Urteil des BGH vom 25.02.2016

Anhörung, Handbuch, Gesamtstrafe, Strafzumessungsgrund

ECLI:DE:BGH:2016:250216B2STR9.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 9/16
vom
25. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts, zu 3. auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdefüh-
rers am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Gera vom 8. Oktober 2015 im Strafausspruch mit den zu-
gehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen
Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte
Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungs-
formel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts übte der Angeklagte im Zeit-
raum zwischen Sommer 2013 und dem 30. März 2014 mit der zur Tatzeit 13-
jährigen Geschädigten in mindestens vier Fällen einvernehmlich den Ge-
schlechtsverkehr aus.
Das Landgericht hat den Angeklagten, der zur Tatzeit Heranwachsen-
der war, nach allgemeinem Strafrecht verurteilt. Es hat den Strafrahmen jeweils
wegen Vorliegens eines minder schweren Falls gemäß § 176a Abs. 4 StGB
gemildert und dabei hervorgehoben, dass die Geschädigte zur Tatzeit nicht weit
von der Schutzaltersgrenze entfernt gewesen sei und es sich bei der Tatsituati-
o
n um „eine Art Liebesverhältnis“ gehandelt habe. Aus diesem Strafrahmen hat
es unter Berücksichtigung derselben Strafzumessungsgründe in drei Fällen
Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und in einem Fall eine Einzelfrei-
heitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt. Durch Erhöhung der
Einsatzstrafe hat es die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gebildet.
II.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen
den Schuldspruch richtet. Jedoch ist der Strafausspruch rechtlich zu beanstan-
den.
Das Landgericht hat nicht erkennbar in seine Überlegungen einbezo-
gen, dass der Angeklagte, der eine „akzentuierte Persönlichkeit mit unreifen
und emotional unstabilen Zügen“ aufweist, zur Tatzeit erst Heranwachsender
war. Das Tatbild ist insoweit auch von der Persönlichkeitsstruktur des Ange-
klagten und seinem jungen Alter zur Tatzeit geprägt. Die im Vergleich mit ande-
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ren Missbrauchsfällen geringe Altersdifferenz zwischen Täter und Opfer stellt
– neben der „Liebesbeziehung“ als strafzumessungsrechtlichem Sonderfall (vgl.
BGH, Beschluss vom 5. April 2005
– 4 StR 95/15, StV 2005, 387) – einen be-
stimmenden Strafzumessungsgrund dar (vgl. BT-Drucks. 13/8567 S. 32, 81;
15/350 S. 18; Senat, Beschluss vom 5. Juni 2013
– 2 StR 189/13, NStZ-RR
2013, 291; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 176a Rn. 17; Fischer,
StGB, 63. Aufl., § 176a Rn. 14; Laubenthal, Handbuch der Sexualstraftaten,
2012, Rn. 542; MünchKomm/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 176a Rn. 48). Die
Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Landgericht dies übersehen hat.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die nach dem Tatbild hoch er-
scheinenden Einzelstrafen und die Gesamtstrafe auf dem Rechtsfehler beru-
hen.
Fischer Appl Eschelbach
Ott Zeng
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