Urteil des BGH vom 21.10.2014

Ausschluss der Öffentlichkeit, Methamphetamin, Unterbringung, Beihilfe, Rüge

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 7 8 / 1 4
vom
21. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. Oktober 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Würzburg vom 9. August 2013 mit den
Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II.A.4. der Urteilsgründe
verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs ei-
nes Teils der Freiheitsstrafen vor dem Maßregelvoll-
zug.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und
die Revision des Angeklagten werden verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen sowie we-
gen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht ge-
ringer Menge unter Einbeziehung von Strafen aus zwei früheren Verurteilungen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt.
Darüber hinaus hat es ihn der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge schuldig gesprochen und dafür gegen ihn eine Freiheits-
strafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt (Fall II.A.4. der Urteils-
gründe). Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
angeordnet und einen Vorwegvollzug von einem Jahr und fünf Monaten be-
stimmt. Von zwei weiteren Vorwürfen des Handeltreibens mit Betäubungsmit-
teln in nicht geringer Menge ist er freigesprochen worden.
Der Angeklagte wendet sich mit mehreren Verfahrensrügen und der nä-
her ausgeführten Sachrüge gegen seine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft
hat ihr Rechtsmittel überwiegend zu Ungunsten, im Hinblick auf die Unterbrin-
gung in der Entziehungsanstalt aber auch zu Gunsten des Angeklagten einge-
legt. Sie erhebt ebenfalls zahlreiche Verfahrensbeanstandungen und die aus-
geführte Sachrüge. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist erfolglos. Die vom
Generalbundesanwalt teilweise vertretene Revision der Staatsanwaltschaft er-
zielt lediglich den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
A.
Nach den Feststellungen des Landgerichts veräußerte der Angeklagte in
wenigstens sieben Fällen jeweils mindestens 20
g Methamphetamin („Crystal-
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Speed“) mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils wenigstens 40 % zu einem
Grammpreis von zumindest 30 Euro an seine Tochter, die Zeugin
W. bzw. an deren Lebensgefährten, den Zeugen S. . Der Angeklag-
te nahm dabei billigend in Kauf, dass die Zeugen ihrerseits den Großteil dieser
Betäubungsmittel an den Zeugen I. zu einem Grammpreis von 60 Euro wei-
ter veräußerten. Dem Angeklagten, der zeitweilig als V-Person für das Bayeri-
sche Landeskriminalamt tätig war, kam es darauf an, den Zeugen I. gleich-
sam „anzufüttern“, um diesen später gegenüber dem Landeskriminalamt als
Betäubungsmittelstraftäter benennen zu können und dafür eine finanzielle Ent-
lohnung zu erhalten (Taten II.A.3. der Urteilsgründe).
Weiterhin hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich mit
dem Zeugen H. auf einem Autohof getroffen hatte. Kurz nach diesem etwa
halbstündigen Treffen wurde der Zeuge von einer Polizeistreife kontrolliert. Er
führte dabei rund 63 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffkonzentration von
63,7 % bei sich. Das Tatgericht hat den genauen Ablauf des vorausgegange-
nen Treffens mit dem Angeklagten nicht zu klären vermocht. Es hat aber fest-
gestellt, dass lediglich zwei Abläufe in Frage kommen: Entweder brachte der
Zeuge das Methamphetamin bereits zu dem Treffen mit und bat den im Um-
gang mit diesem Rauschgift erfahrenen Angeklagten um eine Prüfung der Qua-
lität, bevor der Zeuge es an eine dritte Person weiterverkaufen wollte, wobei der
Angeklagte die Prüfung vornahm und eine gute Qualität bescheinigte. Oder der
Angeklagte verkaufte dem Zeugen die Drogen zu einem Grammpreis von 60
Euro, wobei er dem Zeugen eine spätere Zahlung einräumte. Eine dritte Ge-
schehensvariante hat das Landgericht ausgeschlossen (Tat II.A.2. der Urteils-
gründe).
Während einer polizeilichen Kontrolle des von dem Angeklagten geführ-
ten Fahrzeugs wurde in dessen Kleidung insgesamt 9,71 g Methamphetamin
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mit einem Wirkstoffgehalt von 75 % aufgefunden. Das Rauschgift hatte der An-
geklagte zuvor in der Tschechischen Republik erworben und in die Bundesre-
publik verbracht. In der Fahrertür seines Fahrzeugs befand sich, wie der Ange-
klagte wusste, während
der Beschaffungsfahrt ein „Einhandmesser“. „Ob der
Angeklagte dieses Messer zu dem Zweck bei sich führte, Dritte zu verletzen“
(UA S. 20), hat das Landgericht nicht mit Sicherheit festzustellen vermocht (Tat
II.A.4. der Urteilsgründe).
B.
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
I.
