Urteil des BGH vom 07.12.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 63/08
vom
7. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 543 Abs. 1 Nr. 1; AktG §§ 120 Abs. 1, 161, 246 Abs. 1
a) Die Zulassung der Revision kann auf einen aktienrechtlichen Beschlussanfech-
tungsgrund beschränkt werden.
b) Der Versammlungsleiter darf - auch wenn die besonderen Voraussetzungen des
§ 120 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht vorliegen - über die Entlastung einzeln abstimmen
lassen.
c) Eine fehlende Entsprechenserklärung kann die Anfechtung eines Entlastungsbe-
schlusses nicht rechtfertigen, wenn die betroffenen Organmitglieder vor der not-
wendigen Aktualisierung aus dem Amt geschieden sind.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08 - OLG München
LG München I
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 7. Dezember 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Strohn, Dr. Reichart,
Dr. Drescher und Bender
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat
beabsichtigt, die Revision des Klägers durch Beschluss ge-
mäß § 552 a ZPO zurückzuweisen.
Gründe:
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und
sie hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552 a ZPO).
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I.
Die Revision ist schon unzulässig, soweit sie sich auf die unzureichende
Beantwortung von Fragen stützt und daraus die Anfechtbarkeit der Entlas-
tungsbeschlüsse herleiten will. Dazu ist die Revision nicht zugelassen.
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Das Berufungsgericht kann die Zulassung der Revision auf einen Be-
schlussanfechtungsgrund beschränken. Eine Beschränkung auf einen rechtlich
selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffs, der Gegenstand eines
Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst
seine Revision beschränken könnte, ist zulässig (BGH, Urt. v. 19. Februar 2009
- I ZR 195/06, GRUR 2009, 783 z.V.b. BGHZ 180, 77 Tz. 17 "UHU"). Die An-
fechtungsgründe sind abtrennbare Teile des Streitstoffs. Der Streitgegenstand
der aktienrechtlichen Anfechtungsklage wird durch die jeweils geltend gemach-
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ten Beschlussmängelgründe als Teil des zugrunde liegenden Lebenssachver-
halts bestimmt (Sen.Urt. v. 14. März 2005 - II ZR 153/03, ZIP 2005, 706 in Klar-
stellung zu Senat BGHZ 152, 1; v. 6. April 2009 - II ZR 255/08, ZIP 2009, 1003,
z.V.b. in BGHZ 180, 221 Tz. 32 "Schiedsfähigkeit II"). Schon die Klage kann auf
einzelne Anfechtungsgründe mit der Folge begrenzt werden, dass nach Ablauf
der Klagefrist nachgeschobene Gründe nicht mehr berücksichtigt werden
(Sen.Urt. v. 14. März 2005, aaO). Erst recht ist eine solche Beschränkung im
Verlauf des Rechtsstreits möglich.
Das Berufungsgericht hat die Revision nur beschränkt zugelassen. Von
einer Beschränkung der Zulassung in den Urteilsgründen ist auszugehen, wenn
die Zulassung nur wegen bestimmter Rechtsfragen ausgesprochen wird, die
lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreit-
stoffs erheblich sein können (BGH, Urt. v. 16. Januar 1996 - VI ZR 116/95,
ZIP 1996, 370, insoweit nicht in BGHZ 131, 385). Wenn die Zulassung nur we-
gen Rechtsfragen ausgesprochen wird, die einzelne Anfechtungsgründe betref-
fen, ist die Zulassung regelmäßig als beschränkt anzusehen.
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Das Berufungsgericht hat die Revision nur im Hinblick auf seine Ent-
scheidung zu den Folgen der Nichtabgabe einer Entsprechenserklärung zuge-
lassen, nicht aber im Hinblick auf die unzureichende oder falsche Beantwortung
von Fragen des Klägers. Der Kläger hat drei Anfechtungsgründe geltend ge-
macht, nämlich neben der Verletzung des Informationsrechts das Fehlen einer
Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG und die Einzelentlastung des Auf-
sichtsrats. Die unzureichende Information betrifft als Anfechtungsgrund einen
anderen Lebenssachverhalt als das Fehlen der Entsprechenserklärung.
