Urteil des BGH vom 22.07.2015

Beihilfe, Steuerhinterziehung, Vorsteuerabzug, Gehilfe

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 447/14
vom
22. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
8. Juli 2015, in der Sitzung am 22. Juli 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 8. Juli 2015 -
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das
Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Februar 2014,
soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der
Angeklagte S. der Steuerhinterziehung in
sechs Fällen sowie der Beihilfe zur Steuerhinterzie-
hung in sechs Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen dahingehend ab-
geändert, dass der Angeklagte wie folgt verurteilt ist:
aa) hinsichtlich der Fälle 2 und 10 der Anklage (Beihil-
fe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für den
Monat September 2009 bzw. das 3. Quartal 2009)
zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von sechs
Monaten,
bb) hinsichtlich der Fälle 4 und 14 der Anklage (Beihil-
fe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für den
Monat Januar 2010) zu einer einheitlichen Geld-
strafe von 150 Tagessätzen zu je zehn Euro sowie
cc) hinsichtlich der Fälle 5 und 15 der Anklage (Beihil-
fe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für den
Monat März 2010) zu einer einheitlichen Freiheits-
strafe von einem Jahr und sechs Monaten;
die in diesen Fällen darüber hinaus festgesetzten Ein-
zelstrafen entfallen;
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c) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 3 der An-
klage sowie im Ausspruch über die Gesamtfreiheits-
strafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S.
wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Steuerhinterzie-
hung in sechs Fällen sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zehn Fäl-
len zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt
und ihn im Übrigen freigesprochen.
Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit auf Verfahrens-
rügen und die Sachrüge gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel erzielt den aus
der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet.
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A.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wer-
tungen getroffen:
Der nicht revidierende Mitangeklagte G. war Initiator eines im Zeit-
raum April 2009 bis März 2010 betriebenen und auf die Hinterziehung von Um-
satzsteuer im Handel mit CO
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-Emissionszertifikaten ausgerichteten
„Betrugssys-
tems
“, in das ab September 2009 auch der Angeklagte S. eingebunden
war.
Die im Inland ansässige E. GmbH (im Folgenden: E.
), die von G. faktisch beherrscht wurde, erwarb ab April 2009 CO
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Emissionszertifikate „umsatzsteuerfrei“ im Ausland. Die Zertifikate wurden zeit-
nah an die ebenfalls von G. geführte I. S.A. (im Fol-
genden: I. ) mit Sitz in Luxemburg weiterveräußert, die der E.
über die Leistungen Gutschriften unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer erteilte.
Die I. veräußerte die Zertifikate an die vom Angeklagten S. ge-
führte C. GmbH (im Folgenden: C. ), wobei auch
insoweit im Gutschriftsverfahren unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer abge-
rechnet wurde. Die C. veräußerte die Zertifikate an mehrere deutsche Ab-
nehmer, darunter auch Banken, weiter. Nach dem 7. Januar 2010 schied die E.
aus der Leistungskette aus. Die I. erwarb die Zertifikate ab die-
sem Zeitpunkt direkt aus dem Ausland, erteilte aber dennoch weiterhin Gutschrif-
ten mit Ausweis deutscher Umsatzsteuer an die E. und leistete entspre-
chende Zahlungen.
Die E. , die als sog. Missing Trader in das Umsatzsteuerbetrugs-
system eingebunden war, erklärte in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für das
zweite, dritte und vierte Quartal 2009 zwar die Umsätze aus der Veräußerung der
Zertifikate an die I. . Um die Umsatzsteuerschuld zu mindern, machte sie
jedoch einen Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen vermeintlicher inländischer
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Lieferanten geltend (Fälle 1 bis 3 der Anklage). Für die Monate Januar und März
2010 gab sie keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr ab (Fälle 4 und 5 der
Anklage). Nach den Berechnungen der Strafkammer wurde hierdurch zugunsten
der E. insgesamt Umsatzsteuer in Höhe von 11.484.179,12 Euro ver-
kürzt (UA S. 50 - 55, 125).
In den Umsatzsteuervoranmeldungen der I. , die als sog. Buffer
auftrat, erklärte der Mitangeklagte G. als deren Geschäftsführer für die
Voranmeldungszeiträume April bis Juli 2009, September 2009 bis Januar 2010
sowie März 2010 die Leistungen an die C.
