Urteil des BGH vom 18.02.2016

Base, Verwechslung, Verfall, Produktion

ECLI:DE:BGH:2016:180216B2STR251.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 251/14
vom
18. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Februar 2016 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Aachen vom 19. August 2013 aufgehoben
a) im Fall II.2 der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch,
c) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit den
zugehörigen Feststellungen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs
Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 200.000
€ ange-
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ordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit Verfahrensrügen
und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem
aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im
Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
Nach den zu Fall II.1 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen miete-
ten der Angeklagte und der gesondert verfolgte Me. im August 2009 gegen
Zahlung von 20.000 € von dem Zeugen A. einen Einliegerhof in D. . In
einer auf dem Hof befindlichen Halle stellte Me. innerhalb eines Zeitraums
von drei Wochen für den Angeklagten mindestens 20 kg Amphetaminbase mit
einem Wirkstoffgehalt von 66 % Base her. Die Betäubungsmittel wurden in der
Folge durch den Angeklagten gewinnbringend weiterverkauft. An wen und auf
welche Weise der Angeklagte die Betäubungsmittel veräußert hat, konnte das
Landgericht nicht feststellen.
Im Fall II.2 der Urteilsgründe bestellte der gesondert verfolgte S.
am 10. August 2010 für den Angeklagten einen Container mit 1.000 kg Salzsäu-
re. Nachdem der Container am 16. August 2010 zur Firma des S. in M.
verbracht und auf dem Betriebsgelände abgestellt worden war,
erfolgte am 23. August 2010 die Verladung auf einen Lkw des Angeklagten und
am 27. August 2010 der Transport nach Ma. in den Niederlanden. Dort
wurde die Salzsäure zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem
11. Mai 2011 in einem Amphetaminlabor zur Herstellung von mindestens
150 kg Amphetamin-Base mit einem Wirkstoffgehalt von 66 % reiner Base ver-
wendet. Der Angeklagte, der für die Lieferung der Salzsäure zuständig war, be-
trieb das Amphetaminlabor entweder allein oder mit weiteren Tatbeteiligten und
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wirkte auch an der Produktion der Betäubungsmittel mit. Zudem war er an dem
Gewinn aus der später erfolgten Veräußerung der Betäubungsmittel beteiligt.
Auch hier konnte das Landgericht nicht feststellen, durch wen und auf welche
Weise die Betäubungsmittel veräußert worden sind.
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass aus der in den Fällen II.1
und II.2 hergestellten Amphetaminbase aufgrund Kristallisation mindestens
170 kg Amphetaminsulfat mit einem Wirkstoffgehalt von 58 % reiner Ampheta-
minbase gewonnen worden sind und hat des Weiteren angenommen, das Am-
phetaminsulfat sei
um das mindestens Fünffache „gestreckt“ und auf diese
Weise zu mindestens 850 kg Amphetaminsulfat mit einem Wirkstoffgehalt von
jeweils 10 % Amphetaminbase weiterverarbeitet worden. Die 850 kg Ampheta-
minsulfat seien anschließend an die Endabnehmer zu einem Preis von 2.000
je Kilogramm, mithin für insgesamt 1.700.000
€, verkauft worden. Dabei hat das
Landgericht
zugunsten des Angeklagten „unterstellt“, dass „bei der Weiter-
veräußerung vermutlich noch weitere Personen beteiligt waren“, so dass „sich
[der Angeklagte] den Veräußerungserlös mit weiteren Tatbeteiligten teilen
musste“. Aufgrund dessen hat das Landgericht die Anordnung des Wertersatz-
verfalls auf einen Betrag in Höhe von 200.000 € begrenzt.
II.
1. Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts keinen Erfolg, soweit der Angeklagte Verfahrensfehler
im Hinblick auf seine Verurteilung im Fall II.1 der Urteilsgründe geltend macht.
Auch die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat im Fall II.1
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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2. Dagegen ist der Schuldspruch im Fall II.2 aufgrund einer rechtsfehler-
haften Beweiswürdigung aufzuheben. Auf die gegen die Verurteilung in diesem
Fall gerichteten Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Ange-
klagten im Fall II.2 der Urteilsgründe maßgeblich darauf gestützt, der Container
mit 1.000 kg Salzsäure sei mit dem Lkw des Angeklagten zu dem Amphetamin-
labor in den Niederlanden transportiert worden. Als Beleg hierfür hat es die Be-
kundungen der Zeugin B. herangezogen. Zu dem Inhalt der Aussage der
Zeugin hat das Landgericht den Vernehmungsbeamten gehört. Dieser hat be-
richtet, die Zeugin habe ausgesagt, der Angeklagte habe den Lkw bei der Auto-
vermietung B. in M. am 1. Februar 2010 für 1.000
€ gekauft
und am 21. April 2010 dort abgeholt. Anlässlich des Verkaufs habe sich die
Zeugin den Namen „N. “ notiert und die entsprechende Aktennotiz zur Akte
gereicht. Auf einen Antrag der Verteidigung hat das Landgericht als wahr unter-
stellt, dass der Bruder des Angeklagten, der wegen Verstoßes gegen das Be-
täubungsmittelgesetz gesondert verfolgte T. X. , die Identität des
Angeklagten in der Vergangenheit für eigene Interessen genutzt hat; so habe
der Bruder des Angeklagten insbesondere im Jahr 1990 versucht, mit Ausweis-
dokumenten aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen. Darüber hinaus
hat es ausgeführt, dass die Zeugin B. in der Hauptverhandlung gegen den
Bruder
des Angeklagten „davon ausgegangen [war], dass der dortige Angeklag-
te T. X. der N. X.
sei“ (UA S. 23).
