Urteil des BGH vom 02.09.2015

Nötigung, Diebstahl, Strafbarkeit, Unterlassen

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 S t R 2 4 2 / 1 5
vom
2. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 2. September 2015
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Erfurt vom 9. Dezember 2014 mit den Feststellungen
aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-
kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Diebstahls in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu der Freiheitsstrafe
von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.
Die Revision der Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Das
Landgericht hat die Angeklagte entgegen § 265 Abs. 1 StPO nicht darauf hin-
gewiesen, dass auch eine tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung in Be-
tracht kommt.
Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom
29. Juni 2015 ausgeführt:
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"Die in zulässiger Weise ausgeführte Verfahrensrüge einer Verletzung
des § 265 StPO hat in vollem Umfang Erfolg und führt zur Aufhebung
des Urteils im Ganzen.
Die Strafkammer hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Angeklagte auf
die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts einer möglichen
– und
dann später erfolgten
– Verurteilung wegen Diebstahls in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung statt des ange-
klagten schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen hinzuweisen. Wie der
Revisionsführer zutreffend ausgeführt hat, ist auch das mildere Strafge-
setz regelmäßig ein anderes Gesetz im Sinne von § 265 Abs. 1 StPO
(Meyer-Goßner/Schmitt
– Meyer-Goßner, StPO, 58. Auflage 2015, § 265
StPO, Rn 9 mwN). Ein entsprechender
– unter Umständen auch konklu-
dent möglicher
– Hinweis insbesondere auf die Möglichkeit einer tatein-
heitlichen Verurteilung wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) ist nicht pro-
tokolliert und damit auch nicht erteilt worden. Bei den Schlussvorträgen
von Staatsanwaltschaft und Verteidigung ist lediglich die offensichtlich in
der Hauptverhandlung erörterte
– von der Anklage abweichende – Straf-
barkeit wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen in Tatmehr-
heit mit (einfachem) Diebstahl vermerkt (SA Bd. II, Bl. 356). Dass auch
die (vom Gericht schließlich auch angenommene) tateinheitlich verwirk-
lichte Nötigung erörtert worden wäre, lässt sich daraus nicht herleiten.
Dass das Urteil auf diesem Verfahrensverstoß beruht, hat der Revisions-
führer weiter zutreffend damit begründet, dass nicht ausgeschlossen
werden kann, dass sich die Angeklagte in Kenntnis dieser Veränderung
der rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens anders und möglicher-
weise wirkungsvoller, nämlich im Sinne des Ablegens eines (Teil-)Ge-
ständnisses, verteidigt hätte."
Dem schließt sich der Senat an.
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Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Eschelbach Franke Ott
Zeng Bartel
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