Urteil des BGH vom 02.11.2010

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 473/10
vom
2. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der
Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsge-
richt Bocholt vom 4. März 2010 mit den Feststellungen
aufgehoben, soweit der Verfall eines Geldbetrages an-
geordnet ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verur-
teilt; ferner hat es den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 5.000 Euro an-
geordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiel-
len Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der
Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im
Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Anordnung des Wertersatzverfalls gemäß § 73a Satz 1 StGB hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des Landgerichts, der Ange-
klagte habe "insgesamt ... 17.000 € im Sinne des § 73 StGB erlangt", begegnet
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermö-
genswert aus der Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt, wenn er
dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands
in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist (BGH, Urteile vom 30. Mai
2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246, und vom 29. Juni 2010
- 1 StR 245/09), er an ihm also unmittelbar aus der Tat (tatsächliche, aber nicht
notwendig rechtliche) Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermö-
genszuwachs erzielt hat (BGH, Urteile vom 4. Februar 2009 - 2 StR 504/08, JZ
2009, 1124 m. Anm. Rönnau und vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10
m.w.N.). Ein lediglich erzielbarer Vermögenszuwachs kann nicht für verfallen
erklärt werden (BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 2000 - 3 StR 393/00,
NStZ-RR 2001, 82 und vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 344/05, NStZ-RR 2006,
39); das gilt auch für den Verfall von Wertersatz (BGH, Beschluss vom 10. Sep-
tember 2002 - 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199).
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b) Das Landgericht hat, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antrags-
schrift zutreffend ausgeführt hat, nicht festgestellt, dass der Angeklagte das bei
der Tat II. 102 erworbene Kokain weiterveräußert hat. Die Strafkammer hat - für
sich unbedenklich - gemäß § 73b StGB geschätzt, "dass er die Betäubungsmit-
tel für 50,-- € pro Gramm weiterveräußern könnte". Damit ist eine tatsächlich
erfolgte Weiterveräußerung nicht belegt; im Blick auf die zeitliche Nähe dieses
und des vorangegangenen Betäubungsmittelgeschäfts versteht sich dies auch
nicht von selbst.
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c) Damit ist der Verfallsentscheidung - auch unter Berücksichtigung des
nach § 73c StGB festgesetzten Betrages in Höhe von 5.000 Euro - der Boden
entzogen.
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2. Wegen des Erfordernisses einer zumindest faktischen Mitverfügungs-
macht mehrerer Täter über den Vermögensgegenstand und wegen der Frage
einer gesamtschuldnerischen Haftung verweist der Senat auf sein Urteil vom
28. Oktober 2010 in der Sache 4 StR 215/10.
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Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender