Urteil des BGH vom 26.11.2014

Unterbringung, Gehilfe, Einfluss, Verbrauch, Untersuchungshaft

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 3 2 / 1 4
vom
26. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der
Verhandlung,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der
Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Aachen vom 12. Dezember 2013 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie unerlaubter Einfuhr von Be-
täubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf eine Ver-
fahrensrüge und die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge gestützte Revisi-
on führt zur Aufhebung, soweit das Landgericht von der Anordnung der Unter-
bringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat; im Übrigen ist sie unbe-
gründet.
1. Die Rüge, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch ver-
letzt, dass es wesentliche Teile der Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des
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forensisch-psychiatrischen Sachverständigen durchgeführt habe, bleibt aus den
durch den Generalbundesanwalt dargelegten Gründen ohne Erfolg.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt weder
im Schuldspruch noch bei der Strafzumessung einen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten.
a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer bei
der Bemessung der Einzelstrafen strafschärfend die hohe Rückfallgeschwindig-
keit (Tat II.
1.) bzw. berücksichtigt hat, „dass auch die wiederholte, zum Teil
mehrjährige Verbüßung von Strafhaft wegen einschlägiger Straftaten auf den
Angeklagten offenbar keinen nachhaltigen Einfluss ausüben konnte“ (Tat II. 2.).
Dem Umstand, dass der Angeklagte bei Begehung der Taten in seiner Steue-
rungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war, hat das Landgericht durch eine
– weitere – Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 StGB hinsichtlich der Tat vom
22. August 2013 bzw. hinsichtlich der Tat vom 7. Juni 2013 durch Anwendung
des geminderten Strafrahmens des § 30 Abs. 2 BtMG unter Verbrauch des § 21
StGB Rechnung getragen. Darüber hinaus hat die Strafkammer in beiden Fäl-
len ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte als langjäh-
riger Drogenkonsument in besonderem Maße tatgeneigt war.
b) Dass die Kammer im Fall II. 2. der Urteilsgründe einen Schuldspruch
wegen tateinheitlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
– sei es als Täter oder als Gehilfe – abgelehnt hat, beschwert den An-
geklagten ebenso wenig, wie die rechtlich bedenkliche strafmildernde Berück-
sichtigung der erlittenen Untersuchungshaft, ohne dass die Strafkammer kon-
krete Feststellungen zu den Angeklagten besonders beschwerenden Umstän-
den oder Folgen des Haftvollzuges getroffen hätte.
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3. Dagegen hält die Ablehnung einer Unterbringung des Angeklagten
nach § 64 StGB rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht begründet seine Entscheidung lediglich mit der Thera-
pieunwilligkeit des Angeklagten und verkennt dabei, dass dieser Umstand nur
ein Indiz für das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht ist und es
regelmäßig der Prüfung bedarf, ob die konkrete Aussicht besteht, die Therapie-
bereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung zu wecken (BGH, Urteil
vom 31. Juli 2013
– 2 StR 620/12; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 64 Rn. 20, jeweils
mwN).
Diese Prüfung war hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil der
Angeklagte bereits eine Vielzahl fehlgeschlagener Rückstellungsversuche nach
§ 35 BtMG und eine Unterbringung nach § 64 StGB hinter sich hatte. Die Un-
terbringung in der Entziehungsanstalt liegt fast 20 Jahre zurück. Außerdem hat
der Angeklagte im Jahre 2003 eine stationäre Drogentherapie absolviert, die
zumindest für einen gewissen Zeitraum Erfolg hatte. Darüber hinaus sind die
Ausführungen der Strafkammer widersprüchlich, soweit sie die Erfolgsaussicht
im Rahmen des § 64 StGB wegen Therapieunwilligkeit des Angeklagten ver-
neint, jedoch die Voraussetzungen einer Maßnahme nach § 35 BtMG, die eine
Therapiezusage seitens des Angeklagten voraussetzen würde, „unproblema-
tisch“ als gegeben ansieht (UA 20). Diese Einschätzung spricht auch dafür,
dass die Therapiebereitschaft des Angeklagten als Voraussetzung einer Anord-
nung nach § 64 StGB bei dem Angeklagten zumindest geweckt werden kann.
Soweit die Strafkammer auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer
Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG verweist, verkennt sie im
Übrigen, dass die Maßregel nach § 64 StGB gegenüber der Zurückstellung
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nach § 35 BtMG vorrangig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. März
2010
– 2 StR 34/10, StV 2010, 678).
Der Senat weist schließlich darauf hin, dass Ausführungen des Tatrich-
ters zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 BtMG nicht veranlasst sind.
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