Urteil des BGH vom 26.11.2015

Darlehen, Kreditnehmer, Minderwert, Vertragsschluss

ECLI:DE:BGH:2015:261115U3STR247.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 247/15
vom
26. November 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Betruges u.a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
12. November 2015 in der Sitzung am 26. November 2015, an denen teilge-
nommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Verteidigerin des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Justizobersekretärin - in der Verhandlung -
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
Justizamtsinspektor - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Wuppertal vom 12. Dezember 2014 mit den
jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den gesamten Strafaussprüchen;
b) in den Aussprüchen über das Absehen von der Verfalls-
anordnung gemäß § 111i Abs. 2 StPO.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten K. unter Freisprechung im Üb-
rigen wegen Betruges in 27 Fällen und wegen versuchten Betruges in 13 Fäl-
len, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, den Angeklagten A. wegen
Betruges in 17 Fällen und wegen versuchten Betruges in zehn Fällen, jeweils in
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Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jah-
ren und drei Monaten, den Angeklagten Al. wegen Betruges in elf Fällen
und wegen versuchten Betruges in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkun-
denfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie den Ange-
klagten Ak. wegen Betruges in 14 Fällen und wegen versuchten Betruges in
sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, ebenfalls zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass
gegen die Angeklagten wegen Geldbeträgen in unterschiedlicher Höhe nur
deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt werde, weil Ansprüche der
Verletzten entgegenstünden. Dagegen wenden sich die jeweils auf die Rüge
der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten; die
Beschwerdeführer Al. und Ak. - letzterer ohne nähere Ausführungen -
beanstanden zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Ent-
scheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen sind sie unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts traten die Angeklagten an
nicht kreditwürdige Personen heran, um diesen gegen hohe Provisionen und
unter Täuschung der die Darlehen ausreichenden Banken gleichwohl Raten-
kredite zu vermitteln. In insgesamt 42 Fällen stellten die Angeklagten für die
potentiellen Kreditnehmer arbeitsteilig und in wechselnder Beteiligung unter
Vorlage gefälschter Verdienstbescheinigungen und anderer Urkunden bei ver-
schiedenen Banken Anträge auf Abschluss von Darlehensverträgen mit Beträ-
gen zwischen 5.000 € und 20.000 €. In 14 der 42 Fälle traten bei der Prüfung
der eingereichten Unterlagen durch Bankmitarbeiter Unstimmigkeiten auf, so
dass es nicht zum Vertragsschluss und in der Folge auch nicht zur Auszahlung
der Darlehensvaluta kam; in den übrigen Fällen wurden die Kreditanträge an-
genommen und die Darlehensbeträge ausgekehrt. Die Angeklagten veranlass-
ten daraufhin die Kreditnehmer in diesen Fällen, die Beträge in bar abzuheben
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und ließen sich die vereinbarte Provision - in der Regel mindestens 5 % pro
beteiligtem Angeklagten - auszahlen. Dabei handelten sie in der Absicht, sich
durch die fortgesetzte Begehung solcher Taten eine dauernde Einnahmequelle
von einigem Umfang zu schaffen bzw. zu erhalten. Die Strafkammer hat nicht
zweifelsfrei aufklären können, ob die jeweiligen Kreditnehmer hinsichtlich der
betrügerischen Erlangung der Darlehen gut- oder bösgläubig waren.
Die Banken hätten die - überwiegend schon nach kurzer Zeit notleidend
gewordenen - Verträge nicht geschlossen und die Darlehen nicht gewährt,
wenn sie über die tatsächlichen Einkommens- und sonstigen Verhältnisse der
Kreditnehmer zutreffend informiert worden wären. Den erlittenen Vermögens-
schaden hat das Landgericht nach Vernehmung von Bankmitarbeitern zu den
jeweiligen bankinternen Bewertungsmaßstäben mit 75 % der ausgezahlten Dar-
lehenssumme beziffert, denn jedenfalls in dieser Höhe sei der erlangte Rück-
zahlungsanspruch aufgrund der nicht vorhandenen Bonität der Kreditnehmer
weniger wert als ein solcher, bei dem die angegebenen Einkommensverhältnis-
se tatsächlich zugetroffen hätten.
2. Den von den Angeklagten Al. und Ak. erhobenen Verfah-
rensrügen bleibt aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts
genannten Gründen der Erfolg versagt.
3. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Überprüfung des Ur-
teils hat zu den jeweiligen Schuldsprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil
der Angeklagten ergeben. Die Strafaussprüche haben hingegen keinen Be-
stand.
a) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, ist in jedem
Einzelfall die Absicht der Angeklagten, sich in stoffgleicher Weise rechtswidrig
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zu bereichern, durch die Urteilsgründe belegt. Auch die konkurrenzrechtliche
Beurteilung der Taten insbesondere mit Blick auf die Urkundsdelikte begegnet
aus den Gründen der Antragsschriften keinen durchgreifenden Bedenken.
b) Die durch die Strafkammer vorgenommene Bestimmung des Vermö-
gensschadens, den die Banken durch die Hingabe der Darlehen erlitten bzw. in
den Fällen, in denen es beim Versuch blieb, nach dem Tatplan der Angeklag-
ten erlitten hätten, erweist sich hingegen nicht durchweg als rechtsfehlerfrei. Im
Einzelnen:
aa) Vermögensschaden beim Betrug ist die Vermögensminderung infol-
ge der Täuschung, also der Unterschied zwischen dem Wert des Vermögens
vor und nach der täuschungsbedingten Vermögensverfügung. Die Grundsätze,
die beim Betrug durch Abschluss eines Vertrags gelten, nach denen für den
Vermögensvergleich maßgeblich auf den jeweiligen Wert der beiderseitigen
Vertragsverpflichtungen abzustellen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom
18. Juli 1961 - 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; Urteil vom 20. Februar 1968
- 5 StR 694/67, BGHSt 22, 88, 89; Beschlüsse vom 18. Februar 1999 - 5 StR
193/98, BGHSt 45, 1, 4; vom 13. November 2007 - 3 StR 462/07, NStZ 2008,
96, 98; jeweils mwN), sind bei Kreditverträgen mit der Maßgabe zu berücksich-
tigen, dass durch die Ausreichung des Darlehens auf Seiten der Bank bereits
ein Vermögensabfluss in Höhe des Kreditbetrages eintritt. Ob und in welchem
Umfang dadurch ein Vermögensschaden entsteht, ist durch einen Vergleich
dieses Betrages mit dem Wert des Rückzahlungsanspruchs des Darlehens-
gläubigers zu ermitteln. Dieser wird - bei grundsätzlich gegebener Zahlungswil-
ligkeit des Schuldners - maßgeblich durch dessen Bonität und den Wert gege-
benenfalls gestellter Sicherheiten bestimmt. Ein etwaiger Minderwert des Rück-
zahlungsanspruchs ist nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (st.
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Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 2 StR 422/12, NStZ
2013, 711, 712; vom 20. Mai 2014 - 4 StR 143/14, wistra 2014, 349, 350; je-
weils mwN) und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(Beschlüsse vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/09 u.a., BVerfGE 126, 170, 229;
vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47 f.) konkret
festzustellen und zu beziffern. Dabei können bankübliche Bewertungsansätze
für die Wertberichtigung Anwendung finden (BGH, Beschlüsse vom 13. April
2012 - 5 StR 442/11, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 76 mwN;
vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458). Sofern eine ge-
naue wertmäßige Bezifferung des dem Getäuschten zustehenden Gegenan-
spruchs nicht möglich ist, sind Mindestfeststellungen zu treffen, um den täu-
schungsbedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen
Schaden unter Beachtung des Zweifelssatzes zu schätzen; normative Ge-
sichtspunkte können bei der Bewertung von Schäden berücksichtigt werden,
sofern sie die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht überlagern
oder verdrängen (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09
u.a., BVerfGE 130, 1, 48).
Auf der Grundlage dieser allgemeinen Grundsätze ist weiter in den Blick
zu nehmen, dass es sich bei der Darlehensgewährung stets um ein Risikoge-
schäft handelt (MüKoStGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263 Rn. 631 mwN); das (Kre-
dit-)Risiko bedarf selbständiger wirtschaftlicher Bewertung (LK/Tiedemann,
StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 212). Der betrugsbedingte Vermögensschaden ist
deshalb durch die Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts
zu ermitteln, für dessen Berechnung maßgeblich ist, ob und in welchem Um-
fang die das Darlehen ausreichende Bank ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es
bestanden hätte, wenn die risikobestimmenden Faktoren vom Täter zutreffend
angegeben worden wären (BGH, Beschlüsse vom 13. April 2012 - 5 StR
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442/11, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 76 mwN; vom
4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457).
