Urteil des BGH vom 09.07.2015

Kokain, Wohnung, Beihilfe, Überprüfung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 S t R 5 8 / 1 5
vom
9. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Aachen vom 14. August 2014, soweit es ihn betrifft, mit
den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Frei-
heitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung
zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts
gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der nicht revidie-
rende Mitangeklagte G. 211,9 Gramm Kokain sowie 755,2 Gramm Canna-
bisharz zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Er versteckte die Drogen an ver-
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schiedenen Stellen in seiner Wohnung, wo sie am 24. Oktober 2013 bei einer
Wohnungsdurchsuchung aufgefunden wurden. In der Wohnung nächtigte zu
diesem Zeitpunkt neben weiteren Personen auch der Angeklagte. Er hatte sich
schon zuvor auf Bitten des G. bereit erklärt, einen Teil des Straßenver-
kaufs zu übernehmen und zu diesem Zweck 10 Kokain-Briefchen mit insgesamt
8,69 Gramm Kokain in seinem Schrankfach im Schlafzimmer gelagert.
2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Zwar habe er Kenntnis davon
gehabt, dass G. Betäubungsmittel in der Wohnung gelagert habe, die er
verkaufen wollte. Er habe G. aber weder unterstützt noch dies vorgehabt.
II.
Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung hält
sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Beweiswürdigung ist zwar Sache des Tatgerichts; der revisionsge-
richtlichen Überprüfung unterliegt aber, ob diesem dabei Rechtsfehler unterlau-
fen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar
oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze
verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZ-
RR 2004, 238; Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, NJW 2006, 925,
928). So liegt es hier:
Dass sich der Angeklagte bereit erklärt hat, einen Teil des Straßenver-
kaufs zu übernehmen, steht zur Überzeugung des Landgerichts aufgrund des
Umstands fest, dass 10 Kokain-Briefchen in einer Schrankabtrennung gefunden
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wurden, in der sich auch der Ausweis des Angeklagten befand. Die Einlassung
des Angeklagten sowie des Wohnungsinhabers G. , es habe keine feste
Zuteilung der Schrankabtrennungen gegeben, hat das Gericht als reine Schutz-
behauptung bewertet, die lebensfremd erscheine.
Diese Überzeugungsbildung des Landgerichts ist lückenhaft. Das Land-
gericht ist offenkundig davon ausgegangen, dass in einer Wohnung vorhandene
Schrankfächer nach allgemeiner Lebenserfahrung den einzelnen Nutzern einer
Wohnung fest zugeteilt werden. Schon das Bestehen eines solchen Erfah-
rungssatzes erscheint zweifelhaft. Jedenfalls aber hätte sich das Gericht mit
tatsächlichen Umständen auseinandersetzen müssen, die einen solchen Erfah-
rungssatz hier in Frage stellen können. Solche Umstände waren vorliegend ge-
geben, denn zum Zeitpunkt der Wohnungsdurchsuchung hielten sich in der
Wohnung neben dem Angeklagten und dem Wohnungsinhaber G. regel-
mäßig noch drei weitere Personen auf. Die Küche war provisorisch eingerichtet,
alle fünf Personen schliefen auf am Boden liegenden Matratzen. Der Schrank,
in dem sich die Kokain-Briefchen befanden, bestand aus vier Abtrennungen.
Für die Strafkammer bestand daher hinreichend Anlass, insbesondere die vor-
gefundene Wohnsituation sowie die Existenz von nur vier Schrankabtrennun-
gen für fünf Personen in die Beweiswürdigung einzustellen. Der Senat kann
nicht ausschließen, dass das Landgericht schon unter Berücksichtigung dieser
Umstände zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre.
2. Dessen ungeachtet tragen die landgerichtlichen Feststellungen auch
nicht den Schuldspruch, denn hinsichtlich der Beihilfehandlung des Angeklag-
ten fehlen ausreichende Feststellungen zum äußeren und inneren Tatgesche-
hen.
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Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB nur bestraft, wer vorsätzlich ei-
nem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet.
Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal
auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt
zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert
oder fördert (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07,
NStZ 2008, 284 mwN).
Feststellungen dazu hat das Landgericht nicht getroffen. Die knappen
Ausführungen, der Angeklagte habe sich an dem späteren Verkauf der 10 Ko-
kain-Briefchen beteiligen wollen, belegen für sich genommen keine tatsächlich
erfolgte Förderung oder Erleichterung der Haupttat. Zwar kann eine Haupttat in
Ausnahmefällen auch schon durch das bloße Bereiterklären späterer Unterstüt-
zung gefördert oder erleichtert werden. Aber auch die Voraussetzungen einer
solchen psychischen Beihilfe sind nicht belegt. Es ist nicht ersichtlich, dass der
Angeklagte den Haupttäter G. durch seine Zusage, ihm beim späteren Ab-
verkauf zu unterstützen, in seinem Tatentschluss bestärkt oder ihm ein erhöh-
tes Sicherheitsgefühl gegeben hätte.
Eine bloß versuchte Beihilfe ist demgegenüber straflos. Auch eine Verur-
teilung nach § 30 Abs. 2 StGB (Verabredung zu einem Verbrechen) käme nur
dann in Betracht, wenn der in Aussicht genommene Tatbeitrag des Angeklagten
täterschaftliche Qualität erreichen sollte. Ist seine Mitwirkung - wie hier - im Fal-
le der Durchführung nur als die eines Gehilfen zu werten, bleibt er insoweit
straffrei (Senatsurteil vom 31. Oktober 2001 - 2 StR 315/01, NStZ-RR 2002, 74,
75).
Da indes nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein neuer Tatrichter
noch ergänzende Feststellungen zur Beihilfehandlung des Angeklagten
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- jedenfalls aber zu den Voraussetzungen eines möglichen Besitzes von Betäu-
bungsmitteln - treffen kann, verweist der Senat die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung an ein anderes Tatgericht zurück.
Fischer Eschelbach Ott
RiBGH Zeng ist wegen Bartel
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
Fischer