Urteil des BGH vom 20.03.2014

BGH: beihilfe, transport, mittäterschaft, beförderung, einfluss, ausnahme, gestaltung, entscheidungsformel, rüge, überprüfung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 3 7 5 / 1 3
vom
20. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag -
am 20. März 2014 gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-
gerichts Hannover vom 27. Juni 2013 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.
14 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäu-
bungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist; im
Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens
und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staats-
kasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert,
dass der Angeklagte der Einfuhr von Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handel-
treiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
15 Fällen schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines
Rechtsmittels zu tragen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen, davon in 15
Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der
Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts
gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Entscheidungs-
formel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist es aus den Gründen der An-
tragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts
gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 14 der
Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge verurteilt worden ist. Dies führt insoweit zur Änderung des Schuld-
spruchs und zum Wegfall der für diese Tat festgesetzten Einzelstrafe von zehn
Monaten.
2. In den verbleibenden 15 Fällen hält der Schuldspruch rechtlicher
Überprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer den Angeklagten - neben der
tateinheitlich verwirklichten Einfuhr - wegen täterschaftlichen Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Die vom Landge-
richt festgestellte Kuriertätigkeit des Angeklagten ist mit Blick auf den Vorwurf
des Handeltreibens vielmehr lediglich als Beihilfe zu werten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs gelten für die Abgren-
zung von Täterschaft und Teilnahme auch im Betäubungsmittelrecht die
Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Für die rechtliche Einordnung der Be-
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teiligung eines Kuriers an einem Rauschgiftgeschäft ist mithin auf dessen kon-
kreten Beitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt abzustellen. Erschöpft sich
die Tätigkeit eines Beteiligten allein im Transport von Betäubungsmitteln oder
des Entgelts dafür, kommt dieser mit Blick auf das Umsatzgeschäft in der Regel
keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu. Insoweit kommt es auch nicht
entscheidend darauf an, ob der Kurier hinsichtlich des Transports ein hohes
Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft innehat, denn auch bei faktischen
Handlungsspielräumen insoweit wird das Handeln des Kuriers zumeist nur eine
untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein
(BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
Handeltreiben 77 mwN).
Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Kurier erhebliche, über den
reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, etwa am An- und Ver-
kauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse
am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am
Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung
des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchfüh-
rung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst
wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Dro-
gen, von Kaufgeld oder Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch
eine weit gehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge
der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung des Transports für
eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am
Gesamtgeschäft sprechen (BGH aaO).
Solche Umstände hat die Strafkammer indes nicht festgestellt: Der An-
geklagte war weder am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar be-
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teiligt, noch hatte er Einfluss auf Art und Menge der zu transportierenden Dro-
gen. Er erhielt keine Umsatzbeteiligung, sondern einen festen Kurierlohn. Er
war nicht gleichberechtigt in die arbeitsteilige Durchführung des Umsatzge-
schäftes eingebunden, sondern befolgte - mit Ausnahme des reinen Trans-
ports, den er eigenverantwortlich gestalten konnte - die Vorgaben seiner Auf-
traggeber.
3. Die Änderung des Schuldspruchs und der Wegfall der Einzelstrafe im
Fall II. 14 der Urteilsgründe lassen den Strafausspruch im Übrigen unberührt.
Die Strafkammer hat das von ihr angenommene täterschaftliche Handel-
treiben bei der Zumessung der dem - nach den § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB
gemilderten - Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG entnommenen Einzelstrafen
nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, vielmehr zu seinen Gunsten
auf seine untergeordnete Rolle im Gesamtsystem der Drogengeschäfte abge-
stellt. Der Senat kann deshalb ausschließen, dass das Landgericht bei zutref-
fender Bewertung der Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge als Beihilfe zu niedrigeren Einzelstrafen gelangt wäre.
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Ebenso schließt der Senat mit Blick auf die verbleibenden Einzelstrafen von
vier Mal einem Jahr und vier Monaten und elf Mal einem Jahr Freiheitsstrafe
aus, dass die Strafkammer ohne die im Fall II. 14 der Urteilsgründe verhängte
Einzelstrafe von zehn Monaten auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe er-
kannt hätte.
Becker Hubert Schäfer
Gericke Spaniol