Urteil des BGH vom 07.03.2016

Gewaltanwendung, Wegnahme, Haus, Mittäterschaft

ECLI:DE:BGH:2016:070316B2STR123.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 123/15
vom
7. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 7. März 2016 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des
Landgerichts Stralsund vom 1. Dezember 2014, auch soweit es
den Mitangeklagten S. betrifft, mit den Feststellungen auf-
gehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-
mer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen besonders schwe-
ren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheits-
strafe von drei Jahren und neun Monaten, den nicht revidierenden Mitangeklag-
ten S. wegen des gleichen Schuldvorwurfs zu einer Freiheitsstrafe von
drei Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revi-
sion des Angeklagten K. hat Erfolg und ist auf den nicht revidierenden Mit-
angeklagten zu erstrecken.
1. Die (tateinheitliche) Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Nach den Feststellungen drangen beide Angeklagte am 2. Juni 2014
gegen 8.30 Uhr in einen Bungalow in A. ein, um daraus Stehlenswertes
zu entwenden. Dabei gingen sie davon aus, dass sich niemand in dem Haus
befindet. Als einer der Angeklagten aber die Tür eines der Schlafzimmer öffne-
te, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass darin eine Person schlief, die
durch den Lichteinfall geweckt wurde. Es handelte sich bei ihr um die dort nicht
wohnhafte Tochter des Hauseigentümers, B. ; diese begab sich unmit-
telbar nach dem Erwachen zu der Schlafzimmertür, die der Täter sofort wieder
geschlossen hatte und die nunmehr zugehalten wurde. Frau B. fing an zu
schreien und hämmerte gegen die Tür, woraufhin sich zumindest einer der bei-
den Angeklagten entschloss, sie mit Gewalt einzuschüchtern, um ungestört die
Wegnahme weiterer Gegenstände aus dem Haus zu ermöglichen. Hierzu öffne-
te dieser Täter die Tür einen Spalt breit und sprühte Frau B. aus kurzer Dis-
tanz Pfefferspray mitten ins Gesicht, bevor die Tür wieder geschlossen wurde.
Schon zuvor und währenddessen hörte die Zeugin, wie sich zwei Personen in
polnischer Sprache unterhielten. Zumindest jetzt hatte sich auch der zweite An-
geklagte mit dem Vorgehen gegen Frau B. einverstanden erklärt; zugleich
entschlossen die Angeklagten sich, das Tatopfer einzuschließen, indem sie
- um weiter ungehindert nach Beute suchen zu können - eine schwere Couch
vor die Tür des Schlafzimmers schoben. Die Angeklagten setzten ihre Suche
nach stehlenswerten Gegenständen fort, wurden dabei aber von der Polizei
gestört, die von der Zeugin B. mittels ihres Handys herbeigerufen worden
war. Beide Angeklagte ergriffen die Flucht. Der Mitangeklagte S. wurde in
der Nähe des Hauses von Polizeibeamten gestellt, der Angeklagte K.
konnte zunächst entkommen und wurde erst ca. eine Stunde später einige Ki-
lometer vom Tatort entfernt festgenommen. Die Pfefferspraydose wurde auf
dem Fluchtweg des Angeklagten K. gefunden.
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b) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass beide Angeklagte zu-
nächst im Hinblick auf einen Wohnungseinbruchsdiebstahl arbeitsteilig gehan-
delt hätten, und hat im Übrigen dahinstehen lassen, ob ein eventueller Einsatz
des Sprays vorab zwischen den Angeklagten vereinbart gewesen sei bzw. ob
der jeweilige Mittäter überhaupt gewusst habe, dass der andere ein Pfeffer-
spray bei sich führe und dies gegebenenfalls zum Einsatz bringen wollte. Un-
abhängig davon, dass sich Feststellungen dazu, wer das Spray gegen die Zeu-
gin B. eingesetzt hatte, nicht treffen ließen, war die Strafkammer sodann der
Ansicht, dass sich beide Angeklagte den Einsatz des Pfeffersprays zurechnen
lassen müssten (UA S. 63 f.). Denn der nicht sprayende Täter habe sich spä-
testens (jedenfalls) den Einsatz des Sprays zu eigen gemacht, als er dem Mittä-
ter geholfen habe, die Couch vor die Tür zu schieben, und trotz Kenntnis der
Gewaltanwendung mit den Wegnahmehandlungen fortgefahren sei.
c) Dies begegnet mit Blick auf die Annahme einer gefährlichen Körper-
verletzung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zu Recht ist das Landgericht
zwar davon ausgegangen, dass die getroffene Feststellung zur Zurechnung der
Gewaltanwendung im Hinblick auf die noch nicht vollendete Wegnahme von
Sachen und damit zur Verurteilung wegen besonders schweren Raubes (statt
Wohnungseinbruchsdiebstahls) führt. Für die Annahme sukzessiver Mittäter-
schaft des jeweils nicht sprayenden Angeklagten ist in Bezug auf den Tatbe-
stand der gefährlichen Körperverletzung aber kein Raum. Nach der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofes zieht bei einem Geschehen, welches schon
vollständig abgeschlossen ist, das Einverständnis des später Hinzutretenden
trotz Kenntnis, Billigung oder Ausnutzung der durch den anderen Mittäter ge-
schaffenen Lage eine strafbare Verantwortung für das bereits abgeschlossene
Geschehen nicht nach sich (st. Rspr.; zuletzt Senat, BGHR StGB § 25 Abs. 2
Mittäter 37). So liegt der Fall hier. Als die beiden Angeklagten die Couch vor die
Tür schoben, war die zuvor begangene Körperverletzung bereits beendet. Zu-
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verlässige Feststellungen, dass der nicht sprayende Angeklagte den Einsatz
des Sprays schon vorher, d.h. vor dessen Beendigung, gemerkt und gebilligt
haben könnte, hat das Landgericht - auch mit Blick auf zuvor geführte Gesprä-
che unter den Angeklagten - ersichtlich nicht treffen können.
Kommt aufgrund der getroffenen Feststellungen die Annahme sukzessi-
ver Tatbegehung nicht in Betracht, scheidet - nachdem sich das Landgericht
nicht davon zu überzeugen vermocht hat, dass der Angeklagte K. selbst
das Pfefferspray eingesetzt hat - eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körper-
verletzung aus. Dies führt auch zur Aufhebung des an sich rechtsfehlerfreien
Schuldspruchs wegen besonders schweren Raubes. Der Senat kann nicht aus-
schließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getrof-
fen werden können, die auch zu einem Schuldspruch wegen (tateinheitlicher)
gefährlicher Körperverletzung führen können.
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2. Die Entscheidung war auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten
S. zu erstrecken (§ 357 StPO). Auch insoweit hat das Landgericht den
Einsatz des Pfeffersprays rechtsfehlerhaft im Wege sukzessiver Tatbeteiligung
als gefährliche Körperverletzung zugerechnet.
Fischer Krehl Eschelbach
Zeng Bartel
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