113), weil bei der Annahme von
Gesetzeskonkurrenz zwischen versuchtem Raub mit Todesfolge (§§ 251, 22,
23 Abs. 1 StGB) und besonders schwerem Raub (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt.
StGB) nicht zum Ausdruck käme, dass der besonders schwere Raub vollendet
war. Die Urteilsformel war jedoch dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte
anstatt des "versuchten besonders schweren Raubes mit Todesfolge" entspre-
chend der gesetzlichen Überschrift des § 251 StGB des "versuchten Raubes
mit Todesfolge" schuldig ist. Einer weiteren Kennzeichnung der Verwirklichung
der Qualifikation des § 250 Abs. 2 StGB im Schuldspruch bedarf es aufgrund
der tateinheitlichen Verurteilung wegen besonders schweren Raubes nicht.
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Hierzu hat der Gene-
ralbundesanwalt ausgeführt:
1
2
3
- 4 -
"Der Strafausspruch kann deshalb keinen Bestand haben, weil das
Landgericht von der Prüfung der Einbeziehung einer Vorverurteilung
des Angeklagten abgesehen hat. Nach den Feststellungen hat das
Amtsgericht - Jugendrichter - in Nienburg den Angeklagten am
22. Oktober 2010 (gemeint ist: 22. Februar 2010, siehe Bl. 195 ff. III
d.A.) wegen 'Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Verstoß gegen
das Waffengesetz' verwarnt, ihm die Erbringung von Arbeitsleistungen
auferlegt sowie 'eine weitere richterliche Weisung erteilt' (UA S. 4).
Wegen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen wurde gegen den Ange-
klagten - so die Jugendkammer (UA aaO) - eine Woche 'Beugearrest'
verhängt, welcher erledigt sei. Weitere Einzelheiten zu dem der Ent-
scheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, den dortigen Strafzumes-
sungserwägungen sowie zum Vollstreckungsstand der - nicht näher
konkretisierten - jugendrechtlichen Sanktionen teilt das Landgericht
hingegen nicht mit, weshalb das Revisionsgericht nicht in der Lage
sein wird zu prüfen, ob die Entscheidung im vorliegenden Verfahren
nach §§ 105 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 2 Satz 1 JGG einzubeziehen gewe-
sen wäre. Auch ist den Urteilgründen nicht zu entnehmen, ob sich das
Gericht der Möglichkeit einer einheitlichen Rechtsfolgenverhängung
oder des Absehens von einer Einbeziehung der Entscheidung gemäß
§§ 105 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 3 Satz 1 JGG überhaupt gewe-
sen ist (dazu BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 3 StR 177/09,
Rdnr. 2 und Eisenberg JGG 14. Aufl. § 31 Rdnr. 66 mwN). Die Voll-
streckung des 'Beugearrestes' steht einer Einbeziehung grundsätzlich
ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die verfahrensgegen-
ständliche Tat zeitlich nach der Verurteilung durch das Amtsgericht
Nienburg begangen worden ist (vgl. Eisenberg aaO Rdnr. 13 mwN).
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Angeklagte durch die
Nichteinbeziehung der dort verhängten Rechtsfolgen beschwert wird,
ist das Urteil im Strafausspruch aufzuheben und nach § 354 Abs. 2
Satz 1 StPO an eine andere Strafkammer des Landgerichts zu neuer
Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Eine eigene Ent-
scheidung durch den Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO kommt hier
nicht in Betracht, weil es - anders als etwa im Fall des Beschlusses
des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 2009 (3 StR 177/09) - insbeson-
dere an den zu einer Prüfung der Einbeziehungsfähigkeit notwendigen
Angaben zum Stand der Vollstreckung der jugendgerichtlichen Maß-
nahmen fehlt. Der neue Tatrichter wird insoweit die erforderlichen er-
gänzenden Feststellungen zu treffen haben; die bisherigen Feststel-
lungen zum Rechtsfolgenausspruch sind von dem Rechtsfehler nicht
betroffen und können daher aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2
StPO)."
- 5 -
Dem schließt sich der Senat an.
Becker von Lienen Schäfer
Mayer Menges
4