Urteil des BGH vom 14.03.2016

Leitsatzentscheidung zu Abstraktes Gefährdungsdelikt, Mitbestrafte Nachtat, Angriff, Lebensversicherung

ECLI:DE:BGH:2016:140316B1STR337.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 337/15
vom
14. März 2016
BGHSt:
ja
BGHR:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja
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StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1, § 78a Satz 1
Vorsätzlicher Bankrott durch Verheimlichen von Bestandteilen des Vermögens
im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist im Falle der Insolvenz einer natürli-
chen Person bei fortdauerndem Verheimlichen bis zur Restschuldbefreiung erst
dann beendet, wenn diese erteilt wird.
BGH, Beschluss vom 14. März 2016 - 1 StR 337/15 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Bankrotts
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2016 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 13. April 2015 wird als unbegründet verwor-
fen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-
gen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Bankrotts zu
einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, von denen
es als Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer zwei Monate für voll-
streckt erklärt hat. Die Revision des Angeklagten, mit der er den Eintritt der Ver-
folgungsverjährung als Verfahrenshindernis geltend macht und im Übrigen die
Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg. Sie ist aus
den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Erörterung bedürfen lediglich die Frage der Verfolgungsverjährung
und die Strafzumessung.
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I.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wer-
tungen getroffen:
1. Nach der Inanspruchnahme aus Bürgschaften beantragte der Ange-
klagte durch seinen anwaltlichen Vertreter beim Amtsgericht (Insolvenzgericht)
Fürth mit am 1. April 2005 dort eingegangenem Schreiben die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Zu diesem Zeitpunkt besaß er, wie er
wusste, in einem Depot der Bank C. in Z. eine auf seinen Na-
men lautende Geldanlage über mehr als zwei Mio. US-Dollar. In den von ihm
persönlich unterschriebenen Anlagen zum Insolvenzeröffnungsantrag, in denen
u.a. Guthaben sowie Wertpapiere zu benennen waren, gab er lediglich ein
Guthaben von 16,68 Euro bei der V. an. Das
Depot in der Schweiz verschwieg er bewusst.
Am 30. Juni 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Angeklagten eröffnet. Nach diesem Zeitpunkt, am 19. September 2005, legte er
das in dem Depot bei der C. dann vorhandene Guthaben von mehr
als 2,4 Mio. US-Dollar für 120 Monate in eine kapitalbildende Lebensversiche-
rung bei der Cr. Ltd. an. Auch diesen Umstand teilte
er weder dem Insolvenzgericht noch der Insolvenzverwalterin mit.
Mit Beschluss vom 19. November 2007 stellte das Amtsgericht Fürth
fest, dass der Angeklagte Restschuldbefreiung erhalte, wenn er für die Zeit von
sechs Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Obliegenheiten nach
§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfülle. Am 8. Januar 2008 hob das Amtsgericht das
Insolvenzverfahren auf. Mit Beschluss vom 6. September 2011 erteilte es dem
Angeklagten schließlich die in Aussicht gestellte Restschuldbefreiung.
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Obwohl er weiterhin hierzu verpflichtet war, machte der Angeklagte auch
bis zu diesem Zeitpunkt weder gegenüber dem Insolvenzgericht noch der Insol-
venzverwalterin
– welche später zur Treuhänderin (vgl. § 287 Abs. 2 InsO) wur-
de
– Angaben über sein bis zum 18. September 2005 bei der C. be-
stehendes Depot und über seine anschließend mit der Cr.
Ltd. abgeschlossene Lebensversicherung. Ihm war dabei bekannt, dass
er bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30. Juni 2005 nach § 20 InsO,
danach jedenfalls bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 8. Januar
2008 aus § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO und bis zur Erteilung der Restschuldbefrei-
ung am 6. September 2011 aus §§ 20, 97 InsO die Verpflichtung hatte, den
Inhalt des Depots bzw. nach der Vermögensumschichtung seine Lebensversi-
cherung gegenüber dem Insolvenzgericht und der Insolvenzverwalterin bzw.
