Urteil des BGH vom 18.06.2013

BGH: vertreter, gesellschaft, erlöschen, amt, anfechtungsklage, rechtfertigung, widerruf, ermessen, anfechtungsfrist, satzung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZA 4/12
vom
18. Juni 2013
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juni 2013 durch den Vor-
sitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und die Richterin Dr. Reichart sowie die
Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird
abgelehnt.
Gründe:
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg (§ 114 ZPO). Die Prozesskostenhilfe ist auch für eine wie hier vom
Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision zu
verweigern, wenn sie nach § 552a ZPO zurückzuweisen wäre (BGH, Beschluss
vom 27. September 2007 - V ZR 113/07, NJW-RR 2008, 304 Rn. 1; Beschluss
vom 26. November 2007 - II ZA 17/06, juris Rn. 1). Nach § 552a ZPO wäre die
Revision durch Beschluss zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die
Zulassung der Revision nicht vorliegen und sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
Da die Revision unbeschränkt zugelassen ist, ist für eine ergänzende Nichtzu-
lassungsbeschwerde, für die der Kläger ebenfalls Prozesskostenhilfe begehrt,
kein Raum.
1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Das Berufungsgericht hat die Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung
zugelassen. Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO
hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürf-
tige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten
1
2
- 3 -
Vielzahl von Fällen stellen kann und die deshalb das abstrakte Interesse der
Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts
berührt, wobei insbesondere erforderlich ist, dass die betreffende Rechtsfrage
in einem gewissen Umfang umstritten ist (st. Rspr. siehe nur BGH, Beschluss
vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291).
Eine klärungsbedürftige umstrittene Rechtsfrage stellt sich nicht. Dass
die Organe einer Gesellschaft, die auf eine andere Gesellschaft verschmolzen
wird, ihre Funktion verlieren, ist nicht umstritten. Vielmehr besteht Einigkeit,
dass das Erlöschen eines Rechtsträgers im Zuge seiner Verschmelzung auf
einen anderen Rechtsträger zum Erlöschen der Ämter der Organe führt (vgl.
BGH, Urteil vom 10. Januar 2000 - II ZR 251/98, ZIP 2000, 508, 510; BAG,
ZIP 2003, 1010, 1012; Grunewald in Lutter/Winter, UmwG, 4. Aufl., § 20 Rn. 28;
Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwG, 5. Aufl., § 20 Rn. 8; Marsch-Barner in
Kallmeyer, UmwG, 5. Aufl., § 20 Rn. 13 und 16; Kübler in Semler/Stengel,
UmwG, 3. Aufl., § 20 Rn. 20; Heidinger in Henssler/Strohn, § 20 UmwG Rn. 47;
Schäffler in HK-UmwG, § 20 Rn. 4; vgl. auch zur formwechselnden Umwand-
lung BGH, Beschluss vom 8. Januar 2007 - II ZR 267/05, ZIP 2007, 910 Rn. 6).
Dass auch der besondere Vertreter nach § 147 Abs. 2 AktG ein Organ ist, ist
geklärt (BGH, Beschluss vom 27. September 2011 - II ZR 225/08, ZIP 2011,
2195; Urteil vom 18. Dezember 1980 - II ZR 140/79, ZIP 1981, 178, 179). Dar-
aus folgt ohne weiteres, dass auch das Amt des besonderen Vertreters mit der
Verschmelzung des übertragenden Rechtsträgers auf einen anderen Rechts-
träger erlischt. Von dem Erlöschen des Organamtes ist der besondere Vertreter
nicht auszunehmen, weil er Schadensersatzansprüche für den erloschenen
übertragenden Rechtsträger geltend zu machen hatte. Die Aufgabe, solche
Schadensersatzansprüche geltend zu machen, obliegt nach der Verschmelzung
den Organen des übernehmenden Rechtsträgers. Der besondere Vertreter des
3
- 4 -
übertragenden Rechtsträgers nach § 147 Abs. 2 AktG wird auch nicht besonde-
rer Vertreter nach § 26 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Dieser soll andere Schadenser-
satzansprüche, nämlich nach § 25 Abs. 1 und 2 UmwG, geltend machen, und
nur insoweit wird der alte Rechtsträger als fortbestehend fingiert. Der besonde-
re Vertreter nach § 26 Abs. 1 Satz 1 UmwG wird zudem vom Gericht und nicht
von der Hauptversammlung bestellt.