Ein der Verurteilung des Angeklagten entgegenstehendes Verfah-
renshindernis besteht nicht. Soweit er ein solches auf eine rechtsstaatswidrige
Tatprovokation (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) stützen will, begründete ein derar-
tiger Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade kein Verfahrenshindernis
(BGH, Urteile vom 23. Mai 1984
– 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 355; vom
18. November 1999
– 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 324 ff.; vom 11. De-
zember 2013
– 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 280 Rn. 37 mwN). Im Übrigen
ergeben sich aus den Urteilsgründen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen
der Voraussetzungen einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verletzenden rechts-
staatswidrigen Tatprovokation (zu den Voraussetzungen BGH, Urteile vom
18. November 1999
– 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 326 ff.; vom 30. Mai 2001
– 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 ff.; Beschluss vom 11. Mai 2010 – 4 StR
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117/10, NStZ-RR 2010, 289 [nur LS]; Urteil vom 11. Dezember 2013
– 5 StR
240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 f.). Die vom Landgericht nicht ausge-
schlossene Kenntnis eines Führungsbeamten des Angeklagten bei dem Baye-
rischen Landeskriminalamt von dessen Betäubungsmittelgeschäften stellt er-
sichtlich keine solche Provokation dar.
Sollen
– wie hier – nicht aus den Urteilsgründen ersichtliche Umstände
eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation begründen, bedarf es der Erhebung
einer den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfah-
rensrüge (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2000
– 3 StR 245/00, NStZ 2001,
53; vom 11. Mai 2010
– 4 StR 117/10, NStZ-RR 2010, 89; siehe auch Be-
schluss vom 26. Mai 2004
– 2 ARs 33/04, StraFo 2004, 356 mwN). Daran fehlt
es.
II.
Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
1. Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des
Verfahrens (§ 338 Nr. 6 StPO hier i.V.m. § 172 Nr. 1a GVG) ist nicht gemäß
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig ausgeführt.
Um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, müssen die den
behaupteten Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau und voll-
ständig mitgeteilt werden, dass das Revisionsgericht im Sinne einer vorwegge-
nommenen Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Akten beurteilen kann,
ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tat-
sachen bewiesen werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2013
– 1 StR
602/12, NStZ 2013, 672; vom 11. März 2014
– 1 StR 711/13, NStZ 2014, 532 f.
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jeweils mwN). Diese Prüfung wird dem Senat im Hinblick auf den von der Revi-
sion behaupteten Verfahrensfehler nicht ermöglicht.
Es fehlt an Tatsachenvortrag zu dem Inhalt des von dem Zeugen KHK
K. während seiner unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgten Vernehmung
übergebenen „grünen Zettels“. Da die Revision den Verfahrensfehler in der In-
augenscheinnahme dieses „Zettels“ durch die Verfahrensbeteiligten bei fortbe-
stehendem Öffentlichkeitsausschluss sieht, hätte sie den ihr nach der Beweis-
erhebung durch Augenschein ersichtlich bekannten I
nhalt des „Zettels“ vortra-
gen müssen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend
ausgeführt hat, ist dem Senat ansonsten die Prüfung nicht möglich, ob der
„grüne Zettel“ in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vernehmung des Zeu-
gen steht und daher die Öffentlichkeit auch während der Augenscheinseinnah-
me ausgeschlossen bleiben durfte (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1987
– 4 StR 614/87, NStZ 1988, 190). Nach ständiger Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs umfasst die Anordnung des Ausschlusses für die Dauer der
Vernehmung eines Zeugen alle Vorgänge, die mit der Vernehmung im Zusam-
menhang stehen oder sich aus ihr entwickeln und daher zu diesem Verfah-
rensabschnitt gehören (siehe nur BGH, Urteil vom 9. November 1994
– 3 StR
420/94, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 8 mwN).
2. Die Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 5 Satz 2 bzw. § 244 Abs. 3
Satz 2 StPO hinsichtlich der Vernehmung der Zeugin R. bleibt aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. April 2014 ohne
Erfolg. Das gilt auch insoweit, als neben der behaupteten rechtsfehlerhaften
Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung der genannten Zeugin ein Ver-
stoß gegen die Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) geltend gemacht
wird. Die Ablehnung von Beweisanträgen gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO
erfolgt nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht (BGH, Urteil vom 18. Januar
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1994
– 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; KK-StPO/Krehl, 7. Aufl., § 244
Rn. 212 mwN). Ist ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen
anhand dieses Maßstabs ohne Rechtsfehler abgelehnt worden, liegt auch kein
Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO vor.
III.
Die umfassende Prüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat keinen den
Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erbracht.
1. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, enthält ins-
besondere die Beweiswürdigung des Landgerichts im Hinblick auf die Kenntnis
von Beamten des Bayerischen Landeskriminalamts von den Betäubungsmittel-
taten des Angeklagten auch unter Berücksichtigung der seitens des Bayeri-
schen Innenministeriums abgegebenen Sperrerklärungen keine Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist im Übri-
gen ebenfalls rechtsfehlerfrei.
