Urteil des BGH vom 07.08.2014

Karte, Überzeugung, Sparkasse, Beweisantrag, Einfluss

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 1 0 5 / 1 4
vom
7. August 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und der Beschwerdeführer am 7. August 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Trier vom 11. Juli 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten V. , H. und Z. wegen
schweren Bandendiebstahls und versuchten schweren Bandendiebstahls zu
Gesamtfreiheitsstrafen von sechs (V. ) bzw. fünf Jahren (H. und Z. )
verurteilt; den Angeklagten G. hat es des versuchten schweren Banden-
diebstahls schuldig gesprochen und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von zwei
Jahren und sechs Monaten verhängt. Daneben hat das Landgericht diverse
Tatwerkzeuge eingezogen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Beschwerde-
führer mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materi-
ellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben mit der Sachbeschwerde Erfolg, so
dass es auf die erhobenen Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt.
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Nach den Feststellungen kamen die Angeklagten spätestens im Jahr
2011 überein, sich auf Dauer zur Begehung einer Vielzahl von Einbruchsdieb-
stählen zu verbinden und hierbei zusammenzuwirken, wobei nicht geklärt wer-
den konnte, ob sie dabei als selbständige Gruppe fungierten oder einer noch
größeren Gruppierung angehörten. Inhalt der Übereinkunft war, gemeinsam
eine Vielzahl von Geldausgabeautomaten nach der sogenannten Spreizer-
Methode zu öffnen, um die darin befindlichen Bargeldbeträge - meist über
100.000 € - zu entwenden. Entsprechend dieser Abrede verschafften sich die
Angeklagten V. , H. und Z. im Fall II. 1. b der Urteilsgründe in der
Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 gewaltsam Zutritt zu den Geschäfts-
räumen der Volksbank-Filiale in S. und entwendeten aus dem
dortigen Geldausgabeautomaten 125.585 €. Im Fall II. 2. b der Urteilsgründe
trafen sich alle vier Angeklagten am späten Abend des 20. November 2011 in
D. nahe der dortigen Sparkasse, die sie in den Vortagen wiederholt
ausgekundschaftet hatten, um das in dem dortigen Geldautomaten gelagerte
Geld zu entwenden. Einer der Angeklagten verschaffte sich über eine Leiter
Zutritt zu den Geschäftsräumen, indem er ein Fenster aufbohrte. Anschließend
entfernte er sich mit den übrigen Angeklagten vom Gebäude. In der Folgezeit
stieg zweimal einer der Angeklagten erneut für jeweils mehrere Minuten durch
das geöffnete Fenster in die Geschäftsräume ein, wobei zwischen diesen Vor-
gängen ein Zeitraum von 20 Minuten lag. Die Aufenthalte in der Bank wurden
dazu genutzt, eine Überwachungskamera im Servicebereich zu verdrehen, eine
Holztür zum Geldausgabeautomaten aufzuhebeln, eine Datenmülltonne aus
Metall im Servicebereich aufzustellen und den Netzstecker des Geldautomaten
zu ziehen. Das zum Öffnen des Geldausgabeautomaten erforderliche Werk-
zeug hatten die Angeklagten noch nicht in die Sparkasse geschafft. Um dies "in
angemessener Zeit" zu bewerkstelligen, wären - so die Ausführungen in der
Beweiswürdigung - mindestens zwei Personen erforderlich gewesen (UA
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S. 35). Nach dem letzten Einstieg entfernten sich die Angeklagten vom Tatort
und fuhren mit unterschiedlichen Fahrzeugen zu einem ca. 35 km entfernten
Schnellrestaurant. Dort saßen sie einige Zeit zusammen, bevor sich die Ange-
klagten Z. und H. zu der von dem Schnellrestaurant etwa 50 km und
vom Tatort mindestens 59 km entfernten Wohnung des Angeklagten H.
aufmachten. Die Angeklagten V. und G. fuhren mit ihren Fahrzeugen
zum vom Tatort etwa 30 km entfernten Wohnort des Angeklagten G. . Hier-
bei wurden die Angeklagten durch Polizeibeamte festgenommen.