Treuhänderin zu offenbaren, weil diese Vermögenswerte dem Insolvenzbe-
schlag unterlagen. Da der Angeklagte jedoch den Anlagebetrag für seine Al-
tersvorsorge nutzen und deshalb verhindern wollte, dass er in die Insolvenz-
masse fällt, verschwieg er dessen Existenz. Nachdem am Ende des Insolvenz-
verfahrens lediglich 102 Euro zur Verfügung standen, kam es zu keiner Vertei-
lung an die Insolvenzgläubiger, die Forderungen in Höhe 1,8 Mio. Euro ange-
meldet hatten.
Als den deutschen Finanzbehörden im Jahr 2012 über eine sog. Steuer-
CD bekannt wurde, dass der Angeklagte über eine Geldanlage verfügte, wurde
ein Steuerstrafverfahren gegen ihn eingeleitet. Im Hinblick auf die verschwie-
gene Geldanlage widerrief das Amtsgericht Fürth am 2. Oktober 2012 die dem
Angeklagten im September 2011 erteilte Restschuldbefreiung. Daraufhin veran-
lasste der Angeklagte über seinen Verteidiger, dass sein gesamtes Guthaben
bei der Cr. Ltd. in Höhe von nahezu 1,8 Mio. Euro auf
ein Anderkonto bei der Treuhänderin überwiesen wurde. Hierdurch wurde diese
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in die Lage versetzt, die Insolvenzforderungen im Wege einer Nachtragsvertei-
lung mit einer Quote von 95,9 % zu bedienen.
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als vorsätzlichen
Bankrott gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 StGB gewertet, weil er einen we-
sentlichen Bestandteil seines Vermögens, der im Falle der Eröffnung des Insol-
venzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört, bewusst verheimlicht habe. Es hielt
die Tat deswegen nicht für verjährt, weil sie erst mit Erteilung der Restschuldbe-
freiung durch das Amtsgericht Fürth am 6. September 2011 beendet gewesen
sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Angeklagte auch ohne besondere Nachfra-
ge zur Offenlegung bislang verheimlichter Vermögenswerte verpflichtet gewe-
sen. Die Verjährung sei deshalb durch richterliche Durchsuchungsanordnungen
vom 6. November 2012 sowie die Anklageerhebung vom 10. August 2013 wirk-
sam unterbrochen worden (§ 78c Abs. 1 Nr. 4 und 6 StGB).
II.
Das von der Revision geltend gemachte Verfahrenshindernis der Straf-
verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB) liegt nicht vor. Die Durchsu-
chungsanordnungen vom 6. November 2012 haben die Verjährung wirksam
unterbrochen, weil die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelau-
fen war.
1. Vorsätzlicher Bankrott (§ 283 Abs. 1 und 2 StGB) verjährt gemäß § 78
Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB in fünf Jahren.
2. Gemäß § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung, sobald die Tat be-
endet ist. Dies war hier erst am 6. September 2011 mit der Feststellung der
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Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht und nicht schon mit der Eröff-
nung des Insolvenzverfahrens der Fall.
a) Nach dem vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an-
gewendeten materiellen Beendigungsbegriff ist die Tat erst beendet, wenn der
Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abschließt, das Tatunrecht mit-
hin tatsächlich in vollem Umfang verwirklicht ist (vgl. etwa Urteile vom
26. Februar 1997
– 3 StR 525/96, BGHSt 43, 1, 7; vom 18. Juni 2003 – 5 StR
489/02, NStZ 2004, 41; vom 2. Dezember 2005
– 5 StR 119/05, NJW 2006,
925, 927 [insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt] und vom 19. Juni 2008
– 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300, 302). Dies bedeutet, dass die Beendigung der
Tat nicht allein an die weitere Verwirklichung tatbestandlich umschriebener
Merkmale der Straftat nach deren Vollendung anknüpft; vielmehr umfasst die
Tatbeendigung auch solche Umstände, die
– etwa weil der Gesetzgeber zur
Gewährleistung eines effektiven Rechtsgüterschutzes einen Deliktstypus mit
vorverlagertem Vollendungszeitpunkt gewählt hat
– zwar nicht mehr von der
objektiven Tatbestandsbeschreibung erfasst werden, aber dennoch das mate-
rielle Unrecht der Tat vertiefen, weil sie den Angriff auf das geschützte Rechts-
gut perpetuieren oder gar intensivieren (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2008
– 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300, 303 mwN).