2. Auf der Grundlage derart erfolgter Feststellungen hat das Landgericht
den Angeklagten im Fall II.A.2. der Urteilsgründe ohne Rechtsfehler wegen
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben des Zeugen H. mit Betäubungsmit-
teln in nicht geringer Menge verurteilt. Da es sich nach Erfüllung seiner Pflicht
zu umfassender Sachverhaltsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht davon hat
überzeugen können, welcher der beiden allein in Betracht kommenden Ge-
schehensabläufe sich tatsächlich zugetragen hat, ist es im Ergebnis unter An-
wendung des Zweifelsgrundsatzes von der für den Angeklagten günstigeren
Variante ausgegangen. Dies führt zur Verurteilung wegen Beihilfe zu der Haupt-
tat des Zeugen H. .
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3. Dass das Landgericht bei der Strafzumessung hinsichtlich der Taten
II.A.2. sowie II.A.3. der Urteilsgründe die angenommene Kenntnis des Zeugen
KHK K. von den Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten zu dessen
Gunsten berücksichtigt hat, beschwert diesen ersichtlich nicht. Für eine noch
weitergehende Berücksichtigung bestand kein Anlass. Die ohne Rechtsfehler
getroffenen Feststellungen bieten keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
rechtsstaatswidrigen Tatprovokation durch Beamte des Bayerischen Landes-
kriminalamts (B.I.).
C.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat zu Ungunsten des Angeklagten
Erfolg, soweit im Fall II.A.4. der Urteilsgründe die Verurteilung lediglich wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30
Abs. 1 Nr. 4 BtMG) erfolgt ist. Im Übrigen dringt sie weder zu Ungunsten noch
zu Gunsten des Angeklagten durch.
I.
Die Feststellungen des Landgerichts zu der Tat II.A.4. der Urteilsgründe
sowie die zugrundeliegende Beweiswürdigung tragen nicht die rechtliche Wer-
tung, eine bewaffnete Einfuhr i.S.d. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG scheide aus, weil
die Zweckbestimmung des mitgeführten Messers zur Verletzung von Personen
nicht sicher habe festgestellt werden können (UA S. 86).
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1. Das Landgericht hat bei der Beweiswürdigung und den darauf beru-
henden Feststellungen nicht den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt ge-
wählt.
Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Tä-
ter den bei der Tatbegehung mit sich geführten Gegenstand, wenn es sich bei
diesem
– wie hier – nicht um eine Schusswaffe handelt, zur Verletzung von
Personen bestimmt hat. Um dieses Qualifikationsmerkmal zu verwirklichen,
bedarf es einer darauf gerichteten Zweckbestimmung des Täters (BGH, Be-
schlüsse vom 25. Mai 2010
– 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98; vom 6. November
2012
– 2 StR 394/12, StV 2013, 704; vom 8. Januar 2014 – 5 StR 542/13, NStZ
2014, 466 mwN). Eine solche Zweckbestimmung muss grundsätzlich vom
Tatrichter näher festgestellt und begründet werden. Das Landgericht hat aller-
dings nicht erkennbar bedacht, dass solche näheren Feststellungen zur
Zweckbestimmung durch den Täter nicht erforderlich sind, wenn es sich bei
dem mitgeführten Gegenstand um eine sogenannte gekorene Waffe i.S.v. § 1
Abs. 2 Nr.
2b WaffG („tragbare Gegenstände“) handelt; bei derartigen Waffen
liegt die Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen ohne weitere Feststel-
lungen regelmäßig auf der Hand (BGH, Beschlüsse vom 6. November 2012
– 2 StR 394/12, StV 2013, 704; vom 8. Januar 2014 – 5 StR 542/13, NStZ
2014, 466). Gekorene Waffen sind die von Anlage 1 Abschnitt 1 Unterab-
schnitt 2 Nr. 2.1. zu § 1 Abs. 4 WaffG erfassten Gegenstände, zu denen u.a.
Springmesser, Fallmesser, Faustmesser sowie Butterfly- oder Faltmesser ge-
hören (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 30a Rn. 114 mwN).
Die Feststellungen des Landgerichts erschöpfen sich in der Bezeichnung
des von dem Angeklagten im Transportfahrzeug mitgeführten Gegenstandes
als „Einhandmesser“. Diese Bezeichnung legte eine Prüfung nahe, ob es sich
bei dem Messer um eine gekorene Waffe in dem vorgenannten Sinne handelte.