1. Der jeweilige Schuldspruch kann in beiden Fällen schon deswegen
keinen Bestand haben, weil die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten
hätten bandenmäßig im Sinne des § 244a Abs. 1 StGB gehandelt, einer sie
tragenden Beweiswürdigung entbehrt. Das Landgericht teilt an keiner Stelle des
Urteils mit, aufgrund welcher Umstände es sich von einer Bandenabrede der
Angeklagten überzeugt hat. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgrün-
de lässt sich dies nicht entnehmen. Der von der Strafkammer festgestellte Wille
der Angeklagten, sich auf Dauer zur Begehung einer Vielzahl von Einbruchs-
diebstählen zu verbinden und hierbei zusammenzuwirken, liegt trotz des fest-
gestellten, in den Taten zum Ausdruck kommenden professionellen Vorgehens
der Angeklagten auch nicht derart auf der Hand, dass eine andere Möglichkeit
gänzlich ausgeschlossen erscheint und sich weitere Ausführungen deshalb er-
übrigten. Hinsichtlich des Angeklagten G. kommt hinzu, dass das Urteil kon-
krete Feststellungen nur zu einer einzigen Tat enthält, an der dieser beteiligt
war (zum Rückschluss von der Zahl der Taten auf die Bandenabrede vgl. BGH,
Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, NStZ 2006, 174). Dass er vor der Tat
zu II. 2. b der Urteilsgründe daran mitgewirkt hatte, mögliche Tatorte auszu-
kundschaften, führt zu keinem anderen Ergebnis. Den Feststellungen ist nicht
zu entnehmen, dass die Angeklagten die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse
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für weitere Taten nutzen wollten. Die Evidenz einer Bandenabrede folgt
schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft zunächst
zwei weitere gleich gelagerte Anklagevorwürfe gegen die Angeklagten erhoben
hatte, die in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wor-
den sind. Zu der Beteiligung der Angeklagten an diesen Taten hat die Kammer
keine Feststellungen getroffen.
Angesichts des vollständigen Schweigens der Urteilsgründe ist darüber
hinaus auch nicht überprüfbar, ob das Landgericht im Fall II. 1. b rechtsfehler-
frei davon ausgegangen ist, dass diese Tat trotz der Beteiligung von nur drei
statt vier Bandenmitgliedern Ausfluss der getroffenen Bandenabrede war (vgl.
hierzu BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2006 - 4 StR 595/05, NStZ 2006, 342,
343; vom 1. Februar 2011 - 3 StR 432/10, StraFo 2011, 520; vom 1. März 2011
- 4 StR 30/11, StraFo 2011, 521; Urteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11,
juris Rn. 16)und nicht ausschließlich im eigenen Interesse der Angeklagten
V. , H. und Z. begangen worden ist. Da die Angeklagten insoweit ent-
gegen der Feststellung des Landgerichts, Grundlage der Übereinkunft sei es
gewesen, gemeinsam zu agieren, gehandelt haben, war diesim Urteil zu erör-
tern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, StraFo
2013, 128, 129
).
2. Im Fall II. 2. b hält der Schuldspruch wegen versuchten schweren
Bandendiebstahls darüber hinaus auch deswegen rechtlicher Überprüfung nicht
stand, weil nach einer vom Landgericht nicht ausgeschlossenen Sachverhalts-
variante die Angeklagten noch nicht in das Versuchsstadium der Tat eingetre-
ten waren.
