Urteil des BGH vom 09.11.2010

BGH (stpo, stgb, verfall, anordnung, rechtsmittel, nachteil, verletzter, bestand, verschlechterungsverbot, urlaub)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 447/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am 9. No-
vember 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Saarbrücken vom 27. Mai 2010 hinsichtlich
der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben;
die Feststellung entfällt.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels
zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmä-
ßig begangenen Betruges in sechs vollendeten und 16 versuchten Fällen sowie
wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Betrug zu einer Gesamtfrei-
heitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es
festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von
8.000 Euro Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Gegen dieses Urteil wendet
sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und
materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel er-
sichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat
zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben.
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2. Dagegen hält die vom Landgericht nicht näher begründete Feststel-
lung nach § 111i Abs. 2 StPO, deren Voraussetzungen auf die Sachrüge zu
prüfen sind, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Nach den hierzu vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststel-
lungen hat der Angeklagte für 13 Gutachten, die er zur Durchführung der Be-
trugstaten zum Nachteil von Kraftfahrzeugversicherungen erstellt hat, jeweils
250 € sowie für die Anwerbung eines weiteren Tatbeteiligten 500 €, insgesamt
also 3.750 €, erhalten (UA 16); die Zahlungen erfolgten unabhängig davon, ob
die in Anspruch genommenen Versicherungen für die vorgetäuschten Unfall-
schäden aufkamen.
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b) Diese Feststellungen tragen die Entscheidung nach § 111i Abs. 2
StPO nicht.
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Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist, dass das Gericht
nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall
erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2
StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentschei-
dung aber nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer "aus der Tat" einen Ver-
mögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das
"für die Tat" Erlangte unterliegt dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf An-
sprüche Verletzter (vgl. LK-Schmidt, 12. Aufl., § 73 Rn. 40; SSW-StGB/Burghart
StGB § 73 Rn. 37).
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"Aus der Tat" sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter
oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in
irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, insbesondere also die Beu-
te. Um Vorteile "für die Tat" handelt es sich demgegenüber, wenn die Vermö-
genswerte als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, etwa
wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. BGH, Urteil vom
22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4 m.w.N.).
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Im vorliegenden Fall fand eine Beuteteilung zwischen dem Angeklagten
und den übrigen Bandenmitgliedern nicht statt, vielmehr wurde der Angeklagte
"für seine Tatbeiträge" unabhängig vom Eintritt des Taterfolges bezahlt. Die
Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB findet somit keine Anwen-
dung. Damit hat auch die Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO keinen Bestand.
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Der Senat hebt das Urteil daher insoweit auf und lässt die Anordnung
entfallen, da eine Zurückverweisung zur Nachholung einer Verfallsanordnung
nach §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a Satz 1 StGB im Hinblick auf das Verschlechte-
rungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu BGH, Be-
schluss vom 10. November 2009 - 4 StR 443/09 Rn. 10).
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3. Der nur geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den
Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmit-
tel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
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Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
RiBGH Dr. Franke befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Ernemann Bender