Urteil des BGH vom 16.03.2016

Schuldfähigkeit, Persönlichkeitsstörung, Kommission, Leistungsfähigkeit

ECLI:DE:BGH:2016:160316B1STR402.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 402/15
vom
16. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2016 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Mannheim vom 2. April 2015 im Straf- und Maßregelaus-
spruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen Betru-
ges“ in vier Fällen unter Einbeziehung weiterer rechtskräftiger Strafen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt, wovon es
sechs Monate für vollstreckt erklärt hat. Wegen Erschleichens von Leistungen
in sieben Fällen und „gewerbsmäßigen Betruges“ in elf Fällen hat es ihn zu der
weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und hiervon fünf Mo-
nate für vollstreckt erklärt. Weiterhin hat es die Unterbringung des Angeklagten
im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich
die Revision des Angeklagten, die er auf die Sachrüge und die Verletzung von
Verfahrensrecht stützt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungs-
formel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO unbegründet.
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I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. a) Der Angeklagte verstand es in drei Fällen im Jahr 2010 auf ge-
schickte Art und Weise, geschäftlich unerfahrene 18 bzw. 19 Jahre alte und
hilfsbereite Männer zu überreden, in ihrem eigenen Namen Handyverträge für
den Angeklagten abzuschließen. Er gab dabei vor, dies selber wegen eines
Schufa-Eintrags nicht zu können, sicherte aber wahrheitswidrig die Übernahme
der monatlichen Kosten durch ihn bzw. seinen Vater zu. Im Vertrauen darauf,
dass sie durch die Vertragsabschlüsse über die Laufzeit von jeweils 24 Mona-
ten nicht mit Kosten belastet würden, schlossen die Geschädigten die Verträge
ab. Die daraufhin erhaltenen Mobiltelefone händigten sie absprachegemäß an
den Angeklagten aus. Diesem war es auf den Erhalt der Geräte angekommen,
die er plangemäß verkaufte und den Erlös für sich verwendete. In einem weite-
ren Fall veranlasste er wenige Tage nach Abschluss der Handyverträge einen
der Geschädigten zudem dazu, für ihn zwei Verträge über den Empfang des
Senders Sky abzuschließen. Auch hier hatte er zugesichert, die mit den über
eine zwölfmonatige Laufzeit geschlossenen Verträgen verbundenen Kosten zu
übernehmen. Nachdem der Geschädigte deswegen die Verträge unterzeichnet
hatte, erhielt er die beiden zum Empfang erforderlichen Festplattendigitalrecei-
ver ausgehändigt. Diese übergab er absprachegemäß an den Angeklagten, der
sie wiederum verkaufte und den Erlös für sich verwertete.
b) Zwischen dem 16. Juli und dem 16. November 2011 benutzte der An-
geklagte in sieben Fällen Züge ohne gültigen Fahrausweis.
c) Am 5. November 2011 beantragte er bei einer Firma, die mit Autotei-
len handelte, die Einrichtung eines Kundenkontos. Dabei gab er seine von ihm
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nicht mehr genutzte alte Adresse und seine keine Deckung aufweisende Kon-
toverbindung an. Außerdem legte er eine Gewerbeanmeldung vor. Das Kun-
denkonto wurde eingerichtet. Nachdem der Angeklagte im Februar 2012 aus
einem Freiheitsentzug entlassen worden war, bestellte er innerhalb von fünf
Tagen in vier Fällen aufgrund eines jeweils neuen Entschlusses diverse Auto-
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le im Wert von zusammen 1.750,58 €. Diese verkaufte er. Wie von ihm be-
absichtigt, scheiterte der Lastschrifteinzug.