b) Das Rechtsgut der Insolvenzdelikte besteht im Schutz der Insolvenz-
masse vor unwirtschaftlicher Verringerung, Verheimlichung und ungerechter
Verteilung zum Nachteil der Gesamtgläubigerschaft (vgl. Fischer, StGB,
63. Aufl., Vor § 283 Rn. 3; Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steu-
erstrafrecht, Vor §§ 283 ff. StGB Rn. 1). Verheimlichen ist dabei jedes Verhal-
ten, durch das ein Vermögensbestandteil oder dessen Zugehörigkeit zur Insol-
venzmasse der Kenntnis der Gläubiger oder der des Insolvenzverwalters ent-
zogen wird. Verheimlichen kann daher sowohl durch falsche Angaben als auch
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durch Unterlassen bei Verletzung einer Auskunfts- oder Anzeigepflicht verwirk-
licht werden (vgl. Radtke/Petermann, MüKo-StGB, 2. Aufl., § 283 Rn. 17 f.
mwN).
c) Bei der Insolvenz einer natürlichen Person dauert im Falle des Ver-
heimlichens von Vermögensbestandteilen im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 1
StGB der Angriff auf das geschützte Rechtsgut bei einer erstrebten Rest-
schuldbefreiung jedenfalls so lange an, bis das Insolvenzgericht durch Be-
schluss feststellt, dass der Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung er-
langt hat (vgl. § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO bzw. § 289 Abs. 1 Satz 2 InsO in der
im Tatzeitraum geltenden Fassung). Denn die Pflicht, ohne besondere Nach-
frage Vermögensbestandteile zu offenbaren, besteht gemäß §§ 20, 97 InsO
nicht nur nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern auch noch nach
dessen Abschluss im Restschuldbefreiungsverfahren fort (vgl. BGH, Beschluss
vom 8. März 2012
– IX ZB 70/10, ZInsO 2012, 751). Tatbestandsmäßige Hand-
lungen sind in diesem Verfahrensstadium weiter möglich (vgl. Radtke/
Petermann, MüKo-StGB, 2. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 96 mwN). Auch ist das
Tatunrecht der Bankrottstraftat in solchen Fällen erst dann in vollem Umfang
verwirklicht, wenn die Restschuldbefreiung erlangt ist, weil die vorsätzliche Ver-
letzung dieser Pflicht einen zwingenden Versagungsgrund für die beantragte
Restschuldbefreiung darstellt (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Bis dahin wird
durch weiteres Verheimlichen von Vermögensbestandteilen das materielle Un-
recht der Tat vertieft, weil hierdurch der Angriff auf das geschützte Rechtsgut
perpetuiert wird.
d) Soweit die Revision eine Verjährung des Tatgeschehens daraus her-
leiten will, dass sie das Verhalten des Angeklagten in mehrere voneinander zu
trennende Taten aufspaltet, ist dem nicht zu folgen.
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Zwar hat der Angeklagte, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend
hingewiesen hat, mehrere als Verheimlichen zu wertende tatbestandsmäßige
Bankrotthandlungen im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen, indem er
Vermögensbestandteile erst durch Falschangaben und später durch pflichtwid-
riges Unterlassen verheimlicht hat. Diese Handlungen stehen jedoch nicht iso-
liert und rechtlich unabhängig nebeneinander. Vielmehr bildet das gesamte,
von einem einheitlichen Willen zur Verheimlichung des im Ausland angelegten
Vermögens getragene Verhalten des Angeklagten bis zur Restschuldbefreiung
ein einheitliches Delikt des Bankrotts (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November
1978
– 3 StR 387/78; BGH, Urteil vom 20. Dezember 1957 – 1 StR 492/57,
BGHSt 11, 145, 146).
Die Tat begann mit den Falschangaben in den Anlagen zu dem am
1. April 2005 eingereichten Insolvenzantrag, mit denen der Angeklagte das
Vorhandensein weiterer Vermögensbestandteile bewusst wahrheitswidrig ver-
neinte. Sie setzte sich in der pflichtwidrigen Nichtoffenlegung des weiterhin vor-
handenen Vermögens bis zur Restschuldbefreiung fort. Umschichtungen oder
ertragsbedingte Zuwächse im Vermögen, namentlich die Auflösung des Depots
bei der C. und die Neuanlage des Anlagebetrages in einer Lebens-
versicherung, stellten keine Zäsuren dar, die das anschließende Weiterver-
heimlichen zu eigenständigen Taten qualifizieren würden. Vielmehr dienten so-
wohl die Falschangaben im Insolvenzantrag als auch das anschließende weite-
re Verschweigen des vorhandenen Vermögens dem einheitlichen Ziel, dieses
bis zur Restschuldbefreiung geheim zu halten, um einen Zugriff im Insolvenz-
verfahren zu vermeiden.
Auch wenn das pflichtwidrige Verschweigen des bereits durch falsche
Angaben verheimlichten Vermögensgegenstands damit lediglich der Sicherung
der Besitzlage diente und keinen neuen, eigenständigen Angriff auf das ge-
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schützte Rechtsgut bewirkte (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1978
– 3 StR 387/78), war es für die Frage, wann das Tatgeschehen seinen Ab-
schluss fand, nicht bedeutungslos. Denn es perpetuierte die Gefährdung für
das geschützte Rechtsgut mit dem Ziel einer Verletzung desselben bis zur er-
strebten Restschuldbefreiung. Damit hatte das Tatgeschehen mit dem Eintritt
der objektiven Strafbarkeitsbedingung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens
(§ 283 Abs. 6 StGB) seinen endgültigen Abschluss noch nicht gefunden. Soweit
in der Literatur im Verheimlichen eines bereits zuvor beiseite geschafften Ver-
mögensbestandteils eine mitbestrafte Nachtat gesehen wird (vgl. Radtke/
Petermann, MüKo-StGB, 2. Aufl., § 283 Rn. 87; Heine/Schuster in Schönke/
Schröder, StGB, 29. Aufl., § 283 Rn. 66, jeweils mwN), ergibt sich hieraus
nichts anderes.
e) Der Umstand, dass es sich beim Bankrott um ein Erfolgsdelikt han-
delt, führt
– entgegen der Auffassung der Revision – ebenfalls nicht zur An-
nahme der Tatbeendigung bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Es trifft allerdings zu, dass bei Erfolgsdelikten, bei denen mit dem Er-
folgseintritt zugleich eine endgültige Verletzung des Rechtsguts eintritt, wie et-
wa bei Zerstörung oder Beschädigung einer Sache, der Angriff auf das ge-
schützte Rechtsgut damit auch abgeschlossen ist. Daher ist die Tat bei Zu-
standsdelikten wie Körperverletzung oder Sachbeschädigung mit der Herbei-
führung des rechtswidrigen Zustands und Abschluss der Tathandlung beendet
(vgl. dazu Fischer, StGB, 63. Aufl., Vor § 52 Rn. 58 mwN).
Beim Verheimlichen von Vermögensbestandteilen gemäß § 283 Abs. 1
Nr. 1 StGB besteht dagegen der tatbestandliche Erfolg nicht in einer Rechts-
gutsverletzung, sondern in einer Gefährdung des geschützten Rechtsguts. Da-
mit handelt es sich bei diesem Bankrotttatbestand rechtsgutsbezogen um ein
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abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. Radtke/Petermann, MüKo-StGB, 2. Aufl.,
Vor §§ 283 ff. Rn. 22 mwN). Da der Taterfolg tatobjektsbezogen ausgestaltet
ist, sind die Kategorien „Gefährdungsdelikt“ und „Erfolgsdelikt“ kein gegensätz-
liches, sich gegenseitig ausschließendes Begriffspaar (vgl. Radtke/Petermann
aaO). Im Hinblick darauf, dass die Gefährdung für das Rechtsgut nach dem
Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs fortdauert, findet das Tatgeschehen mit
diesem noch nicht seinen tatsächlichen Abschluss. Vielmehr wird bei dieser
„informationsbezogenen“ Bankrotthandlung der einer Befriedigung der Gläubi-
ger dienende Vermögensbestand des Schuldners zwar gefährdet, aber noch
nicht beeinträchtigt. Sobald die verheimlichten Vermögensbestandteile bekannt
werden, können sie zur Befriedigung der Gläubiger herangezogen werden.
Da somit nicht nur die Rechtspflicht zur Offenbarung des verheimlichten
Vermögensgegenstandes fortbesteht, sondern auch die Gefährdungslage, die
noch in eine (endgültige) Verletzung des Rechtsguts umschlagen kann und
nach dem Willen des Täters auch soll, handelt es sich beim Verheimlichen ge-
mäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB im Ergebnis um ein Dauerdelikt (zum Begriff vgl.
Fischer, StGB, 63. Aufl., Vor § 52 Rn. 58). Ein vorheriger Abschluss des Tatge-
schehens kann bei Gefährdungsdelikten allenfalls dann vorliegen, wenn der
Angriff auf das Rechtsgut bereits so weit fortgeschritten ist, dass der Täter be-
reits eine gesicherte Position erlangt hat, die einer (endgültigen) Verletzung des
Rechtsguts gleichkommt. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Denn der Ange-
klagte erlangte weder mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2005
noch mit dem Beschluss des Amtsgerichts Fürth vom 19. November 2007 die
gesicherte Erwartung einer Restschuldbefreiung. Mit diesem Beschluss stellte
das Landgericht lediglich fest, dass der Angeklagte eine Restschuldbefreiung
erlangen kann, wenn er für die Zeit von sechs Jahren die sich aus § 295 Abs. 1
Nr. 1 InsO ergebenden Obliegenheiten erfüllt. Eine abschließende Prüfung, ob
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die Voraussetzungen der Restschuldbefreiung tatsächlich eingetreten sind, soll-
te dagegen erst nach Ablauf dieses Zeitraums stattfinden.
Im Ergebnis hat hier zwar die Falschangabe im Insolvenzantrag zum
Taterfolg des Verheimlichens geführt; auch trat spätestens mit dem Verheimli-
chen der Vermögenswerte in der Schweiz die objektive Bedingung der Straf-
barkeit ein (vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013
– 1 StR 234/12,
BGHR StGB § 283 Abs. 2 Herbeiführen 1 = BGHSt 58, 115 mwN). Jedoch war
der Angriff auf das geschützte Rechtsgut hierdurch nicht abgeschlossen, weil
der Angeklagte fortlaufend weiter gegen seine Pflicht zur Offenbarung der ver-
heimlichten Vermögensbestandteile verstieß. Ein endgültiger Schaden war
noch nicht eingetreten, weil die verheimlichten Vermögensbestandteile bei ih-
rem Bekanntwerden noch zur Befriedigung der Gläubiger verwendet werden
konnten und der Angeklagte auch noch keine gesicherte Erwartung auf Rest-
schuldbefreiung erlangt hatte. Weder die Einleitung noch die Aufhebung des
Insolvenzverfahrens verschafften ihm eine solche gesicherte Position.
f) Ein Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum
Delikt der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO führt zu keinem ande-
ren Ergebnis.