– teilweise allerdings mit niedri-
geren als den Rechnungsbeträgen
– als steuerpflichtige Umsätze und machte
dabei die in den der E. erteilten Gutschriften ausgewiesene Umsatz-
steuer zu Unrecht als Vorsteuer geltend (Fälle 6 - 15 der Anklage). Dadurch wur-
de nach den Berechnungen des Landgerichts zugunsten der I. insge-
samt Umsatzsteuer in Höhe von 10.667.491,10 Euro verkürzt (UA S. 55 - 66,
125 f.).
Für die als weiteren
„Buffer“ eingeschaltete C. machte der Angeklag-
te S. als deren Geschäftsführer in den Umsatzsteuervoranmeldungen für
die Monate September 2009 bis Januar 2010 sowie März 2010 zu Unrecht einen
Vorsteuerabzug aus den der I. erteilten Gutschriften geltend (Fälle 20 bis
25 der Anklage). Der Angeklagte S. hatte im August 2009 erkannt, dass
die C. in ein Umsatzsteuerbetrugssystem eingebunden war und die I.
lediglich zum Zwecke des Umsatzsteuerbetrugs mit Emissionszertifikaten
handelte. Er wusste zudem, dass mindestens ein weiteres Unternehmen in die
Umsatzsteuerbetrugskette eingeschaltet war, das seinerseits Steuern verkürzte,
und billigte dies. Hierdurch wurde nach den Berechnungen des Landgerichts zu-
gunsten der C. Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 4.663.456,61 Euro
verkürzt (UA S. 67 - 73, 126).
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B.
I. Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte S. eine Verletzung
von § 257b StPO i.V.m. § 273 Abs. 1 Satz 2 StPO geltend macht, dringt aus den
in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht
durch.
II. Mit der Sachrüge hat die Revision des Angeklagten teilweise Erfolg. Sie
führt zu einer Abänderung des Schuldspruchs und zu einer Aufhebung von Tei-
len des Strafausspruchs.
1. Die Verurteilung des Angeklagten S. wegen Hinterziehung von
Umsatzsteuer zugunsten der C. in sechs Fällen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO)
wird von den Feststellungen getragen.
Der Angeklagte machte als Geschäftsführer der C. in den Umsatz-
steuervoranmeldungen für die Monate September 2009 bis Januar 2010 sowie
März 2010 unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen, indem er
die in den der I. erteilten Gutschriften offen ausgewiesene Umsatzsteuer
zu Unrecht als Vorsteuer geltend machte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich
geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen abziehen, die von
einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die
Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine
Rechnung bzw. Gutschrift i.S.v. §§ 14, 14a UStG besitzt. Der Vorsteuerabzug ist
nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedoch dann
zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine
Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen,
dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwert-
steuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung
Beteiligter anzusehen ist (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Juli 2006, Rechtssache
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C-439/04 u.a., Kittel und Recolta Recycling, Slg. 2006, I-6161 und vom
18. Dezember 2014, Rechtssache C-131/13 u.a., Italmoda, DStR 2015, 573;
BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - 1 StR 219/14, wistra 2015, 147
mwN). Für die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorlie-
gen, ist nicht der Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung, in welcher der
Vorsteuerabzug vorgenommen wird, maßgeblich, sondern derjenige der Ausfüh-
rung der Lieferung oder sonstigen Leistung (vgl. BGH, Beschlüsse vom
29. Januar 2015 - 1 StR 216/14, NStZ 2015, 283 mwN und vom 1. Oktober 2013
– 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331). Der Angeklagte erkannte Mitte August 2009,
dass die C. in eine Umsatzsteuerbetrugskette eingebunden war, so dass je-
denfalls für die ab September 2009 bezogenen Leistungen der Vorsteuerabzug
zu Unrecht geltend gemacht wurde.