Auch weitere grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen stellen sich nicht.
Dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage entfallen kann,
wenn der angefochtene Beschluss keinerlei Wirkung mehr hat, hat der Senat
ebenfalls schon geklärt (BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 - II ZR 56/12, ZIP
2013, 720 Rn. 11; Beschluss vom 27. September 2011 - II ZR 225/08, ZIP
2011, 2195; Urteil vom 15. Dezember 2003 - II ZR 194/01, BGHZ 157, 206,
210).
2. Die Revision hätte auch keinen Erfolg. Das Rechtsschutzbedürfnis für
die Anfechtung des Beschlusses der Hauptversammlung des übertragenden
Rechtsträgers, mit dem die Bestellung von Prof. H. zum besonderen
Vertreter widerrufen wurde, ist mit der Verschmelzung entfallen. Der angefoch-
tene Beschluss hat keinerlei Wirkung für die Gesellschaft oder die Organe
mehr. Auch wenn der Widerrufsbeschluss für nichtig erklärt würde, könnte
Prof. H. keine weitere Tätigkeit entfalten, weil sein Amt mit der Ver-
schmelzung geendet hätte.
Im Übrigen hätte die Anfechtungsklage auch dann keinen Erfolg, wenn
das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage fortbestehen würde. Der Widerrufsbe-
schluss wäre nur für nichtig zu erklären, wenn er das Gesetz oder die Satzung
verletzt, § 243 Abs. 1 AktG. Eine Gesetzes- oder Satzungsverletzung hat der
4
5
6
- 5 -
Kläger nicht dargelegt. Er hat als Anfechtungsgrund innerhalb der Anfech-
tungsfrist (§ 246 Abs. 1 AktG) nur geltend gemacht, dem Widerrufsbeschluss
fehle die tragende Grundlage, weil er der Hauptversammlung mit der Argumen-
tation vorgeschlagen worden sei, dass im Falle einer Verschmelzung ein pri-
mär operativ verantwortliches Management sich auf die operative Aufgabe kon-
zentrieren müsse und eine weitere Verfolgung der Rechte gegenüber F.
T. zusätzliche Risiken für die Gesellschaft begründe. Den Anfechtungs-
grund bilde daher, dass weder der Verschmelzungsbericht noch die Darlegun-
gen zur Begründung des Widerrufsbeschlusses darauf hinwiesen, dass der Ge-
sellschaft zwei Gutachten vorlägen, die zum Ergebnis gelangten, dass F.
T. das Cooperation Framework Agreement nicht wirksam gekündigt hät-
ten, wie Prof. H. auf der Hauptversammlung ausgeführt habe. Damit
rügt der Kläger die sachliche Rechtfertigung des Widerrufsbeschlusses, aber
- 6 -
keinen Gesetzes- oder Satzungsverstoß. Ein Widerruf der Bestellung zum be-
sonderen Vertreter durch die Hauptversammlung ist ohne wichtigen Grund zu-
lässig, im Aktiengesetz nicht verboten (MünchKommAktG/Hüffer, 3. Aufl., § 147
Rn. 72) und steht folglich im Ermessen der Hauptversammlung.
Bergmann
Reichart
Drescher
Born
Sunder
Vorinstanzen:
LG Kiel, Entscheidung vom 18.11.2010 - 16 O 151/05 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 06.06.2012 - 9 U 2/11 -