Urteil des BGH vom 10.07.2014

BGH: fonds, gesellschaft, geschäftsführer, verjährungsfrist, produktion, reiter, zeichnung, anleger, berufsbild, erwachsener

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 177/12
Verkündet am:
10. Juli 2014
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juli 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herr-
mann, Hucke, Dr. Remmert und Reiter
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des Oberlan-
desgerichts München - 18. Zivilsenat - vom 8. Mai 2012 im Kos-
tenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklag-
ten zu 1 erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechts-
zugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten Ersatzansprüche im Zusammen-
hang mit einer Beteiligung an der M. GmbH & Co. KG, einem Medi-
enfonds, geltend. Er zeichnete am 12. November 2001 eine Kommanditbeteili-
gung an dem Fonds über 50.000
€ zuzüglich 5 % Agio. Die Beteiligung wurde
treuhänderisch von einer anderen Gesellschaft gehalten. Am 27. November
2001 zahlte er 52.500 € an die Treuhänderin.
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Die Anlage wurde anhand eines Emissionsprospekts vertrieben, aus dem
sich unter anderem die Mittelverwendungskontrolle durch eine international täti-
ge Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ergab, deren Firma "aus standesrechtlichen
Gründen" nicht genannt wurde. Diese Aufgabe übernahm die Beklagte zu 1.
Der Beklagte zu 2, der im Revisionsverfahren nicht mehr beteiligt ist, war Ge-
schäftsführer der Komplementärgesellschaft des Fonds. Er hatte außer dem
hier maßgeblichen Medienfonds auch zwei gleichartige Fondsgesellschaften mit
der Bezeichnung "M. " im Namen initiiert und als Geschäftsführer der jeweili-
gen Komplementär-GmbH geleitet.
Nach § 4 Nr. 7 des in dem Emissionsprospekt abgedruckten Vertrags
zwischen der Beklagten zu 1 einerseits sowie der Treuhandkommanditistin, der
Fondsgesellschaft und einer weiteren Gesellschaft der M. -Gruppe anderer-
seits durfte die Beklagte zu 1 Mittel für die Produktion von Filmen nur freigeben,
wenn ihr der Nachweis einer Fertigstellungsgarantie durch entsprechende Un-
terlagen, Bestätigungserklärungen oder einen "Letter of Commitment" einer
"Completion Bond Gesellschaft" sowie durch Kopien der Versicherungspolicen
der abgeschlossenen Ausfall-, Negativ- beziehungsweise Datenträgerversiche-
rung übergeben worden war. Allerdings durfte die Beklagte nach Nummer 8 des
§ 4 des Vertrags "nach pflichtgemäßem Ermessen fällige Beträge für Produkti-
onen auch auszahlen, wenn
… ein oder mehrere Nachweise noch nicht vorlie-
gen und die Auszahlung erforderlich ist und/oder dazu dient, die Einstellung der
Produktion und/oder finanzielle Schäden von M. und/oder ihren Gesellschaf-
tern abzuwenden."
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Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 1 habe spätestens ab Oktober
2001 entgegen dem im Prospekt vermittelten Eindruck und im Widerspruch zum
Gesamtkonzept der Anlage serienmäßig von § 4 Nr. 8 des Mittelverwendungs-
kontrollvertrags Gebrauch gemacht. Ferner hat der Kläger eine unterbliebene
beziehungsweise fehlerhafte Ermessensausübung durch die Beklagte behaup-
tet. In gleicher Weise sei die Beklagte zu 1 bereits in Vorgängerfonds der M. -
Gruppe verfahren. Hätte er von dieser Praxis Kenntnis gehabt, hätte er die An-
lage nicht getätigt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte zu 1 hafte
ihm wegen der Verletzung des Mittelverwendungskontrollvertrags auf Ersatz
des Zeichnungsschadens. Beide Beklagten seien ihm wegen der - einvernehm-
lich ausgeübten - Mittelfreigabepraxis überdies nach § 823 Abs. 2, § 830 BGB
i.V.m. § 263 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB beziehungsweise gemäß §§ 826, 31
BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
Die Beklagten sind dem Vorbringen des Klägers entgegen getreten und
haben sich auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von
40.784 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte des Klägers
aus der Beteiligung sowie zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsan-
waltskosten des Klägers und von dessen sämtlichen weiteren Verbindlichkeiten
aus der Beteiligung verurteilt. Ferner hat es antragsgemäß den Annahmeverzug
der Beklagten wegen der Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung des Klä-
gers festgestellt. Die Berufung der Beklagten hat lediglich insoweit Erfolg ge-
habt, als das Oberlandesgericht die auf Freistellung von weiteren, aus der Be-
teiligung folgenden Forderungen gerichtete Klage abgewiesen hat. In Richtung
auf die Beklagte zu 1 hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen. Mit
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ihrem Rechtsmittel verfolgt sie die vollständige Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten zu 1 (im Folgenden nur noch Be-
klagte) führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zu-
rückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe gegenüber dem
Kläger bestehende vorvertragliche Hinweispflichten verletzt. Der Mittelverwen-
dungskontrollvertrag habe Schutzwirkung zugunsten der Anleger entfaltet. Die
Beklagte habe den Kläger vor Zeichnung der Anlage darauf hinweisen müssen,
dass sie ihren Mitwirkungs-, Kontroll- und Überwachungspflichten nicht in dem
vertraglich vorgesehenen Umfang nachkommen werde.