Die Steuerhinterziehung im Festsetzungsverfahren ist ebenfalls zugleich
Erfolgsdelikt und Gefährdungsdelikt (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2009
– 1 StR
627/08 Rn. 37, BGHSt 53, 221, 229; BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008
– 1 StR 322/08 Rn. 22, BGHSt 53, 99, 106). Auch bei diesem Straftatbestand
bewirkt nicht allein das pflichtwidrige Verheimlichen von Besteuerungsgrundla-
gen in einer Steuererklärung die Tatbeendigung. Vielmehr ist die Tat bei Veran-
lagungssteuern erst dann beendet, wenn sie durch eine unrichtige Steuerfest-
setzung (§ 155 AO) ihren endgültigen Abschluss gefunden hat (vgl. BGH, Be-
schluss vom 7. Februar 1984
– 3 StR 413/83, wistra 1984, 142) oder das zu-
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ständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für
den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat (vgl. BGH, Be-
schluss vom 7. November 2001
– 5 StR 395/01, BGHR AO § 370 Verjährung 9
= BGHSt 47, 138). Denn erst zu diesem Zeitpunkt ist für den Veranlagungszeit-
raum regelmäßig nicht mehr mit einer zutreffenden Steuerfestsetzung zu rech-
nen. Auch bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern durch unrichtige Angaben
ist die Tat erst dann beendet, wenn die Umsatzsteuerjahreserklärung gemäß
§ 168 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht,
selbst wenn die unrichtigen Angaben bereits in den Umsatzsteuervoranmel-
dungen gemacht worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 1989
– 3 StR
552/88, wistra 1989, 188).
Im Gegensatz zu dem vom Prinzip der Abschnittsbesteuerung nach Ver-
anlagungszeiträumen geprägten Besteuerungsverfahren bei Veranlagungs-
steuern ist das Insolvenzverfahren bis zur Restschuldbefreiung als Einheit an-
zusehen. Erst mit dieser findet das Verfahren seinen endgültigen Abschluss.
Mit der bei der Steuerhinterziehung einer Tatbeendigung nicht entgegen ste-
henden Möglichkeit steuerlicher Nachprüfung oder Berichtigung (vgl. §§ 164,
172 ff. AO) ist
– entgegen der Auffassung der Revision – die fortwährende Tat-
bestandsverwirklichung der Verheimlichung von Vermögensbestandteilen durch
Unterlassen gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB daher nicht vergleichbar.
III.
Die Strafzumessung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand. Er-
gänzend zu den zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des General-
bundesanwalts bemerkt der Senat:
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1. Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Verheimlichen der im Aus-
land befindlichen Vermögensbestandteile um eine einheitliche Tat des Bank-
rotts handelt, stellt die spätere Nichtoffenbarung dieser Vermögensbestandteile
nicht etwa nur eine bloße Sicherungstat für ein bereits verjährtes Verheimlichen
durch falsche Angaben dar (s.o.). Eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 13
Abs. 2 StGB kam wegen der Falschangaben im Insolvenzantrag und damit ei-
ner aktiven Täuschung nicht in Betracht. Die Dauer des Verheimlichens durfte
das Landgericht unter dem Gesichtspunkt der kriminellen Energie strafschär-
fend berücksichtigen.
2. Einer Erörterung der Möglichkeit, gemäß § 41 StGB eine Geldstrafe
neben einer (damit niedrigeren) Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten zu ver-
hängen, bedurfte es entgegen der Auffassung der Revision nicht. Aufgrund ih-
res Ausnahmecharakters (vgl. BGH, Urteile vom 24. August 1983
– 3 StR
89/83, BGHSt 32, 60, 65 und vom 28. April 1976
– 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325,
330 sowie Beschluss vom 26. November 2015
– 1 StR 389/15) muss zwar die
Entscheidung für die Kumulation von Geldstrafe und Freiheitsstrafe näher be-
gründet werden, nicht aber die Nichtanwendung der Vorschrift des § 41 StGB.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein erheblicher Gewinn aus der Tat die An-
wendung des § 41 StGB nahe legt (vgl. Radtke in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 41
Rn. 32 mwN). Dies war hier nicht der Fall.
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IV.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Jäger Cirener Radtke
Fischer Bär
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