bb) Nach diesen Maßgaben sind allerdings die Schuldsprüche wegen
Betruges revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit gilt:
In Fällen, in denen aufgrund der Gesamtheit der getroffenen Feststellun-
gen evident ist, dass dem Geschädigten schon im Zeitpunkt des Vertrags-
schlusses ein bezifferbarer Mindestschaden entstanden war, vermögen etwaige
Mängel der Schadensbezifferung allein den Rechtsfolgenausspruch zu berüh-
ren (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457
mit krit. Anm. Becker, NStZ 2014, 458; vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss
vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47, wonach ein
Schuldspruch wegen Betruges lediglich erfordert, dass eine den verfassungs-
rechtlichen Anforderungen genügende Bezifferung des Schadens sicher mög-
lich ist; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 2 StR 422/12,
NStZ 2013, 711, 712 f.; vom 20. Mai 2014 - 4 StR 143/14, wistra 2014, 349,
350; vom 2. September 2015 - 5 StR 314/15, juris Rn. 24). So verhält es sich
hier: In allen ausgeurteilten Fällen wurden die Vermögensverhältnisse der Kre-
ditnehmer in einem Maße positiver dargestellt, als sie tatsächlich waren, dass
sich das die Banken treffende Risiko, die ausgereichten Darlehen nicht zurück-
gezahlt zu bekommen, gegenüber der Situation, in der die Einkommensverhält-
nisse zutreffend angegeben worden wären, jeweils signifikant erhöhte bzw. in
den Fällen, in denen es beim Versuch blieb, erhöht hätte. Darin liegt in jedem
Einzelfall ein sicher bezifferbarer Mindestschaden.
cc) Soweit die durch die Strafkammer vorgenommene Schadensbeziffe-
rung auch der Feststellung des Schuldumfangs dient und damit für die Straf-
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zumessung von Bedeutung ist, stellt sie sich hingegen im Ergebnis als rechts-
fehlerhaft dar.
(1) Das Landgericht hat die dargelegten, maßgeblichen Grundsätze zur
Schadensermittlung allerdings nicht prinzipiell verkannt. Es hat sie vielmehr den
als Zeugen vernommenen Bankmitarbeitern vorgegeben, die sie zur Höhe des
durch die Täuschungen jeweils bewirkten Vermögensschadens befragt hat.
Diese Zeugen haben jeweils nach Rückfrage in den zuständigen Finanzcontrol-
ling-Abteilungen ihrer Banken auf der Grundlage einer eigens für das vorlie-
gende Verfahren vorgenommenen Bewertung des Ausfallrisikos den Wert der
Rückzahlungsansprüche mit maximal 20 % der Darlehenssumme - teilweise
auch nur mit 14,5 % oder noch einem niedrigeren Prozentsatz - angegeben.
Die Strafkammer hat hierauf nach dem Zweifelssatz einen Sicherheitsaufschlag
vorgenommen und den Wert des Rückzahlungsanspruchs jeweils auf 25 % der
ausgereichten bzw. beantragten Darlehnssumme geschätzt; sie hat mithin den
Vermögensschaden mit 75 % des jeweiligen Darlehensbetrages beziffert.
(2) Soweit die Revisionen mit urteilsfremdem Vortrag zu belegen versu-
chen, dass die vernommenen Bankmitarbeiter bei der Bestimmung des Ausfall-
risikos von falschen Maßstäben ausgegangen seien, insbesondere eine unzu-
treffende ex-post-Bewertung des Rückzahlungsanspruches vorgenommen hät-
ten, können sie damit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben; die diesbe-
züglichen Darlegungen der Strafkammer in den Urteilsgründen sind auch nicht
aus sich heraus durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil sie die Heranziehung eines
falschen Maßstabs nahe legen würden. Vielmehr hat das Landgericht in der
Beweiswürdigung ausdrücklich hervorgehoben, dass es - rechtlich zutreffend -
auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Darlehensgewährung abgestellt hat.
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(3) Auch bedurfte es, um den einfachrechtlichen Anforderungen an die
Schadensfeststellung - und damit letztlich auch den verfassungsgerichtlichen
Vorgaben - zu genügen, keines für jeden Darlehensnehmer vorzunehmenden
Einzelvergleichs in dem Sinne, dass jeweils das Ausfallrisiko, das bestanden
hätte, wenn die vorgetäuschten Einkommensverhältnisse zutreffend gewesen
wären, mit demjenigen, das sich aufgrund der tatsächlich schlechteren, im Ein-
zelnen zu ermittelnden Einkommensverhältnisse ergab, gegenüberzustellen
war. Dies folgt schon daraus, dass das übliche, jeder Darlehenshingabe inne-
wohnende Risiko regelmäßig in den Konditionen des jeweiligen Vertrages be-
rücksichtigt wird; der Minderwert des ungesicherten Rückzahlungsanspruchs
wird so durch den im jeweils vereinbarten Zinssatz enthaltenen Risikozuschlag
ausgeglichen (Bockelmann, ZStW 79 [1967], 28, 37; MüKoStGB/Hefendehl
aaO, § 263 Rn. 632; LK/Tiedemann aaO, § 263 Rn. 212). Angesichts dessen
begegnet die Vorgehensweise des Landgerichts, den Rückzahlungsanspruch
bei einem nicht durch Täuschung erschlichenen Kreditvertrag mit 100 % des
ausgereichten Darlehensbetrages zu bewerten, keinen durchgreifenden Be-
denken.
