Urteil des BGH vom 02.12.2015

Strafzumessung, Familie, Einfluss, Druck

ECLI:DE:BGH:2015:021215B2STR317.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 317/15
vom
2. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts - zu Ziffer 3. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am
2. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Frankfurt am Main vom 1. Oktober 2014 im Straf-
ausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zu-
rückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-
zung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen die Verurteilung
richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte
Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Straf-
ausspruchs Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die von dem Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben aus den
zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom
7. August 2015 keinen Erfolg.
2. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler auf.
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3. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat
das Tatgericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen
den Täter sprechen. Eine ungewöhnlich hohe Strafe bedarf dementsprechend
einer besonderen Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die die Abweichung
vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles
verständlich macht (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2012 - 5 StR
264/12, StraFo 2012, 419, und vom 20. September 2010 - 4 StR 278/10, NStZ-
RR 2011, 5 mwN). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. In Anbe-
tracht der gravierenden mildernden Faktoren - der Angeklagte handelte spon-
tan, alkoholisch enthemmt und affektiv erregt; die Verletzungen der geschädig-
ten Zeugin G. , die zum Tatzeitpunkt mit ihm in einer langjährigen Bezie-
hung gelebt hat, sind bis auf eine Narbe folgenlos ausgeheilt; der Angeklagte ist
lediglich wegen Beleidigung unwesentlich vorbestraft und Erstverbüßer - hätte
die Festsetzung der angesichts vergleichbarer Fälle ungewöhnlich hohen Frei-
heitsstrafe eingehender Begründung bedurft. Dies gilt auch eingedenk des er-
heblichen Unrechtsgehalts der Straftat.
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zudem ausgeführt,
dass „nach Auffassung der Kammer während des Verlaufs des Verfahrens zu
unterschiedlichen Zeitpunkten seitens der Familie des Angeklagten wiederholt
versucht worden ist, auf die Zeugin G. einzuwirken und diese in ihrem
Aussageverhalten zu beeinflussen. Dieses Ausüben von Druck war jedoch nicht
zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, da insoweit nicht nachgewiesen
werden konnte, dass der Angeklagte seinerseits […] Einfluss genommen hätte“
(UA S. 54).
Der Senat kann nicht nur nicht ausschließen, dass diese gänzlich über-
flüssigen Erwägungen, aus denen andererseits nicht ersichtlich wird, inwieweit
die vielfältigen und ambivalenten Aussagen der Geschädigten (vgl. UA S. 15 f.,
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18 f., 21, 23 f.,32 f., 35), die wiederholt darauf gedrungen hat, dass der Ange-
klagte nicht bestraft wird, ausreichend berücksichtigt worden sind, und sich so-
mit für den Angeklagten letztlich doch nachteilig bei der Bemessung der Frei-
heitsstrafe ausgewirkt haben. Sofern das mangelnde Bestrafungsinteresse der
Geschädigten (auch) selbstmotiviert gewesen sein sollte, dürfte dieses zudem
als weiterer mildernder Faktor in die Strafzumessung einzustellen sein.
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich Wer-
tungsfehler vorliegen. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen
treffen, soweit diese den bisherigen nicht widersprechen.
Nach Wegfall der Zuständigkeit des Schwurgerichts verweist der Senat
die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer
zurück (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 354 Rn. 42 mwN).
Fischer RiBGH Prof. Dr. Krehl Eschelbach
ist an der Unterschrifts-
leistung gehindert.
Fischer
Ott Zeng
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