Urteil des BGH vom 19.10.2016

Wohnung, Rauschgift, Einverständnis, Einwilligung

ECLI:DE:BGH:2016:191016B2STR272.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 272/16
vom
19. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Oktober 2016 ge-
mäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Aachen vom 9. März 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten
– unter Freisprechung im Übri-
gen
– wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit unerlaubtem
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten
verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die nicht näher ausgeführte Sachrü-
ge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1
- 3 -
I.
1. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte gemeinsam mit dem
Zeugen E. K. zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Früh-
jahr 2015 20 Gramm Marihuana von einem unbekannt gebliebenen Dritten auf
Kommissionsbasis, um dieses gewinnbringend weiter zu veräußern; das
Rauschgift wurde in der Wohnung des Zeugen E. K. aufbewahrt.
Nachdem der Verkäufer des Rauschgifts den Angeklagten zur Begleichung der
Schulden drängte, entschloss er sich am 8. April 2015 dazu, das Rauschgift aus
der Wohnung E. K. s zu holen, es zu verkaufen und die Schulden zu
bezahlen. Er begab sich gegen 17.30 Uhr zur Wohnung des Zeugen, kletterte
über eine im Hinterhof des Anwesens abgestellte Mülltonne und eine Abgren-
zungsmauer über die Brüstung des Balkons der in der ersten Etage gelegenen
Wohnung des Zeugen, drückte von außen die Balkontüre auf, betrat die Woh-
nung, nahm das Rauschgift an sich und verließ die Wohnung auf demselben
Weg.
Der Angeklagte wurde im Hinterhof des Wohngebäudes von einem
Nachbarn, dem Zeugen M. , zur Rede gestellt und erklärte diesem, dass er
den Wohnungsinhab
er kenne und „die Sache in Ordnung gehe“. In einem auf
Anregung des Angeklagten geführten Telefonat des Nachbarn mit dem Woh-
nungsinhaber, dem Zeugen E. K. , teilte dieser mit, dass er zur Woh-
nung kommen werde. Nachdem das Eintreffen des Zeugen sich verzögerte,
kehrte der Nachbar in seine Wohnung zurück und der Angeklagte entfernte
sich.
2. Das Landgericht hat zur Beweiswürdigung hinsichtlich des festgestell-
ten Sachverhalts lediglich Folgendes ausgeführt:
2
3
4
- 4 -
„Die vorstehenden Feststellungen zur Sache beruhen auf dem
glaubhaften Geständnis des Angeklagten, das dieser bereits vor
der Vernehmung des Zeugen E. K. abgegeben hat. Die
Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Angaben des
Angeklagten zu zweifeln, da diese
– bezogen auf den äußeren
Tatablauf
– durch die Bekundungen des Zeugen […] bestätigt
worden sind. Demgegenüber hat sich der Zeuge E. K. ,
der in Abrede gestellt hat, dass der Angeklagte Rauschgift aus
seiner Wohnung entwendet habe, und stattdessen von einem
MP3-Player und Bargeld in Höhe von 150 EUR sprach, wieder-
holt in Widersprüche verwickelt."
II.
Das Urteil kann keinen Bestand haben.
1. Die Feststellungen beruhen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdi-
gung. Die in den Urteilsgründen wiedergegebenen Beweiserwägungen sind
lückenhaft.
Das Landgericht teilt bereits den Inhalt des vom Angeklagten abgelegten
Geständnisses nicht mit. Der Senat vermag den Urteilsausführungen weder
ausdrücklich noch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der
Urteilsgründe sicher zu entnehmen, dass der Angeklagte
– entgegen seiner
Bekundung gegenüber dem Nachbarn
– gestanden hat, das Rauschgift ohne
Einverständnis des Gewahrsamsinhabers, des Zeugen E. K. , an sich
genommen zu haben. Bei dieser Sachlage erscheint weder die nach Lage der
Dinge nicht fernliegende Möglichkeit ausgeschlossen, dass der Angeklagte mit
5
6
7
- 5 -
Einverständnis oder Einwilligung des Zeugen E. K. handelte, um durch
die Veräußerung des Rauschgifts die
– gemeinsamen – Schulden zu beglei-
chen, noch ist belegt, dass er handelte, um sich zu Unrecht zu bereichern.
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Wohnungseinbruchsdieb-
stahls entzieht auch dem Schuldspruch wegen tateinheitlichen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln die Grundlage.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der
Tatrichter wird dabei auch Gelegenheit haben, den Anrechnungsmaßstab für
die in Belgien erlittene Auslieferungshaft zu bestimmen (§ 51 Abs. 4 Satz 2
StGB).
Fischer Krehl Eschelbach
Ott Bartel
8
9