Urteil des BGH vom 09.08.2016

Eigenes Verschulden, Fristversäumnis, Verfassungsbeschwerde, Hinderungsgrund

ECLI:DE:BGH:2016:090816B1STR52.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 52/16
vom
9. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
hier: Anhörungsrüge
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. August 2016 beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 13. Juli 2016 gegen
den Beschluss des Senats vom 31. Mai 2016 und sein Antrag
auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur
Einlegung der Anhörungsrüge werden auf seine Kosten zu-
rückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Land-
gerichts Mannheim mit Beschluss vom 31. Mai 2016 als unbegründet verwor-
fen. Mit Schreiben vom 8. Juli 2016, beim Senat am 13. Juli 2016 eingegangen,
erhebt der Verurteilte die Anhörungsrüge. Er macht geltend, es sei schon des-
wegen nicht glaubhaft, dass der Senat sich in dem erforderlichen Umfang mit
der Revision befasst habe, da dieser sonst hätte erkennen müssen, dass das
im Urteil geschilderte Geschehen sehr unwahrscheinlich und daher unbewie-
sen, das Urteil mithin willkürlich sei. Er habe deswegen noch am 13. Juni 2016
Verfassungsbeschwerde erhoben. Durch Schreiben des Bundesverfassungsge-
richts, das ihn am 7. Juli 2016 erreicht habe, sei er erst über den „zutreffenden
Rechtsbehelf“ des § 356a StPO belehrt worden. Wegen der gegen ihn voll-
streckten Freiheitsentziehung sei es ihm
„nicht gelungen, kurzfristig die zutref-
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fenden Formalia ausfindig zu machen“. Deswegen beantrage er wegen einer
möglichen Fristversäumung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
II.
1. Die Anhörungsrüge erweist sich bereits als verspätet und daher unzu-
lässig. Die Anhörungsrüge nach § 356a StPO ist binnen einer Woche nach
Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu stellen. Dabei geht es
nur um die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der Verstoß
ergibt (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2005
– 2 StR 444/04, NStZ 2005, 462;
vom 7. März 2006
– 5 StR 362/05, Rn. 3; vom 16. Mai 2006 – 4 StR 110/05,
Rn. 3, NStZ 2007, 236 und vom 13. August 2008
– 1 StR 162/08, Rn. 7, wistra
2009, 33). Dies ist hier der Senatsbeschluss vom 31. Mai 2016, der dem Verur-
teilten am 13. Juni 2016 zugegangen ist.
Auf das Wissen um die Bedeutung der Einlegung der Gehörsrüge ge-
mäß § 356a StPO als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Verfassungsbe-
schwerde im Hinblick auf das Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs
(§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) kommt es nicht an. Das vom Verurteilten be-
hauptete Schreiben des Bundesverfassungsgerichts, welches ihm am 7. Juli
2016 zugegangen sein soll, ist deshalb insoweit ohne Belang.
2. Auch das Wiedereinsetzungsgesuch bleibt erfolglos.
a) Der Verurteilte hat schon nicht dargelegt, dass er ohne Verschulden
gehindert war, von dem befristeten Rechtsbehelf des § 356a StPO Gebrauch
zu machen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung
der Antragsfrist des § 356a StPO ist zwar im Grundsatz nicht ausgeschlossen,
jedoch sind an die Voraussetzungen fehlenden Verschuldens an der verspäte-
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ten Einlegung des Rechtsbehelfs hohe Anforderungen zu stellen (BGH, Be-
schlüsse vom 13. August 2008
– 1 StR 162/08, wistra 2009, 33 und vom
6. Februar 2009
– 1 StR 541/08, NStZ 2009, 470).
aa) Soweit der Verurteilte seine Fristversäumnis daran festmacht, dass
ihm mit dem Senatsbeschluss keine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt worden ist,
so führt dies nicht zur Wiedereinsetzung. Denn eine solche Belehrung über den
außerordentlichen Rechtsbehelf des § 356a StPO ist vom Gesetz (vgl. § 35a
StPO) nicht vorgesehen, damit ist auch der Anwendungsbereich des § 44
Satz 2 StPO nicht eröffnet.
bb) Auch im Übrigen schließt der Vortrag des Verurteilten eigenes Ver-
schulden an der Fristversäumnis nicht aus. So teilt er schon nicht mit, wann ihm
die Möglichkeit eröffnet gewesen wäre, sich über die Rechtsbehelfsmöglichkei-
ten zu erkundigen. Seine nicht näher konkretisierte Angabe, es sei ihm nicht
kurzfristig möglich gewesen, hierzu zu recherchieren, lässt schon den Hinde-
rungsgrund nicht konkret erkennen. Jedenfalls aber trägt er nicht vor, wann er
erstmals die Möglichkeit gehabt hätte, Zugang zu Informationsmitteln zu erlan-
gen bzw. sich darum zu bemühen. Sollte er sich bis zum behaupteten Erhalt
des Schreibens des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr darum gekümmert
haben, würde dies eigenes Verschulden an der Versäumung der Frist des
§ 356a StPO nicht ausschließen. Eine andere Handhabung liefe darauf hinaus,
dass dem Verurteilten bei Erfolglosigkeit eines anderweitigen Rechtsbehelfs im
Wege der Wiedereinsetzung ohne weiteres zur Fehlerkorrektur hinsichtlich des
gewählten Rechtsbehelfs die Anhörungsrüge eröffnet würde, was dem Zweck
des § 356a StPO zuwider liefe (BGH, Beschluss vom 5. August 2008
– 5 StR
514/04, BeckRS 2008, 22384 Rn. 9).
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b) Jedenfalls aber hat der Antrag auf Wiedereinsetzung deswegen kei-
nen Erfolg, weil der Verurteilte den Zeitpunkt des Erhalts des Schreibens des
Bundesverfassungsgerichts entgegen § 45 Abs. 2 StPO nicht glaubhaft macht.
Dies wäre ihm durch Beifügung des Schreibens mit den von ihm behaupteten
Datumsstempeln ohne weiteres möglich gewesen.
3. Die Anhörungsrüge hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg. Der
Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse
verwertet, zu denen der Verurteilte nicht gehört worden ist, noch hat er bei der
Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen
oder dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in sonstiger Weise
verletzt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung
des § 465 Abs. 1 StPO (BGH, Senatsbeschluss vom 22. Mai 2015
– 1 StR
121/15; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 473 Rn. 38).
Graf Jäger Cirener
Mosbacher Fischer
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