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Die Strafkammer hat nicht eindeutig klären können, aus welchen Grün-
den sich die Angeklagten vom Tatort entfernten. Sie hat es unter anderem für
möglich gehalten, dass sie sich zunächst plangemäß vom Tatort wegbegaben,
um "nach einer Pause" zurückzukehren und den Tresor aufzubrennen. Hierfür
spreche insbesondere, dass es nach der Einlassung des Angeklagten V.
zum Aufbrennen des Tresors noch "zu früh" gewesen sei. Diese Einschätzung
entspreche wohl der üblichen Arbeitsweise der Bande (UA S. 36). In dieser Va-
riante hätten die Angeklagten indes noch nicht im Sinne des § 22 StGB unmit-
telbar zur Verwirklichung des Diebstahls angesetzt.
a) Das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in
einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fort-
gang ohne Zwischenakte zur - vollständigen - Tatbestandserfüllung führt oder
im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet.
Diese Voraussetzung kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Be-
schreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt;
regelmäßig genügt es allerdings, wenn der Täter ein Merkmal des gesetzlichen
Tatbestandes verwirklicht. Es muss aber immer das, was er zur Verwirklichung
seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand
in Beziehung gesetzt werden (BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 - 2 StR 527/90,
BGHSt 37, 294, 296; Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 540/10, NStZ
2011, 400, 401; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. März 2014 - 3 StR 424/13, NStZ
2014, 447, 448). An einem unmittelbaren Ansetzen kann es daher - aus-
nahmsweise - trotz der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals fehlen,
wenn der Täter damit noch nicht zu der die Strafbarkeit begründenden eigentli-
chen Rechtsverletzung ansetzt. Ob dies der Fall ist oder ob er sich noch im
Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das "un-
mittelbare Einmünden" seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Ge-
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gen das Überschreiten der Schwelle zum Versuch spricht deshalb im Allgemei-
nen, dass es zur Herbeiführung des vom Gesetz vorausgesetzten Erfolges
noch eines weiteren - neuen - Willensimpulses bedarf (BGH, Urteil vom
21. Dezember 1982 - 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 182). Bezogen auf die
Frage, wann bei einem - wie hier nach § 244a StGB - qualifizierten Delikt das
Versuchsstadium beginnt, decken sich diese Grundsätze mit der im Schrifttum
vorherrschenden Auffassung, dass die Unmittelbarkeit nur dann zu bejahen ist,
wenn der Täter mit seiner Handlung zugleich zur Verwirklichung des Grundde-
liktes ansetzt (Gössel, ZIS 2011, 386, 389 mwN; BeckOK v.Heintschel-
Heinegg/Beckemper, StGB, § 22 Rn. 43; LK/Hillenkamp, StGB, 12. Aufl., § 22
Rn. 123; NK-StGB-Zaczyk, 4. Aufl., § 22 Rn. 53; S/S-Eser/Bosch, StGB,
29. Aufl., § 22 Rn. 58), im Rahmen des § 244a StGB mithin zur Wegnahme
(LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 244a Rn. 9; MüKoStGB/Schmitz, 2. Aufl., § 244a
Rn. 10; zu § 244 StGB vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 244 Rn. 11).