Im Oktober 2011 hatte der Angeklagte bei einer mit Werkzeugen han-
delnden Firma für sich ein Kundenkonto für Gewerbetreibende einrichten las-
sen. Hierzu erteilte er einen Abbuchungsauftrag für ein erfundenes Sparkas-
senkonto. Durch das Kundenkonto war es ihm möglich, Ware zu erhalten, ohne
sie sofort bezahlen zu müssen. Hierauf kam es ihm an, da er tatsächlich nicht
in der Lage war, die Ware zu bezahlen. Innerhalb weniger Tage im März 2012
bestellte der Angeklagte in vier Fällen aufgrund eines jeweils neuen Entschlus-
ses Maschinen im Wert von 600 bis zu 1.200 €, die ihm im Vertrauen auf seine
Zahlungsfähigkeit und -willigkeit auch ausgehändigt wurden. In einem dieser
Fälle schickte der Angeklagte einen Taxifahrer zur Abholung. Die Maschinen
verkaufte der Angeklagte, um den Erlös für sich zu verwenden. Nachdem ein
erster Abbuchungsauftrag fehlgeschlagen war, gab der Angeklagte gegenüber
der Firmenmitarbeiterin an, es sei eine Zahl bei der Kontonummer falsch, was
sie ihm glaubte.
Zwei Tage nach der letzten Werkzeugbestellung wandte sich der Ange-
klagte am 16. März 2012 an einen Getränkehandel. Dort spiegelte er der Ver-
käuferin vor, er benötige für eine größere Feier Getränke auf Kommission. Im
Vertrauen auf seine Zusage, nach der Feier unverbrauchte Getränke zurückzu-
bringen und verbrauchte zu bezahlen, erhielt er Getränke im Wert von annä-
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hernd 300 € ausgehändigt. Entweder noch am Nachmittag des Folgetages oder
am darauffolgenden Vormittag erschien er erneut im Getränkehandel und er-
reichte die Herausgabe weiterer Getränke
im Wert von über 2.500 € auf Kom-
mission und zweier Kühlschränke zur Miete. Am 19. März 2012 erhielt der An-
geklagte durch erneute Täuschung weitere Waren im Wert von 6.000 € auf
Kommission und eine Kühlbox ausgehändigt. Tatsächlich verkaufte der Ange-
klagte seinem Plan entsprechend die erlangten Gegenstände und verwendete
den Erlös für sich.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen,
dass beim Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vorliegt. Diese
sei so gravierend, dass
sie „im Zusammenhang“ mit einer Minderbegabung das
Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der
§§ 20, 21 StGB erfülle und bei den Taten zu einer erheblichen Verminderung
der Steuerungsfähigkeit geführt habe. Die Persönlichkeit des Angeklagten sei
durch eine ausgesprochen egozentrische Weltsicht gekennzeichnet. Er ziehe
aus der Freundlichkeit und Naivität anderer Personen seinen Vorteil. Dabei ha-
be er ein Talent, Personen aufzuspüren, die sein Vorhaben nicht durchschau-
ten und sich aus Gutmütigkeit darauf einließen. Die Konsequenzen für die Be-
troffenen seien ihm egal, ihm komme es allein darauf an, zur eigenen Bedürf-
nisbefriedigung schnell an Geld zu gelangen. Um bekannte Regeln würde er
sich nicht scheren, wobei ihn auch Bestrafungen von weiteren Taten nicht ab-
halten konnten. In Folge der Minderbegabung sei er nicht in der Lage, länger-
fristige Perspektiven zu entwickeln und aktuelle Bedürfnisse zum längerfristigen
eigenen Nutzen zurückzustellen und einem spontanen Impuls gegenzusteuern.
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II.
1. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt in
seiner Antragsschrift dargelegten Gründen keinen Erfolg. Ergänzend ist ledig-
lich darauf hinzuweisen, dass der Senat hinsichtlich der Beanstandung, der
Beweisantrag vom 17. Februar 2015 auf Vernehmung des P. als
Zeugen sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, jedenfalls ein Beruhen des
Urteils
– soweit es nicht ohnehin der Aufhebung unterliegt – auf dem behaupte-
ten Gesetzesverstoß ausschließen kann.
2. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB hält rechtlicher Überprüfung
nicht stand. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatri-
schen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende
Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Be-
troffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifels-
frei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten
wegen eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig
oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht.
a) Die Urteilsgründe belegen schon nicht, dass bei dem Angeklagten zu
den Tatzeiten eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20
StGB vorgelegen hat.
Der Sachverständige hat bei dem Angeklagten zwar eine Persönlich-
keitsstörung diagnostiziert. Eine solche Störung kann
– wie auch das Land-
gericht nicht verkannt hat
– die Annahme einer schweren anderen seelischen
Abartigkeit nur dann begründen, wenn sie Symptome aufweist, die in ihrer Ge-
samtheit das Leben eines Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen
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Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (st.
Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015
– 4 StR 498/14 und vom
21. September 2004
– 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Urteil vom
21. Januar 2004
– 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; Beschluss vom
21. Oktober 1998
– 3 StR 416/98, NStZ-RR 1999, 136 mwN). Da der Ausprä-
gungsgrad der Störung und der Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit
entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit sind, ist die Beeinträchti-
gung der Leistungsfähigkeit, etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen
und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischen-
menschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle, durch die festgestellten
pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer
Störungen zu untersuchen. Für die Bewertung der Schwere der Persönlich-
keitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Delik-
tes zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens
gekommen ist. Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens,
das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeit-
verlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen
vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren ande-
ren seelischen Abartigkeit“ angesehen werden (BGH, Urteil vom 21. Januar
2004
– 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f. mwN aus dem psychiatrischen
Schrifttum).
An einer solchen Bewertung fehlt es jedoch. Die Strafkammer be-
schränkt sich auf die Darstellung der Symptome, die zu der Diagnose der dis-
sozialen Persönlichkeitsstörung geführt haben. Danach ist aber nicht erkenn-
bar, dass die festgestellten Auffälligkeiten in der Person des Angeklagten
– mögen sie auch die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung tragen – dem
Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit entsprechen und
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es sich nicht nur um Eigenschaften und Verhaltensweisen handelt, die übliche
Ursachen für strafbares Verhalten darstellen. Eine Auseinandersetzung mit der
geschickten, Vorbereitung erfordernden und zeitlich gestreckten Vorgehens-
weise (vgl. zur möglichen Relevanz dieser Umstände für das Vorliegen der Vo-
rausset
zungen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ aus psychiatri-
scher Sicht, BGH aaO, 53) bei den Betrugstaten im Hinblick auf die Leistungs-
fähigkeit findet nicht statt. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als dies
Rückschlüsse darauf zulassen könnte, ob der Angeklagte zur vorübergehenden
Zurückstellung seiner Bedürfnisse in der Lage war und nicht aus einem inneren
Zwang heraus gehandelt hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 11. Februar
2015
– 4 StR 498/15 mwN).
Auch die festgestellte Minderbegabung führt zu keiner anderen Beurtei-
lung. Ihre Annahme beruht allein auf Ergebnissen von Intelligenztests, wobei
der Sachverständige, dem das Landgericht folgt, einen Gesamt-IQ von 67 fest-
gestellt hat. Dies begegnet schon für sich genommen Bedenken. Diese unkriti-
sche Übernahme testpsychologischer Ergebnisse lässt einen Abgleich mit dem
tatsächlich gezeigten Leistungsverhalten vermissen. Dieses imponiert durch
gezielte, strategisch günstige Opferauswahl und die Fähigkeit, „eine in sich ge-
schlossene, einem Dritte
n einleuchtende Erklärung“ bei Bedarf abzurufen und
zum Einsatz zu bringen. Defizite beim Sprachverständnis, Sprachgebrauch o-
der bei der Handhabung von komplexen Handlungsanforderungen sind hinge-
gen nicht zu Tage getreten. Jedenfalls aber ist angesichts der konkreten Tat-
umstände nicht dargelegt, dass eine Minderbegabung zu einer strafrechtlich
relevanten Einschränkung seiner Handlungsmuster geführt haben könnte.