2. Auch die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte S. habe
durch den Ankauf der CO
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-Zertifikate und die Erteilung der Gutschriften zu Steu-
erhinterziehungen zugunsten der Firmen I. und E. Hilfe geleistet
(§ 27 StGB), hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Hand-
lung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters ob-
jektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.;
vgl. nur BGH, Urteil vom 1. August 2000
– 5 StR 624/99, BGHR StGB § 27
Abs. 1 Hilfeleisten 21). Ist eine Person in ein auf Hinterziehung von Umsatzsteu-
er ausgerichtetes Gesamtsystem integriert, fördert sie, wenn sie von den ande-
ren Geschäften in der Lieferkette Kenntnis hat, als Gehilfe mit ihrem eigenen Bei-
trag innerhalb der Lieferkette auch jeweils eine Umsatzsteuerhinterziehung der
anderen Mitglieder, die an den auf Hinterziehung der Umsatzsteuer gerichteten
Geschäften beteiligt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2002 - 5 StR
212/02, NStZ 2003, 268).
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b) Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesent-
lichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten
das Vorhaben des Haupttäters zu fördern; Einzelheiten der Haupttat braucht er
nicht zu kennen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. August 2000
– 5 StR
624/99, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 21 mwN). Entscheidend ist, dass
der Gehilfe die Dimension der Tat erfassen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Janu-
ar 2015 - 1 StR 454/14, NStZ-RR 2015, 75). Ob der Gehilfe den Erfolg der
Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde, ist dagegen nicht entschei-
dend. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu för-
dern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende dies weiß (vgl. BGH, Urteil vom
1. August 2000
– 5 StR 624/99, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 21).
Ausgehend von diesen Maßstäben sind hier die tatsächlichen Vorausset-
zungen für das Vorliegen des Gehilfenvorsatzes rechtsfehlerfrei festgestellt. Der
Angeklagte S. hat
– was er selbst eingeräumt hat – im August 2009 er-
kannt, dass die C. vom Mitangeklagten G. in eine Umsatzsteuerbe-
trugskette eingebunden worden war, in die mindestens ein weiteres Unterneh-
men eingeschaltet war, das seinerseits Steuern verkürzte. Damit konnte der An-
geklagte S. auch die Dimension der Steuerverkürzung erfassen und
nahm diese billigend in Kauf.
3. Entgegen der Auffassung der Revision, wonach es sich bei den Beihil-
fetaten des Angeklagten S. um mitbestrafte Vortaten der von ihm täter-
schaftlich begangenen Steuerhinterziehung zugunsten der C. handeln soll,
ist das Landgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Taten
zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit i.S.v. § 53 StGB stehen. Denn die
Steuerverkürzungen betreffen Steueransprüche gegenüber unterschiedlichen
Steuerpflichtigen, nämlich die Steueransprüche betreffend die Umsatzsteuer ge-
genüber der C. einerseits und der E. bzw. der I. anderer-
seits.
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Gleichwohl begegnet die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Beihilfeta-
ten des Angeklagten S. durch das Landgericht insoweit durchgreifenden
Bedenken, als das Landgericht den Ankauf der Emissionszertifikate in den be-
treffenden Voranmeldungszeiträumen jeweils als eigenständige Beihilfe zur Hin-
terziehung der Umsatzsteuer zugunsten der E. und zugunsten der I.
gewertet hat.
Ob bei Beihilfe Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen ist, hängt von
der Anzahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten
ab. Tatmehrheit gemäß § 53 StGB ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfe-
leistungen mehrere selbstständige Taten gefördert werden, also den Haupttaten
jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Dagegen liegt eine
einheitliche Beihilfe i.S.v. § 52 StGB vor, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Un-
terstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet (vgl.
BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, wistra 2008, 217). Dasselbe
gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungs-
handlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2000
– 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107).
Nach diesen Grundsätzen hat der Angeklagte S. im jeweiligen
Voranmeldungszeitraum durch den Ankauf der Emissionszertifikate und die Ertei-
lung von Gutschriften sowohl zur Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der
E. als auch gleichzeitig zugunsten der I. Hilfe geleistet. Somit
liegt entgegen der Annahme des Landgerichts eine einheitliche Beihilfe zu meh-
reren Haupttaten vor; der Schuldumfang bleibt hiervon unberührt. Damit bilden
die zugunsten sowohl der E. als auch der I. vorgenommenen
Unterstützungshandlungen hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume September
2009 betr. I. bzw. 3. Quartal 2009 (Anteil September 2009) betr. E.