Der Kläger habe die tatsächliche, pflichtwidrige Freigabepraxis der Be-
klagten, bei der regelmäßig und standardisiert auf die vereinfachte Mittelfreiga-
be nach § 4 Nr. 8 des Mittelverwendungskontrollvertrags zurückgegriffen wor-
den sei, hinreichend dargelegt. Für die Beklagte, die dem Vorbringen des Klä-
gers wenig Substanzielles entgegengesetzt habe, sei jedenfalls im Zeitpunkt
des Beitritts des Klägers erkennbar gewesen, dass das Regel-/Ausnahmever-
hältnis von § 4 Nr. 7 und 8 des Vertrags schon seit längerer Zeit in sein Gegen-
teil verkehrt worden sei.
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Darüber hinaus habe die Beklagte auch das in § 4 Nr. 8 des Mittelver-
wendungskontrollvertrags eröffnete Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt,
was ihr zum Zeitpunkt des Beitritts des Klägers auch bewusst gewesen sei.
Diese Pflichtverletzung sei für die Beitrittsentscheidung des Klägers kau-
sal gewesen.
Die auf Ersatz des Zeichnungsschadens gerichtete Schadensersatzfor-
derung sei nicht verjährt. Insbesondere unterliege die Haftung der Beklagten
nicht der kurzen Verjährung des § 51a WPO aF. Die Mittelverwendungskontrol-
le gehöre nicht zu den Tätigkeiten, die dem Berufsbild des Wirtschaftsprüfers
zuzuordnen seien.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt
nicht stand.
1.
Der Senat geht davon aus, dass die Revision unbeschränkt zugelassen
ist, da sich der in seiner hierzu gegebenen Begründung enthaltene Hinweis der
Vorinstanz auf die divergierende Beurteilung der Anwendbarkeit des § 51a
WPO aF durch den 8. Zivilsenat des Berufungsgerichts in der vorliegenden
Fallgestaltung nicht auf einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstands bezieht
(vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Februar 2014 - III ZR 200/13, juris Rn. 5).
Die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist damit
gegenstandslos (vgl. Senat aaO mwN).
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2.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts findet § 51a WPO aF - ge-
gebenenfalls nach Maßgabe des § 139b Abs. 1 WPO - auf Schadensersatzan-
sprüche gegen einen Wirtschaftsprüfer wegen der Verletzung von Aufklärungs-
pflichten aus einem Mittelverwendungskontrollvertrag Anwendung. Dies hat der
Senat in seinen - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen -
dieselbe Beklagte und ebenfalls M. -Fonds betreffenden Urteilen vom 11. April
2013 entschieden (III ZR 79/12, WM 2013, 1016 Rn. 23 ff und III ZR 80/12,
BeckRS 2013, 07847 Rn. 21 ff; seither ständige Rechtsprechung des Senats,
z.B.: Urteile vom 31. Oktober 2013 - III ZR 164/12, BeckRS 2013, 19774 Rn. 14
und III ZR 294/11, BeckRS 2013, 19775 Rn. 13; Beschlüsse vom 27. Februar
2014 - III ZR 200/13, juris Rn. 2 und vom 28. Januar 2014 - III ZR 209/13,
BeckRS 2014, 03307 Rn. 3). Auf die eingehende Begründung in diesen Urteilen
wird verwiesen.
Auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes ist die fünf
Jahre betragende Verjährungsfrist des § 51a WPO aF vor Erhebung der Klage
abgelaufen. In dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch entstanden ist, beginnt der
Lauf der Frist des § 51a WPO aF Der Kläger leitet seine Forderung gegen die
Beklagte aus dem Vorwurf her, diese habe es unterlassen, ihn vor seinem Bei-
tritt zu dem Fonds über die (von ihm behaupteten) Mängel der Mittelverwen-
dungskontrolle aufzuklären. Ein hieraus erwachsener Schaden bestünde in der
Eingehung der Beteiligung und wäre demnach mit Eintritt der rechtlichen Bin-
dung des Klägers an seine Beteiligungsentscheidungen entstanden (vgl. Se-
natsurteile vom 11. April 2013 - III ZR 79/12 aaO Rn. 29; III ZR 80/12 aaO
Rn. 27 jeweils mwN). Der Kläger hat den Beitritt am 12. November 2001 erklärt.
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Nach seiner Darstellung erfolgte die Annahmeerklärung noch im selben Monat.
Die fünfjährige Verjährungsfrist wäre in Bezug auf etwaige Schadensersatzan-
sprüche damit spätestens am 30. November 2006, mithin lange vor der Klage-
erhebung im September 2010 abgelaufen.
Die Grundsätze der Sekundärhaftung greifen zugunsten des Klägers
nicht ein (vgl. Senatsurteile vom 11. April 2013 - III ZR 79/12 aaO Rn. 31; III ZR
80/12 aaO Rn. 29).
3.
Allerdings ist die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563
Abs. 3 ZPO). Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand und den vom Beru-
fungsgericht hierzu getroffenen Feststellungen kommt ein unverjährter Scha-
densersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB
i.V.m. § 264 a Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB sowie §§ 826, 830 BGB in Betracht, weil
deren Mitarbeiter, für die sie gemäß § 31 oder § 831 BGB haftbar sein könnte,
an deliktischen Handlungen des früheren Beklagten zu 2 mitgewirkt haben
könnten. Hierzu bedarf es jedoch weiterer tatsächlicher Feststellungen, die das
Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang nicht
getroffen hat. Auch insoweit wird auf die Senatsurteile vom 11. April 2013
(III ZR 79/12 aaO Rn. 32, 36 ff und III ZR 80/12 aaO Rn. 30, 34 ff) verwiesen.
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4.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich auch
mit den übrigen Rügen der Revision zu befassen, auf die einzugehen, der Se-
nat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.
Schlick
Herrmann
Hucke
Remmert
Reiter
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 13.12.2011 - 28 O 17340/10 -
OLG München, Entscheidung vom 08.05.2012 - 18 U 5114/11 -
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