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Sämtliche der vorgenannten Messertypen (zu den Anforderungen an die Be-
schaffenheit im Einzelnen Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1.1. bis
Nr. 2.1.4. zu § 1 Abs. 4 WaffG sowie Heinrich in Münchener Kommentar zum
StGB, Band 8, 2. Aufl., § 1 WaffG Rn. 125 - 128) als gekorene Waffen lassen
sich als „Einhandmesser“ bezeichnen. Da das Landgericht über die Bezeich-
nung als „Einhandmesser“ hinaus keinerlei nähere Beschreibung der Beschaf-
fenheit des Messers vorgenommen hat, ist nicht zu erkennen, ob es sich um
ein Einhandmesser im Sinne von § 42a Abs. 1 Nr. 3 WaffG oder um eines der
vorgenannten Messertypen als „tragbare Gegenstände“ gemäß § 1 Abs. 2
Nr. 2b WaffG und damit um gekorene Waffen handelte.
Das Landgericht hat seiner Beweiswürdigung, in der es auf eine tatsäch-
liche Zweckbestimmung durch den Angeklagten abgestellt hat, wegen seines
rechtsfehlerhaften Maßstabs überspannte Anforderungen an das Vorliegen des
Qualifikationsmerkmals gestellt. Da bei gekorenen Waffen die notwendige
Zweckbestimmung regelmäßig auf der Hand liegt, ist nicht auszuschließen,
dass es bei zutreffendem rechtlichen Ausgangspunkt zu einer anderen Würdi-
gung gelangt wäre.
2. Der Senat hebt die insoweit getroffenen Feststellungen insgesamt auf,
um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu den Vorausset-
zungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zu ermöglichen. Diese eröffnen dem neu-
en Tatrichter für den Fall, dass es sich bei dem mitgeführten Messer um eine
Waffe in dem vorgenannten Sinne handeln sollte, auch die Möglichkeit, das
Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 30a Abs. 3 BtMG unter Be-
rücksichtigung der dafür maßgeblichen Umstände in den Blick zu nehmen.
3. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.A.4. der Urteilsgründe erfor-
dert, den Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs aufzuheben. Die die-
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sem zugrundeliegende Berechnung des Landgerichts geht von der Summe der
Gesamtfreiheitsstrafe und der jetzt weggefallenen gesonderten Freiheitsstrafe
für den Fall II.A.4. aus. Damit entfallen auch die diesbezüglichen Feststellun-
gen.
II.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des
Angeklagten erzielt keinen Erfolg.
1. Die zahlreichen erhobenen Verfahrensrügen dringen aus den in der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch. Le-
diglich ergänzend verweist der Senat darauf, dass die Rüge der Verletzung der
Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) im Zusammenhang mit der unterbliebe-
nen Vernehmung des Zeugen Sc. nicht ordnungsgemäß (§ 344 Abs. 2
Satz 2 StPO) ausgeführt ist. Es mangelt u.a. an der Angabe konkreter Beweis-
tatsachen. Soweit eine Verletzung von § 261 StPO hinsichtlich früherer Aussa-
gen des Zeugen I. gerügt wird, genügt das Vorbringen ebenfalls nicht den
gesetzlichen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
2. Die auf die Taten zu II.A.2. und 3. der Urteilsgründe sowie den Teil-
freispruch bezogenen Sachrüge ist gleichfalls erfolglos.
a) Der Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf zweier weiterer Ta-
ten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Ziffern
1 und 2 der Anklage vom 20. August 2012) hält rechtlicher Überprüfung stand.
Das Landgericht hat das Aussageverhalten der Zeugin W. und des Zeu-
gen S. ausführlich gewürdigt und in nicht zu beanstandender Weise dar-
gelegt, warum es sich nicht von den zur Verurteilung erforderlichen tatsächli-
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chen Umständen hat überzeugen können. Rechtsfehler in der Beweiswürdi-
gung liegen
– wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – nicht
vor.
b) Entsprechendes gilt für die Verurteilung des Angeklagten wegen Bei-
hilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge (Fall II.A.2. der Urteilsgründe). Auf die Ausführungen zu B.III. wird ver-
wiesen.
c) Die Strafzumessung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Die
zugunsten des Angeklagten erfolgte Berücksichtigung der Kenntnis des Zeugen
KHK K. von den Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten beruht auf
einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und hält sich strafzumessungsrecht-
lich innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums.
d) Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausführlich
dargelegten Gründen ist die Anordnung der Maßregel des § 64 StGB ebenso
ohne Rechtsfehler erfolgt wie das Unterbleiben der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB. Die auf die Unterbringungsvo-
raussetzungen des § 64 StGB abzielenden Verfahrensrügen der Staatsanwalt-
schaft dringen aus den bereits genannten Erwägungen (C.II.1.) nicht durch.
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III.
Die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bezogene Revision der
Staatsanwaltschaft bleibt aus den Gründen des vorstehenden Absatzes erfolg-
los.
Raum Rothfuß Jäger
Radtke Mosbacher
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