(4) Die Bezifferung des Wertes des aufgrund der Täuschung bei Ver-
tragsschluss erlangten Rückzahlungsanspruchs mit lediglich 25 % des Nomi-
nalwertes erweist sich hier hingegen als zu pauschal und deswegen als durch-
greifend rechtsfehlerhaft, wodurch die Angeklagten auch beschwert sein kön-
nen.
Aus den Bekundungen der Bankmitarbeiter ergibt sich, dass diese bzw.
die von ihnen vertretenen Banken ihre jeweiligen Forderungen nicht in jedem
Einzelfall bewerteten. Es mag vor dem Hintergrund, dass es sich bei den hier in
Rede stehenden Konsumentenkrediten um ein Massengeschäft handelt,
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bankenüblichen Bewertungsmaßstäben entsprechen, die sich aus solchen Ver-
trägen ergebenden Ansprüche dergestalt zu bestimmen, dass in den Fällen, in
denen der Vertragsschluss und/oder die Darlehensausreichung durch falsche
Angaben des Darlehensnehmers erschlichen wurden, generalisierend entweder
der Wert des Rückzahlungsanspruches mit einem bestimmten Prozentsatz
oder aber umgekehrt der Minderwert mit einem prozentualen Anteil vom Nomi-
nalwert des Darlehensbetrages angegeben wird.
Wenn auch - wie dargelegt - solche Wertansätze bei der Bestimmung
der Höhe des Vermögensschadens Anwendung finden können und die Beach-
tung der genannten Grundsätze zur Schadensermittlung - entgegen der Auffas-
sung der Revisionen - die Tatgerichte nicht dazu zwingt, zur Bestimmung des
Minderwerts eines auf einer Täuschung beruhenden Rückzahlungsanspruchs
stets ein Sachverständigengutachten etwa eines Wirtschaftsprüfers einzuholen,
darf nicht aus dem Blick geraten, dass der jeweilige Einzelfall besondere Um-
stände aufweisen kann, die eine abweichende, für den jeweiligen Angeklagten
günstigere Beurteilung zu rechtfertigen oder zumindest nahezulegen vermögen.
So verhält es sich jedenfalls in einigen Fällen hier:
Im Fall 26 der Urteilsgründe hat die Strafkammer ausdrücklich festge-
stellt, dass die Kreditnehmerin, zu deren Einkommens- und Vermögensverhält-
nissen das Landgericht - mit Ausnahme der pauschalen Einstufung als "nicht
kreditwürdige Person" - keine näheren Feststellungen getroffen hat, das Darle-
hen durch regelmäßige Ratenzahlung bis zum Abschluss der Hauptverhand-
lung und damit über mehr als neun Monate ordnungsgemäß bediente. Dies
lässt es als möglich erscheinen, dass sie doch in der Lage war, ein Darlehen in
der ausgereichten Höhe zumindest teilweise zurückzuzahlen, was mit der pau-
schalen Annahme eines Schadens in Höhe von 75 % des ausgereichten Kre-
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ditbetrages nicht ohne Weiteres in Einklang gebracht werden kann. Gleiches
gilt für die Fälle 25 und 27 der Urteilsgründe, in denen dieselbe Kreditnehmerin
ein weiteres Darlehen erhielt bzw. der Angeklagte K. ein weiteres beantrag-
te, zumal die Strafkammer hinsichtlich des ausgereichten nicht einmal festge-
stellt hat, ob die fälligen Raten gezahlt wurden.
Ähnlich stellen sich die Fälle 30 bis 33 der Urteilsgründe dar, in denen es
in drei Fällen zur Ausreichung von Darlehen kam - ein viertes wurde nicht aus-
gezahlt, weil die darlehensgebende Bank die Täuschung durch einen Anruf bei
der Hausbank des Kreditnehmers aufdeckte: Insoweit hat das Landgericht zwar
festgestellt, dass der Kreditnehmer - in unbenannter Höhe - Sozialleistungen
nach dem SGB II erhielt; gleichwohl wurde eines der drei ausgereichten Darle-
hen jedenfalls bis zum Abschluss der Beweisaufnahme und damit über ein Jahr
lang ordnungsgemäß bedient (Fall 30 der Urteilsgründe). Eine sich daraus
möglicherweise ergebende - teilweise - Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers,
die der pauschalierend angenommenen Bewertung des Rückzahlungsanspru-
ches mit lediglich 25 % des jeweiligen Nominalbetrages entgegenstehen könn-
te, hätte die Strafkammer jedenfalls erörtern müssen, zumal auch hier in einem
weiteren Fall (Fall 33 der Urteilsgründe) nicht festgestellt ist, ob die Darlehens-
raten bedient wurden.