Gleichwohl hat es das Landgericht als ausgeschlossen erachtet, dass die
Zeugin B. den Angeklagten im Zusammenhang mit dem Kauf des Lkw`s
mit dessen Bruder verwechselt haben könnte. Gegen eine Verwechslung auf-
grund einer Täuschung durch den Bruder des Angeklagten spreche, dass die
Zeugin B. sowohl den Angeklagten als auch dessen Bruder aus gemein-
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samen Geschäften gekannt habe, da beide wiederholt Fahrzeuge bei ihr ange-
mietet hätten. Eine Verwechslung sei auch deswegen ausgeschlossen, weil der
Angeklagte und dessen Bruder von ihrem äußeren Erscheinungsbild her keine
Ähnlichkeiten aufwiesen. Daher spreche
„alles dafür, dass die Zeugin B. im
Rahmen ihrer Vernehmung im Parallelverfahren allein die Namen der Brüder
durcheinander gebracht [habe]“ (UA S. 23). Damit sei zugleich eine Verwechs-
lung durch die Zeugin B. bei der schriftlichen Dokumentation des Verkaufs-
vorgangs ausgeschlossen.
Diese Beweiswürdigung ist widersprüchlich. Zudem fehlt es an einer
nachvollziehbaren Tatsachengrundlage für die von dem Landgericht gezogene
Schlussfolgerung, es sei ausgeschlossen, dass die Zeugin den Angeklagten mit
dessen Bruder verwechselt habe. Die Beweiswürdigung erweist sich daher als
rechtsfehlerhaft (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 2 StR 4/15).
Es ist widersprüchlich, die Aussage der Zeugin B. in dem gegen den
Bruder des Angeklagten geführten Strafverfahren als Indiz gegen eine Identi-
tätsverwechslung heranzuziehen, da sich die Urteilsgründe nicht dazu verhal-
ten, ob sich die Zeugin in der Hauptverhandlung tatsächlich nur über den Na-
men des Angeklagten geirrt hatte oder ob die Fehlvorstellung auf einen Irrtum
über seine Identität zurückzuführen war. Zudem sind die von dem Landgericht
angeführten Umstände aufgrund ihres indifferenten Beweiswerts nicht geeignet,
die gezogene Schlussfolgerung einer bloßen Namensverwechslung zu tragen.
Dies gilt sowohl für die Annahme, die Zeugin habe den Angeklagten und des-
sen Bruder aufgrund der wiederholten Anmietung von Fahrzeugen gekannt, als
auch für die Erwägung, der Angeklagte und sein Bruder wiesen keine Ähnlich-
keiten im äußeren Erscheinungsbild auf. Beide Umstände schließen nicht aus,
dass die Zeugin den Angeklagten und dessen Bruder schon früher in Unkennt-
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nis über deren wahre Identität oder aufgrund bewusster Irreführung verwechselt
hat.
Es kann daher dahinstehen, ob die Revision auch aufgrund der Aufklä-
rungsrüge, mit der der Angeklagte die unterlassene Vernehmung der Zeugin
B. beanstandet hat, Erfolg gehabt hätte.
3. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.2 der Urteilsgründe entzieht
dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
4. Auch die Anordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73a StGB) hat in-
folge des Wegfalls der Verurteilung im Fall II.2 keinen Bestand. Darüber hinaus
erweist sich der Ausspruch auch deswegen als rechtsfehlerhaft, weil das Land-
gericht den Wert des
“aus der Tat“ Erlangten (§ 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a StGB)
unzutreffend berechnet hat.
Das Landgericht durfte dem Angeklagten nicht den gesamten durch den
Verkauf an die Endabnehmer erzielten Erlös als
„aus der Tat erlangt“ zurech-
nen. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte an dem
Verkauf des für die Endabnehmer bestimmten Produkts mitgewirkt oder an den
aus dem Verkauf erzielten Erlösen partizipiert hat. Da der Angeklagte an der
Produktion der Betäubungsmittel beteiligt war, lag diese Annahme auch nicht
ohne weiteres nahe. Im Rahmen der gemäß § 73b StGB zulässigen Schätzung
des Erlangten hätte das Landgericht vielmehr darauf abstellen müssen, in wel-
cher Höhe dem Angeklagten Erlöse aus dem Verkauf an Zwischenhändler zu-
geflossen sind. Darüber hinaus ist die Annahme, dem Angeklagten seien aus
dem Verkauf der Betäubungsmittel
jedenfalls 200.000 € zugeflossen, nicht trag-
fähig. Die Schätzung des Erlangten gemäß § 73b StGB erfordert stets eine hin-
reichend sichere Schätzgrundlage (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2001 - 5 StR
181/01, NStZ-RR 2001, 327, 328). Das Tatgericht muss aufgrund des Ergeb-
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nisses der Beweisaufnahme von der Richtigkeit der seiner Schätzung zugrunde
liegenden Annahmen überzeugt sein (BGH, Urteil vom 20. April 1989 - 4 StR
73/89, NStZ 1989, 361). Die Vermutung des Landgerichts, der Angeklagte habe
sich die Erlöse mit weiteren Tatbeteiligten teilen müssen, reicht hierfür nicht
aus. Damit ist insbesondere nicht rechtsfehlerfrei dargetan, dass der Angeklag-
te zumindest einen Betrag in Höhe von 200.000 € erlangt hat, zumal das Land-
gericht nicht offen gelegt hat, von wie vielen weiteren Tatbeteiligten es ausge-
gangen ist und welchen Anteil an den erzielten Erlösen der Angeklagte erhalten
hat.
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Ott RinBGH Dr. Bartel ist
wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung gehindert.
Fischer