Urteil des BGH vom 13.03.2014

BGH: strafzumessung, geldstrafe, besitz, einfluss, gesamtstrafe, verfall, vollstreckung, bundesanwalt, verkündung, vertreter

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 S t R 4 8 3 / 1 3
vom
13. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. März
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Halle vom 2. Juli 2013 mit den zugehöri-
gen Feststellungen aufgehoben
a) in den Strafaussprüchen in den Fällen II. 1 bis 5 der
Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Land-
gerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft und
das Rechtsmittel des Angeklagten gegen das vorbezeich-
nete Urteil werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Handeltreibens mit Betäu-
bungsmitteln in nicht geringer Menge in 5 Fällen, davon in einem Fall in Tatein-
heit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und
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wegen Besitzes von Betäubungsmitteln
“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
Ferner hat es gegen ihn den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 2.000
€ an-
geordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revi-
sion des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft wendet sich gegen das Urteil mit
ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, wirksam auf den Straf-
ausspruch beschränkten Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts
rügt. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet; hingegen hat das vom Ge-
neralbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft weitgehend
Erfolg.
I.
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg, da die Nachprüfung
des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten erbracht hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung der Straf-
aussprüche in den Fällen II. 1 bis 5 der Urteilsgründe sowie des Gesamt-
strafenausspruchs; lediglich die
– entgegen der Auffassung des Generalbun-
desanwalts vom Revisionsangriff mitumfasste
– Strafe im Fall II. 6 hat Bestand.
1. Im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Strafuntergrenze
des von ihm angewendeten Tatbestands rechtsfehlerhaft unterschritten. Es hat
den Angeklagten in diesem Fall wegen (unerlaubten) Handeltreibens mit Be-
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täubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu der
Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Annahme eines minder
schweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG hat es ausdrücklich abgelehnt
(UA 21). Die verhängte Einzelstrafe unterschreitet daher die Untergrenze des
sich aus § 29a Abs. 1 BtMG ergebenden und von einem Jahr bis zu 15 Jahren
reichenden Strafrahmens.
2. Im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat die Strafkammer gegen § 52 Abs. 2
Satz 1 StGB verstoßen. Sie hat den Angeklagten in diesem Fall wegen (uner-
laubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tat-
einheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
zu der Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt (Ein-
satzstrafe). Einen minder schweren Fall hat sie auch insoweit für das Handel-
treiben verneint, für die Einfuhr hingegen bejaht. Die Strafe hat sie dem Straf-
rahmen des § 30 Abs. 2 BtMG
– drei Monate bis fünf Jahre – entnommen.
Zwar ist die Annahme eines minder schweren Falles der Einfuhr bei
gleichzeitiger Ablehnung eines solchen für das Handeltreiben nicht ausge-
schlossen. Jedoch hat das Landgericht gegen § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB versto-
ßen, indem es der konkreten Strafzumessung den Strafrahmen des § 30 Abs. 2
BtMG zugrunde gelegt hat. Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB wird, wenn wie hier
mehrere Strafgesetze verletzt sind, die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, dass
die schwerste Strafe androht. Hierbei kommt es nicht auf den jeweiligen Regel-
strafrahmen der beiden zueinander in Tateinheit stehenden Tatbestände, son-
dern auf die konkret in Betracht kommenden Strafrahmen unter Berücksichti-
gung von Ausnahmestrafrahmen wie bei minder oder besonders schweren
Fällen an (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2003
– 3 StR 123/03, NStZ 2004,
109, 110; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 52 Rn. 47; MüKoStGB/
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von Heintschel-Heinegg, 2. Aufl., § 52 Rn. 120). Deshalb hätte das Landgericht
einen Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe wegen unerlaub-
ten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a
Abs. 1 BtMG seiner Straffindung zu Grunde legen müssen.
3. Der Senat hebt auch die in den Fällen II. 3 bis 5 der Urteilsgründe we-
gen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und zwei Monaten und zweimal je
einem Jahr Freiheitsstrafe auf, um dem neu zur Entscheidung berufenen
Tatrichter die Möglichkeit einer in sich ausgewogenen Strafzumessung zu ge-
ben. Dieser hat Gelegenheit, auch die weiteren Einwendungen der Revisions-
führerin und der Generalstaatsanwaltschaft bei der erneuten Straffestsetzung
zu erwägen.
4. Hingegen schließt der Senat auch unter Berücksichtigung des weite-
ren Revisionsvorbringens der Staatsanwaltschaft aus, dass die im Fall II. 6 der
Urteilsgründe wegen (unerlaubten) Besitzes von Betäubungsmitteln verhängte
Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 45
€ von Rechtsfehlern zu Gunsten des
Angeklagten beeinflusst worden sein könnte. Dabei geht der Senat davon aus,
dass das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung auf UA 22 lediglich verse-
hentlich
– neben dem unerlaubten Besitz – auch das Sich-Verschaffen von Be-
täubungsmitteln erwähnt hat. Diese Tatbestandsvariante des § 29 Abs. 1 Nr. 1
BtMG hat das Landgericht nicht in den Tenor des angefochtenen Urteils aufge-
nommen; sie ausfüllende Feststellungen hat es nicht getroffen. Einfluss auf die
Strafzumessung hat dieser Umstand ersichtlich nicht gehabt.
5. Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II. 1 bis 5 der Urteilsgründe
entzieht der verhängten
– an sich jedenfalls nicht unvertretbar milden und zu
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Lasten des Angeklagten aus einem fehlerhaft berechneten Gesamtstrafrahmen
entnommenen
– Gesamtstrafe die Grundlage.
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak
Bender
Quentin