Urteil des BGH vom 02.07.2015

Strafzumessung, Anhörung, Auto, Vergleich

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 S t R 2 0 5 / 1 5
vom
2. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts, zu Ziffer 3 auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwer-
deführers am 2. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Neubrandenburg vom 11. Dezember 2014
a) im Strafausspruch zu den Fällen II.6 bis II.16 der Urteils-
gründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, schweren sexuellen Missbrauchs
von Kindern in dreizehn Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs von Kin-
dern in Tateinheit mit Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen zu einer
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Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen
richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das
Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Er-
folg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Ange-
klagte vor dem Mai 2004 in fünf Fällen die Geschädigten D. G. , gebo-
ren am 10. Juli 1990, und A. G. , geboren am 8. Juni 1991, indem er
die Kinder im Auto an ihrem Geschlechtsteil anfasste (Fälle II.1 bis II.5 der Ur-
teilsgründe). Im Frühjahr oder Sommer 2004 verbrachte er ein Wochenende
zusammen mit den Geschädigten beim Zelten auf U. . Dabei fasste er die
Kinder am Penis an und manipulierte daran (Fälle II.6 und II.7 der Urteilsgrün-
de). In der Zeit von August 2004 bis April 2005 missbrauchte er den Geschädig-
ten A. G. in fünf Fällen, indem er im Bett an dessen unbedecktem
Glied manipulierte (Fälle II.8 bis II.12 der Urteilsgründe). In den Sommerferien
des Jahres 2004 verbrachte der Angeklagte in Absprache mit der Mutter der
Kinder mit diesen zusammen eine Woche in einer Pension. Mindestens in einer
Nacht manipulierte er dort bei dem Geschädigten A. G. an dessen Pe-
nis (Fall II.13 der Urteilsgründe). Im Frühjahr oder Sommer 2004 streichelte und
küsste der Angeklagte den Penis des Geschädigten A. G. in seinem
Auto (Fall II.14 der Urteilsgründe). Bei zwei Übernachtungen der Geschädigten
in der Wohnung des Angeklagten im Mai und Juni 2005 fasste dieser den Ge-
schädigten A. G. am Geschlechtsteil an und manipulierte daran (Fälle
II.15 und II.16 der Urteilsgründe). Am Silvesterabend 2009 oder 2010 miss-
brauchte der Angeklagte den am 29. November 1998 geborenen T. B. ,
indem er unvermittelt in die Hose und an das Geschlechtsteil des Kindes griff
(Fall II.17 der Urteilsgründe).
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2. Das Landgericht hat die Taten in den Fällen II.1 bis II.16 der Urteils-
gründe nach § 176a Abs. 1 StGB bewertet, in den Fällen II.6, II.7 und II.13 der
Urteilsgründe auch in Tateinheit mit § 174 StGB, die Tat im Fall II.17 dagegen
mit Blick auf die zwischenzeitliche Rückfallverjährung nach § 176 Abs. 1 StGB.
II.
1. Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet,
soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Die zugrunde liegende Be-
weiswürdigung des Landgerichts und die rechtliche Würdigung sind nicht durch
den Senat zu beanstanden. Dies gilt auch im Hinblick auf die Voraussetzungen
der Rückfallqualifikation. Die Warnwirkung der früheren Verurteilung wegen
gleichartiger Taten ist hier im Hinblick auf die deshalb erfolgte Strafvollstre-
ckung nicht zweifelhaft.
2. Die Strafzumessung des Landgerichts in den Fällen II.1 bis II.5 und
II.17 ist rechtsfehlerfrei. Die Strafzumessung hat dagegen keinen Bestand, so-
weit die Strafkammer in den Fällen II.6 bis II.16 der Urteilsgründe - im Gegen-
satz zu den Fällen II.1 bis II.5 der Urteilsgründe - die Anwendung des Strafrah-
mens für einen minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs ab-
gelehnt hat.
Anhand der Urteilsbegründung ist nicht nachzuvollziehen, weshalb in
diesen Fällen eine besondere Unrechtssteigerung dadurch entstanden sein soll,
dass der Angeklagte einen Vertrauensbruch gegenüber der Mutter der Kinder
begangen habe; dieser war in ähnlicher Weise auch vorher schon erfolgt. Eine
erhebliche Steigerung der Intensität der Einwirkung durch sexuelle Handlungen
auf die Opfer im Vergleich mit den früheren Taten ist den Urteilsfeststellungen
auch nicht zu entnehmen. Die sexuellen Handlungen weisen insgesamt keine
besondere Intensität auf. Eine nachhaltige Beeinträchtigung der Geschädigten
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hat das Landgericht nicht festgestellt. Mit Blick auf die von ihm angeführten
Strafmilderungsgründe ist nicht auszuschließen, dass es bei der Verneinung
des Vorliegens minder schwerer Fälle von einem falschen Maßstab ausgegan-
gen ist und deshalb in den genannten Fällen zu hohe Einzelstrafen - zwischen
zwei Jahren und zwei Jahren sechs Monaten Freiheitsstrafe - festgesetzt hat.
Die Aufhebung der Einzelstrafen in den genannten Fällen zwingt zur
Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Fischer Krehl Eschelbach
Zeng Bartel
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