(Fälle 2 und 10 der Anklage), Januar 2010 (Fälle 4 und 14 der Anklage)
und März 2010 (Fälle 5 und 15 der Anklage) jeweils nur eine selbstständige Tat
der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die Unterstützungshandlungen zur Hinter-
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ziehung von Umsatzsteuer zugunsten der E. für das 4. Quartal 2009
(Fall 3 der Anklage) gehen in denjenigen zur Hinterziehung von Umsatzsteuer
zugunsten der I. für die Monate Oktober bis Dezember 2009 (Fälle 11
bis 13 der Anklage) auf. Eine eigenständige Beihilfe im Fall 3 der Anklage liegt
damit nicht vor. Es gefährdet daher den Bestand des Urteils nicht, dass bei iso-
lierter Betrachtung des Falles 3 der Anklage lediglich eine Beihilfe zu einer ver-
suchten Steuerhinterziehung vorgelegen hätte, weil das Finanzamt in diesem Fall
die gemäß § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung zur Auszahlung des gel-
tend gemachten Umsatzsteuerüberhangs verweigert hatte (UA S. 53; vgl. dazu
BGH, Urteil vom 7. Oktober 2014
– 1 StR 182/14, wistra 2015, 188 und Be-
schluss vom 23. Juli 2014
– 1 StR 196/14, wistra 2014, 486).
Der Senat ändert daher den Schuldspruch dahingehend ab, dass der An-
geklagte neben der Steuerhinterziehung in sechs Fällen der Beihilfe zur Steuer-
hinterziehung in lediglich sechs (statt zehn) Fällen schuldig ist. Die Vorschrift des
§ 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte S. nicht
anders als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die abweichende konkurrenzrechtliche Beurteilung wirkt sich
– trotz
insgesamt unveränderten Schuldumfangs
– auf die verhängten Einzelstrafen
aus. Sie haben teilweise zu entfallen. Auch die vom Landgericht verhängte Ge-
samtstrafe hat keinen Bestand.
a) Soweit mehrere vom Landgericht als rechtlich selbstständig gewertete
Beihilfetaten jeweils eine Tat im materiellen Sinn darstellen, hält der Senat die
jeweils höchste für diese Taten vom Landgericht verhängte Einzelstrafe aufrecht
(§ 354 Abs. 1 StPO analog). Denn es ist wegen des bei Annahme einer einheitli-
chen Beihilfe höheren Schuldumfangs ausgeschlossen, dass das Landgericht bei
zutreffender konkurrenzrechtlicher Einstufung der Taten eine geringere Einzel-
strafe als die jeweils höchste für einen Teil des Tatunrechts festgesetzte ver-
hängt hätte. Die weiteren für Teile der einheitlichen Tat verhängten Einzelstrafen
entfallen. Auch die für Fall 3 der Anklage festgesetzte Einzelstrafe, zugleich die
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Einsatzstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten, fällt weg, weil es insoweit ne-
ben den Taten in den Fällen 11 bis 13 der Anklage an einer weiteren eigenstän-
digen Beihilfetat fehlt. Hierdurch wird der Angeklagte nicht beschwert.
b) Die Strafzumessung der Einzelstrafen weist im Übrigen keinen Rechts-
fehler zum Nachteil des Angeklagten S. auf. Insbesondere hat das Land-
gericht hinsichtlich der Beihilfetaten bei der Strafrahmenwahl zutreffend darauf
abgestellt, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines be-
sonders schweren Falls i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 AO recht-
fertigt. Es hat insbesondere nicht verkannt, dass das Vorliegen des vertypten
Milderungsgrunds Beihilfe (§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB) Anlass sein kann, einen
besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung zu verneinen (vgl. BGH, Be-
schluss vom 27. Januar 2015 - 1 StR 142/14, wistra 2015, 235).
c) Der Wegfall von Einzelstrafen, darunter der Einsatzstrafe, zieht die Auf-
hebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Der Senat
kann trotz gleichbleibenden Schuldumfangs auch angesichts der zahlreichen
verbleibenden Einzelstrafen nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutref-
fender Beurteilung der Tatkonkurrenzen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe
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erkannt hätte. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von
den Rechtsfehlern nicht betroffen sind.
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