b) Nach diesen Maßstäben hatten die Angeklagten in der vom Landge-
richt als möglich erachteten Variante, wonach der Tresor erst später aufge-
brannt werden sollte, noch nicht unmittelbar zum schweren Bandendiebstahl
angesetzt. Zwar war einer der Angeklagten bereits gewaltsam in die Sparkasse
eingedrungen und hatte damit die im Rahmen von § 244a Abs. 1 StGB zum
Tatbestandsmerkmal erhobene Voraussetzung des Einbrechens in einen Ge-
schäftsraum (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) erfüllt. Um die Wegnahme des
Geldes durchführen zu können, hätten die Angeklagten als weitere wesentliche
Zwischenschritte aber erst noch umfangreiches Werkzeug in die Bank schaffen
und den Geldautomaten aufbrennen müssen. Angesichts der in zeitlicher Hin-
sicht deutlichen Zäsur zwischen dem ersten Stadium und der geplanten Fort-
setzung des Tatplans erforderte diese einen weiteren, eigenständigen Willens-
entschluss. Die bis zum Zeitpunkt der Festnahme der Angeklagten durchge-
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führten Aktivitäten stellten insoweit nur - wenngleich wesentliche - Vorberei-
tungsmaßnahmen dar.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der An-
geklagten V. , H. und Z. im Fall II. 1. b der Urteilsgründe maßgeblich
auf die Ergebnisse der Telefonüberwachung gestützt. Hinsichtlich des Ange-
klagten H. wird aus den Urteilsgründen allerdings nicht zweifelsfrei deutlich,
aufgrund welcher Erwägungen die Strafkammer diesen als Nutzer des ihm zu-
geordneten Handys nebst SIM-Karte bestimmen konnte. Soweit der Schluss
des Landgerichts alleine auf dem Umstand beruhen sollte, dass sich die ent-
sprechende SIM-Karte ausweislich der Verbindungsdaten nach der Tat zu der
seinen Wohnsitz abdeckenden Funkzelle zubewegt hatte, bedürfte dies der
näheren Begründung: Denn hinsichtlich des Angeklagten G. hat die Straf-
kammer aus der Registrierung einer SIM-Karte in der Funkzelle seines Wohn-
ortes keinen Rückschluss dahin ziehen wollen, dass dieser der Nutzer der ent-
sprechenden SIM-Karte war (UA S. 10). Daneben wäre zu beachten, dass die
Strafkammer im Rahmen von Fall II. 1. b der Urteilsgründe die Mitwirkung eines
weiteren, unbekannt gebliebenen Täters nicht auszuschließen vermocht hat.
Insoweit wäre zusätzlich zu bedenken, dass sich auch im Rahmen von Fall
II. 2. b neben dem Angeklagten H. noch andere Täter über mehrere Tage
hinweg in seinem Anwesen aufgehalten hatten.
b) Der Angeklagte Z. soll sich "im Rahmen eines Beweisantrages
am 14. Verhandlungstag" eingelassen haben. Beweisbehauptungen, die in ei-
nem von dem Verteidiger gestellten Beweisantrag enthalten sind, dürfen jedoch
nicht in eine Einlassung des Angeklagten umgedeutet werden, sofern sich die-
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ser hierzu nicht erklärt (BGH, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 4 StR 118/90,
NStZ 1990, 447; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 261 Rn. 16a). Hier-
zu schweigt das Urteil.
Sollte sich der Angeklagte Z. zu den in dem Beweisantrag enthalte-
nen Behauptungen eingelassen haben, gilt Folgendes: Die Überzeugung, dass
sich der Angeklagte Z. entgegen den in dem vorerwähnten Beweisantrag
enthaltenen Behauptungen nicht in seinem Heimatland aufgehalten hat, hat
das Landgericht auch aufgrund der Erwägung gewonnen, dass die entspre-
chenden Zeugen erstmals benannt wurden, nachdem der Angeklagte bereits
mehr als 13 Monate in Untersuchungshaft verbracht hat. Diese Würdigung ist
rechtsfehlerhaft. Dem Angeklagten steht es frei, sich zu den Anklagevorwürfen
zu äußern (§ 243 Abs. 5 Satz 1 StPO). Der unbefangene Gebrauch dieses
Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und
Bewertung der Gründe für sein Einlassungsverhalten befürchten müsste. Des-
halb dürfen weder aus der durchgehenden noch aus der nur anfänglichen Aus-
sageverweigerung dem Angeklagten nachteilige Schlüsse gezogen werden
(BGH, Urteil vom 26. Oktober 1965 - 5 StR 515/65, BGHSt 20, 281; Beschluss
vom 27. Januar 1987 - 1 StR 703/86, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 4).
Gleichermaßen fehlerhaft wäre die Erwägung des Landgerichts, sofern
tatsächlich keine Einlassung des Angeklagten Z. vorgelegen haben sollte.