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b) Zudem könnte auch die Annahme einer erheblichen Verminderung
der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB für sich genommen keinen Bestand
haben.
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen einer schweren anderen seelischen
Abartigkeit bei Begehung der Tat „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB vermin-
dert war, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen
von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten hat. Hierbei
fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen,
die die Rechtsordnung an jedermann stellt (BGH, Urteil vom 14. August 2014
– 4 StR 163/14, Rn. 29, NJW 2014, 3382, 3384 mwN). Dazu hat der Tatrichter
in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen
Entwicklung zu bewerten, wobei auch Vorgeschichte, unmittelbarer Anlass und
Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.;
vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004
– 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53 f.
mwN). Den hierzu angestellten Erwägungen des Landgerichts fehlt aber jegli-
che tatbezogene Betrachtung, insbesondere findet keine Auseinandersetzung
mit der komplexen und strukturierten Begehungsweise der Betrugstaten statt.
3. Zwar ist der Angeklagte durch die rechtsfehlerhafte Annahme der Vo-
raussetzungen des § 21 StGB nicht beschwert. Der Strafausspruch kann aber
aus anderen Gründen keinen Bestand haben.
Die Strafkammer ist für die Betrugstaten vom Strafrahmen des § 263
Abs. 3 Nr. 1 StGB und für die übrigen Taten vom Strafrahmen des § 265a StGB
ausgegangen. Während sie für die vor dem 27. Oktober 2011 begangenen Ta-
ten wegen der erheblich verminderten Schuldfähigkeit eine Strafrahmenver-
schiebung gemäß §§ 21, 49 StGB vorgenommen hat, hat sie eine solche für
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die Taten danach
– mithin für die unter 1.c. geschilderten vier Betrugstaten und
die drei letzten der unter 1.b. geschilderten Taten
– versagt. Der verminderten
Schuldfähigkeit stünden schulderhöhende Gesichtspunkte entgegen. Hierzu
zähle vor allem, dass der Angeklagte am 27. Oktober 2011 zu einer Bewäh-
rungsstrafe verurteilt worden sei, ohne dass ihn diese Sanktion von der Bege-
hung der weiteren Taten habe abhalten können.
Es begegnet schon Bedenken, dass das Landgericht nicht geprüft hat,
ob der für die ersten vier Betrugstaten bejahte vertypte Milderungsgrund des
§ 21 StGB
– gegebenenfalls mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen –
geeignet war, von der Annahme eines besonders schweren Falles abzusehen
(vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2014
– 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595-2599;
Beschluss vom 26. März 2014
– 5 StR 45/14). Jedenfalls aber fehlt es an einer
Erörterung, inwieweit die dem Angeklagten schulderhöhend angelasteten Um-
stände (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 25. März 2014
– 1 StR 65/14,
NStZ-RR 2014, 238, 239 und vom 7. September 2015
– 2 StR 350/15,
NStZ-RR 2016, 74) ihm angesichts der festgestellten erheblich verminderten
Schuldfähigkeit bei den Taten uneingeschränkt zum Vorwurf gemacht werden
durften. Hierzu hätte vor allem deswegen Anlass bestanden, weil nach den
Feststellungen die beim Angeklagten vorliegende, die verminderte Schuldfähig-
keit verursachende Störung gerade seine Fähigkeit beeinflussen soll, aus
Sanktionen zu lernen, mithin für den Bereich besondere Relevanz entfaltet, der
ihm schulderhöhend angelastet wird.
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Der Senat hebt sämtliche Einzelstrafen auf, um dem Tatrichter eine in
sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. Die Aufhebung der Einzelstra-
fen entzieht dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage.
4. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung eines tat-
richterlichen Urteils durch das Revisionsgericht im Strafausspruch grundsätzlich
nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entschei-
dung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl.
BGH, Urteil vom 27. August 2009
– 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135; Beschluss
vom 22. Januar 2013
– 1 StR 234/12).
Graf Jäger Cirener
Fischer Bär
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