In den Fällen 40 und 41 der Urteilsgründe erhielt der selbständig tätige
Kreditnehmer, der über stark schwankende Einkünfte zwischen 1.500 und
5.000 € monatlich verfügte, ein Darlehen über 10.000 € ausgezahlt; ein weite-
res über 5.000 € wurde lediglich beantragt. Insoweit hat das Landgericht zwar
festgestellt, dass mehrere Gespräche des Kreditnehmers mit Banken erfolglos
verlaufen waren, weil diese ihn gleichwohl für nicht kreditwürdig hielten. Ange-
sichts der im Verhältnis zu den potentiellen monatlichen Einkünften und der
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weiter mitgeteilten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners (Barver-
fügungen über 55.000 € in einem Zeitraum von zehn Monaten) nicht übermäßig
hohen Darlehensbeträge erscheint auch in diesen Fällen die Annahme eines
Schadens in Höhe von 75 % der Nominalbeträge der Darlehen nicht - jedenfalls
nicht ohne nähere Darlegungen - nachvollziehbar.
Die dargestellten Fälle lassen besorgen, dass die Strafkammer der Auf-
fassung war, allein auf der Grundlage der generalisierenden Schadensberech-
nung der Bankmitarbeiter entscheiden zu können, ohne Besonderheiten der
jeweiligen Einzelfälle in den Blick zu nehmen (gegen eine Schadensberech-
nung auf der Grundlage einer typisierten Schadensberechnung auch BGH, Be-
schluss vom 19. August 2015 - 1 StR 334/15, juris Rn. 5). Angesichts der auch
in den übrigen Fällen nicht erschöpfenden Feststellungen kann der Senat nicht
ausschließen, dass auch insoweit den geschilderten Fällen vergleichbare Be-
sonderheiten vorgelegen haben könnten, die zu einer differenzierten Schaden-
bestimmung oder jedenfalls zu weiteren Erörterungen Anlass gegeben hätten.
Das Beruhen des Strafausspruchs auf dem aufgezeigten Rechtsfehler
kann hier auch nicht mit Blick auf die konkrete Strafzumessung verneint wer-
den. Das Landgericht hat die Strafen zwar nach den von ihr zugrunde gelegten
Mindestschäden gestaffelt bestimmt und dabei - revisionsrechtlich grundsätz-
lich unbedenklich -
für Schäden bis 5.000 €, zwischen 5.000 und 10.000 € und
zwischen 10.000 und 20.000 € jeweils auf die gleichen Einzelstrafen erkannt.
Dies lässt es nicht fernliegend erscheinen, dass die Strafkammer auch bei rich-
tiger Rechtsanwendung in einer Mehrzahl von Fällen auf die gleichen Einzel-
strafen erkannt hätte. Da der aufgezeigte Rechtsfehler indes die Grundlagen
der Schadensberechnung betrifft, kann der Senat in keinem der Einzelfälle
ausschließen, dass nicht doch eine niedrigere Einzelstrafe verhängt worden
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wäre und hat den Strafausspruch deshalb insgesamt mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
4. Auch die Aussprüche über das Absehen von der Verfallsanordnung
gemäß § 111i Abs. 2 StPO können keinen Bestand haben, weil das Landge-
richt - wozu es vorrangig gehalten gewesen wäre - nicht festgestellt hat, in wel-
chem Umfang der Wert des von den Angeklagten Erlangten noch in ihrem
Vermögen vorhanden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2015 - 3 StR
644/14, wistra 2015, 270). Die Strafkammer hat zudem in einigen Fällen schon
keine Feststellungen zur Höhe des Erlangten getroffen, weil unklar bleibt, ob
die Angeklagten auch insoweit eine Provision ausgezahlt bekamen. Um dem
neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hat der Se-
nat deshalb die Entscheidung über das Absehen von der Verfallsanordnung
insgesamt aufgehoben.
Becker RiBGH Pfister ist in den Schäfer
Ruhestand getreten und
daher gehindert zu unter-
schreiben.
Becker
Gericke Spaniol
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