Der Angeklagte darf nicht nur schweigen, sondern auch auf den Antritt eines
Entlastungsbeweises verzichten. Bei dem - wie hier - zunächst oder durchge-
hend schweigenden Angeklagten verbieten sich daher auch nachteilige Schlüs-
se, die alleine auf dem Zeitpunkt der Stellung eines Beweisantrages beruhen
(BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2001 - 1 StR 415/01, BGHR StPO § 261
Beweiswürdigung 26).
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c) Das Landgericht hat als Grund für die Nichtvollendung der Tat zu
II. 2. b der Urteilsgründe die weitere Möglichkeit gesehen, dass die Angeklagten
den Verdacht gehabt haben könnten, polizeilich observiert zu werden. Diese
Einschätzung hat es entscheidend darauf gestützt, dass ein Verteidiger in der
Hauptverhandlung "in einem unbedachten Moment" einen Zeugen nach einem
schwarzen BMW mit Kölner Kennzeichen gefragt und es sich hierbei "erkenn-
bar nicht um eine ins Blaue hinein gestellte Frage" gehandelt habe (UA S. 36).
Dieser Schluss ist unzulässig, denn er deutet die Frage des Verteidigers und
mögliche hierin enthaltene Behauptungen in eine (Teil)Einlassung des Ange-
klagten um.
d) Die Strafkammer hat im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des
Angeklagten V. dessen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen der
Bande berücksichtigt, welcher sich bereits aus seiner Einlassung zum Tatge-
schehen zu Fall II. 2. b ergeben habe. Bei dieser Begründung hat das Landge-
richt verkannt, dass es die Einlassung in wesentlichen Teilen als Schutzbe-
hauptung gewertet hat (UA S. 33). Es durfte daher übrige Teile der Einlassung
nicht ohne nähere Begründung - an der es hier mangelt - zu Lasten des Ange-
klagten heranziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 - 5 StR 165/11,
NStZ-RR 2011, 318, 319; LR/Sander, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 73).
Soweit die Strafkammer den bestimmenden Einfluss des Angeklagten
V. auf die Mitangeklagten daneben aus dessen Verhalten in der Hauptver-
handlung gefolgert hat, lassen die pauschal gehaltenen Ausführungen besor-
gen, dass sie zulässiges Verteidigungsverhalten strafschärfend berücksichtigt
hat (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 7. November 1986 - 2 StR 563/86,
BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; vom 29. Januar 2014 - 1 StR
589/13, NStZ 2014, 396, 397).
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e) Wird die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der
Beweistatsache (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abgelehnt, ist mit konkreten Erwä-
gungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine
entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen
an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Ge-
richt genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhe-
bung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen
hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb (BGH,
Urteil vom 7. April 2011 - 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714). Die unter Be-
weis gestellte Indiztatsache hat es in das bisherige Beweisergebnis so einzu-
stellen, als sei sie erwiesen, und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine
bisherige Überzeugung zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für
den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert wür-
de (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 154/13,
NStZ 2014, 111, 112 m. Anm. Allgayer; vom 18. März 2014 - 2 StR 448/13,
NStZ-RR 2014, 252, 253; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 mwN).
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f) Sollte sich in der neuen Hauptverhandlung eine Bandenabrede der
Angeklagten belegen lassen, so wird gegebenenfalls im Fall II. 2. b eine Ver-
brechensverabredung im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB in Betracht zu ziehen
sein. Außerdem wird die zur Entscheidung berufene Strafkammer auch eine
Strafbarkeit der Angeklagten nach § 303 StGB zu prüfen haben. Der General-
bundesanwalt hat insoweit in seinen Antragsschriften das besondere öffentliche
Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Becker
RiBGH Hubert befindet sich
RiBGH Dr. Schäfer befindet
im Urlaub und ist daher
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
gehindert zu unterschreiben.
Becker
Becker
Mayer
Spaniol
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