Urteil des BGH vom 24.09.2015

Missbrauch, Strafzumessung, Nichterfüllung, Vergleich

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 S t R 3 6 2 / 1 5
vom
24. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 24. September 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Erfurt vom 19. Mai 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen se-
xuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in sieben Fällen, davon in vier Fäl-
len in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in drei
Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Senat hat dieses
Urteil durch Beschluss vom 17. September 2014 - 2 StR 325/14 - im Ausspruch
über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Das Landgericht hat nunmehr er-
neut eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrü-
ge. Das Rechtsmittel ist begründet.
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I.
Das Landgericht hat seine Erwägungen zur Bildung einer neuen Gesamt-
freiheitsstrafe nach der Erläuterung von anderen Strafzumessungsgründen, die
gegen den Angeklagten sprechen, wie folgt ergänzt: "Darüber hinaus ist zulas-
ten des Angeklagten zu sehen, dass auch ein Jahr nach der Verurteilung durch
das Landgericht Erfurt keine Strafaufarbeitung erkennbar ist. Der Angeklagte
hat weder die im Vergleich zwischen ihm und den Nebenklägern vereinbarten
Zahlungen beglichen, noch hat er sich in ärztliche Betreuung begeben. Um eine
Therapie zur Aufarbeitung der sexuellen Probleme hat sich der Angeklagte
nicht gekümmert."
II.
Die Revision gegen die Gesamtstrafenbildung hat Erfolg.
1. Die vom Landgericht mitgeteilte Begründung für die neue Gesamtfrei-
heitsstrafe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In den Urteils-
gründen bleibt unklar, warum vom Fehlen einer Aufarbeitung der abgeurteilten
Straftaten auszugehen ist. Die dafür genannten Gründe sind nicht nachvollzieh-
bar.
Nachdem das Landgericht festgestellt hat, dass der Angeklagte Schul-
den hat und nur Arbeitslosengeld bezieht, liegt die Annahme fern, dass ihm ein
Vorwurf daraus zu machen ist, weil er bisher keinen Schadensersatz geleistet
hat. Eine Erläuterung seiner abweichenden Bewertung hat das Landgericht im
Urteil nicht mitgeteilt.
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Der Angeklagte ist nach den bindenden Feststellungen zuletzt im No-
vember 2002 wegen einer Sexualstraftat aufgefallen. Seither hat es keine ver-
gleichbaren Delikte mehr gegeben. Warum gleichwohl trotz des Zeitablaufs
zwischen der letzten Sexualstraftat und dem Urteil ein Therapiebedarf bestehen
und dem Angeklagten dessen Nichterfüllung vorzuwerfen sein soll, erschließt
sich nicht. Auch aus spezialpräventiven Gründen ist eine weitere Erhöhung der
Einsatzstrafe zu der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe damit nicht begründbar.
2. Der Senat kann entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts
nicht ausschließen, dass das Urteil auf den rechtsfehlerhaften Erwägungen be-
ruht.
Die gewählte Formulierung ("Darüber hinaus ...") lässt nicht erkennen,
dass es sich lediglich um eine Hilfserwägung gehandelt hat, auf die es für die
Strafzumessung im Ergebnis nicht angekommen ist; denn das Landgericht hat
seinen Ansatz, es fehle an einer Aufarbeitung der Straftaten durch den Ange-
klagten, immerhin mit zwei verschiedenen Aspekten begründet. Das wäre bei
einer für das Ergebnis unerheblichen Überlegung nicht zu erwarten gewesen.
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Auch die Tatsache, dass die Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstra-
fe unter Berücksichtigung von sechs weiteren Einzelstrafen zu einer Gesamt-
freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erhöht wurde, lässt nicht er-
kennen, dass die genannte Erwägung im Ergebnis für die Höhe der neuen Ge-
samtfreiheitsstrafe unerheblich war.
Fischer
Krehl
Eschelbach
Ott
Zeng
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