Urteil des BGH vom 15.05.2014

BGH: unterbringung, auflage, abhängigkeit, rauschmittel, übung, gefahr, gesamtstrafe, disposition, inhaftierung, überprüfung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 S t R 1 1 / 1 4
vom
15. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. Mai 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Frankfurt am Main vom 11. September 2013 mit den zu-
gehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch,
b) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Ange-
klagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine an-
dere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Ein-
ziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten hat mit der
Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zur Einziehungs-
entscheidung keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Auch der Strafausspruch lässt keinen Rechtsfehler erkennen, unterliegt
aber gleichwohl der Aufhebung, weil das Landgericht keine Entscheidung über
die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt getroffen hat.
Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:
"Das festgestellte Konsumverhalten des Angeklagten und die ver-
fahrensgegenständlichen Betäubungsmittelstraftaten, deren Ge-
winne der Angeklagte ausschließlich dazu nutzte, seinen Drogen-
konsum zu finanzieren (UA S. 11/18) legen nahe, dass der Ange-
klagte einen Hang zum übermäßigen Konsum jedenfalls von Can-
nabis im Sinne von § 64 StGB hat. Dass der Angeklagte während
seiner Inhaftierung nicht unter körperlichen Entzugserscheinungen
gelitten hat (UA S. 14), steht der Annahme eines Hangs nicht not-
wendig entgegen. Eine körperliche Abhängigkeit muss nicht vor-
liegen; eine psychische Abhängigkeit im Sinne einer auf Dispositi-
on beruhenden oder durch Übung erworbenen intensiven Nei-
gung, Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren, genügt (Fischer
StGB 61. Auflage § 64 Rn. 9). Im Hinblick auf die Vortaten und die
Anlasstaten liegt zudem die Gefahr nahe, dass der Angeklagte in-
folge seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten bege-
hen wird. Bei diesem festgestellten Sachverhalt hatte sich das
Tatgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bei dem Ange-
klagten eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anzuord-
nen war. Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu
entnehmen, dass die Maßregel jedenfalls deshalb ausscheiden
müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Be-
handlungserfolges fehlt (§ 64 Satz 2 StGB). Die in den Jahren
2006 und 2011 erfolglosen Therapieversuche (UA S. 4/14/18) ste-
hen § 64 StGB nicht zwingend entgegen (Fischer StGB
61. Auflage § 64 Rn. 21).
Aus den genannten Gründen muss über die Frage der Anordnung
der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
neu verhandelt und entschieden werden. Es lässt sich nicht zwei-
felsfrei ausschließen, dass bei Anordnung der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die verhängten Einzel-
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strafen und die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wes-
halb auch der Strafausspruch nicht bestehen bleiben kann.
Dass der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachho-
lung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2
StPO). Der Angeklagte hat die Nichtanwendung des § 64 StGB
durch das Tatgericht ausdrücklich nicht vom Revisionsangriff aus-
genommen."
Dem schließt sich der Senat an.
Appl Schmitt Eschelbach
Ott Zeng
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