Urteil des BGH vom 21.10.2015

Persönlichkeitsstörung, Schuldfähigkeit, Sachbeschädigung, Vergleich

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 337/15
vom
21. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 21. Oktober 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Gießen vom 27. April 2015 im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in 22 Fällen, in
16 Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, und wegen versuchten Dieb-
stahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen die Verurteilung richtet sich die
auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das
Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbe-
gründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Die Annahme voller Schuldfähigkeit begegnet rechtlichen Bedenken.
Die sachverständig beratene Strafkammer hat zwar nachvollziehbar eine
erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei ihm allein we-
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gen der festgestellten Abhängigkeit von psychotropen Substanzen abgelehnt.
Die Ausführungen des Landgerichts halten indes rechtlicher Prüfung nicht
stand, soweit das Gericht der festgestellten
„antisozialen Persönlichkeitsstö-
rung" des Angeklagten für die Schuldfähigkeitsbeurteilung keine Bedeutung
beigemessen hat. Das Landgericht hat im Rahmen der erforderlichen Gesamt-
betrachtung nicht erkennbar geprüft, ob die festgestellte Persönlichkeitsstörung,
die nach Überzeugung der Strafkammer für sich betrachtet noch keine erhebli-
che Beeinträchtigung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit herbeiführte, mög-
licherweise im Zusammenwirken mit der Abhängigkeitserkrankung des Ange-
klagten dessen Fähigkeit, sich normgerecht zu verhalten im Vergleich zu einem
voll schuldfähigen Menschen in erheblichem Maße einschränkte (vgl. BGH, Be-
schluss vom 17. Juli 2008 - 3 StR 232/08, NStZ-RR 2008, 335 mwN). Die Be-
hauptung der Strafkammer, „auch aus dem Zusammenspiel von Abhängigkeits-
erkrankung und antisozialer Persönlichkeitsstörung“ ergäbe sich „keine erhebli-
che Verminderung der Schuldfähigkeit“, ist inhaltsleer und ersetzt eine solche
Prüfung nicht.
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Der Rechtsfehler im Rahmen der Schuldfähigkeitsprüfung führt zur Auf-
hebung sämtlicher Einzelstrafen; damit kann auch die Gesamtstrafe nicht be-
stehen bleiben. Der Schuldspruch wird hingegen von dem Rechtsfehler nicht
berührt, da auszuschließen ist, dass der Angeklagte bei einer der Taten schuld-
unfähig war.
Fischer Eschelbach Ott
Zeng Bartel
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