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Die Revision ist allerdings auch zugelassen, soweit der Kläger als An-
fechtungsgrund die Einzelentlastung der Aufsichtsräte geltend macht. Da der
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Kläger meint, die Einzelentlastung sei verboten, weil den Aufsichtsräten mit der
fehlenden Entsprechenserklärung eine gemeinsam begangene Pflichtverlet-
zung zur Last falle, erfasst die Zulassung im Hinblick auf die Folgen der Nicht-
abgabe einer Entsprechenserklärung auch diesen Anfechtungsgrund.
II.
Zulassungsgründe bestehen nicht mehr. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der
Entscheidung des Revisionsgerichts (BGH, Beschl. v. 20.
Januar 2005
- I ZR 255/02, NJW-RR 2005, 650). Die Folgen einer nicht berichtigten oder
- wie hier - fehlenden Entsprechenserklärung für die Entlastung der Organmit-
glieder, die das Berufungsgericht für grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet
hat, sind zwischenzeitlich geklärt (Sen.Urt. v. 16. Februar 2009 - II ZR 185/07,
ZIP 2009, 460, z.V.b. in BGHZ 180, 9 Tz. 19 "Kirch/Deutsche Bank", bestätigt
durch Sen.Urt. v. 21. September 2009 - II ZR 174/08, ZIP 2009, 2051 z.V.b. in
BGHZ Tz. 16 "Umschreibungsstopp"). Mit dem Senatsurteil vom 21. September
2009 ist auch entschieden, dass der Versammlungsleiter grundsätzlich statt der
Gesamt- eine Einzelentlastung anordnen darf. Weitere Fragen grundsätzlicher
Art stellen sich nicht.
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III.
Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
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1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen,
dass die fehlende Entsprechenserklärung die Anfechtung der Entlastung der
bereits im Mai 2005 ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitglieder nicht rechtfertigt.
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Die Nichtabgabe der nach § 161 AktG vorgeschriebenen Entsprechenserklä-
rung ist ein Gesetzesverstoß, der die Entlastungsentscheidung für die Organ-
mitglieder anfechtbar machen kann, die diesen Gesetzesverstoß begangen ha-
ben. Dazu zählen die bereits im Mai 2005 ausgeschiedenen Aufsichtsratmit-
glieder nicht. Da im April 2005 eine Entsprechenserklärung abgegeben wurde,
war eine neue jährliche Entsprechenserklärung erst wieder im April 2006 ab-
zugeben (vgl. Sen.Urt. v. 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, ZIP 2009, 460, z.V.b.
in BGHZ 180, 9 Tz. 19 "Kirch/Deutsche Bank").
2. Der Versammlungsleiter durfte in Ausübung des ihm zustehenden Er-
messens über die Entlastung jedes Aufsichtsratsmitglieds gesondert abstimmen
lassen (Sen.Urt. v. 21. September 2009 - II ZR 174/08, ZIP 2009, 2051 z.V.b. in
BGHZ Tz. 12 "Umschreibungsstopp").
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3. Schließlich ist der Entlastungsbeschluss auch nicht wegen einer Ver-
letzung des Informationsrechts des Klägers zur Unternehmensführung anfecht-
bar. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger
schon nicht vorgetragen hat, dass seine Fragen einen Bezug zur Tätigkeit der
ausgeschiedenen Aufsichtsräte haben und für die Entscheidung über ihre Ent-
lastung relevant sind. Da diese Organmitglieder bereits im Mai 2005 ausge-
schieden sind, versteht es sich entgegen der Auffassung der Revision nicht von
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selbst, dass seine Fragen, soweit sie überhaupt das Geschäftsjahr 2005 anbe-
langten, auch den Zeitraum betrafen, für den die ausgeschiedenen Aufsichts-
ratsmitglieder entlastet werden sollten.
Goette Strohn Reichart
Drescher Bender
Hinweis:
worden.
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 31.05.2007 - 5 HKO 22300/06 -
OLG München, Entscheidung vom 23.01.2008 - 7 U 3668/07 -