Urteil des BGH vom 03.07.2014

BGH: wiedereinsetzung in den vorigen stand, einfluss

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I X Z B 2 / 1 4
vom
3. Juli 2014
in dem Insolvenzverfahren
- 2 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape
und die Richterin Möhring
am 3. Juli 2014
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer
des Landgerichts Fulda vom 13. Dezember 2013 wird auf Kosten
des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird
auf 5.000
€ festgesetzt.
Gründe:
I.
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde am
14. November 2012 eröffnet und Rechtsanwältin M. als Insolvenzverwalterin
bestellt. Gleichzeitig ordnete das Insolvenzgericht das schriftliche Verfahren an,
bestimmte, dass Gegenstand des schriftlichen Verfahrens unter anderem die
Prüfung der angemeldeten Forderungen sei, und setzte eine Frist zur Erklärung
etwaiger Widersprüche durch den Schuldner bis zum 15. April 2013. Am
1. März 2013 teilte die Insolvenzverwalterin dem Insolvenzgericht mit, dass drei
Gläubiger Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung an-
1
- 3 -
gemeldet hätten (Summe: 131.593,77
€). Das Insolvenzgericht informierte den
Schuldner hierüber, belehrte ihn nach § 175 Abs. 2 InsO und gab ihm bis zum
15. April 2013 Gelegenheit, schriftlich Widerspruch gegen diese Forderungen
zu erheben. Die Belehrung wurde dem Schuldner am 8. März 2013 zugestellt.
Innerhalb der ihm gesetzten Frist ging ein Widerspruch nicht ein.
Mit Schreiben vom 5. Juni 2013 hat der Schuldner beim Insolvenzgericht
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 186 Abs. 1 InsO, §§ 233 bis 236
ZPO wegen der Versäumung der Frist zur Erhebung eines Widerspruchs gegen
die Anmeldung von drei Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter
Handlung beantragt und Widerspruch eingelegt. Die Rechtspflegerin hat diesen
Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen rechtzeitig eingelegte Erinnerung hat die
Rechtspflegerin als sofortige Beschwerde behandelt und nicht abgeholfen. Das
Beschwerdegericht hat letztlich die als sofortige Beschwerde behandelte Erin-
nerung des Schuldners zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zuge-
lassenen Rechtsbeschwerde will der Schuldner die Wiedereinsetzung in die
versäumte Frist und die Eintragung des Widerspruchs gegen die Qualifizierung
der drei Forderungen als solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Hand-
lung erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die sofortige Beschwerde ge-
gen die Ablehnung der Wiedereinsetzung unstatthaft war.
1. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist im Rechtsbeschwerde-
verfahren von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003
2
3
4
- 4 -
- IX ZB 369/02, NJW 2004, 1112, 1113; vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03,
NZI 2005, 414, 415; vom 21. Dezember 2006 - IX ZB 81/06, NZI 2007, 166
Rn. 6; vom 1. August 2007 - III ZB 35/07, AGS 2007, 589 Rn. 3). War die sofor-
tige Beschwerde unstatthaft, so fehlt es an einem gültigen und rechtswirksamen
Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht (BGH, Beschluss vom 23. Okto-
ber 2003, aaO; vom 6. Mai 2004 - IX ZB 104/04, NZI 2004, 447; vom 1. August
2007, aaO).
2. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss der
Rechtspflegerin war unstatthaft.
a) Nach der Vorschrift des § 6 Abs. 1 InsO sind Entscheidungen des In-
solvenzgerichts nur in den gesetzlich bestimmten Fällen mit der sofortigen Be-
schwerde anfechtbar. Da die Insolvenzordnung gegen die Entscheidung des
Insolvenzgerichts über einen Wiedereinsetzungsantrag des Schuldners nach
der Bestimmung des § 186 Abs. 1 InsO die sofortige Beschwerde nicht vorsieht,
findet allein die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG statt, wenn das In-
solvenzgericht durch den Rechtspfleger entschieden hat (BGH, Beschluss vom
20. April 2011 - IX ZA 52/10, ZIP 2011, 1170 Rn. 2).
Dem Wortlaut nach bezieht sich § 186 Abs. 1 Satz 1 InsO nur auf den
Fall, dass der Schuldner den Prüfungstermin versäumt. Die Wiedereinset-
zungsmöglichkeit nach diesen Vorschriften besteht jedoch auch dann, wenn
das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet hat und der Schuldner die
vom Gericht bestimmte Frist versäumt (Jaeger/Gerhardt, InsO, § 186 Rn. 5;
MünchKomm-InsO/Schumacher, 3. Aufl., § 186 Rn. 1; Pape/Schaltke in Küb-
ler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 186 Rn. 4).
5
6
7
- 5 -
b) Gegen den Beschluss der Rechtspflegerin fand mithin nur die Erinne-
rung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG statt. Nachdem die Rechtspflegerin der
Erinnerung nicht abgeholfen hat, hätte sie diese gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3
RPflG dem Insolvenzrichter vorlegen müssen. Das Beschwerdegericht hätte
nicht in der Sache entscheiden dürfen, sondern hätte die ausdrücklich so be-
zeichnete Erinnerung an das Amtsgericht zur Entscheidung im Erinnerungsver-
fahren zurückgeben müssen. Dieser Verfahrensfehler kann jedoch auf die un-
zulässige Rechtsbeschwerde hin nicht korrigiert werden (vgl. BGH, Beschluss
vom 1. August 2007 - III ZB 35/07, AGS 2007, 589 Rn. 4).
3. An die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landgericht ist
das Rechtsbeschwerdegericht nicht gemäß § 574 Abs. 3 Satz 3 ZPO gebun-
den. Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde
in den Fällen nicht eröffnet, in denen - wie hier - schon das Rechtsmittel zum
Beschwerdegericht nicht statthaft war (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2004
- XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14, 15; vom 1. August 2007, aaO Rn. 5; vom
7. Februar 2013 - VII ZB 58/12, NJW-RR 2013, 1081 Rn. 8).
III.
Dem Schuldner waren die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
nach § 4 InsO, § 97 ZPO aufzuerlegen. Hierbei ist allerdings zu berücksichti-
gen, dass die Insolvenzverwalterin am Wiedereinsetzungsverfahren nicht betei-
8
9
10
- 6 -
ligt ist, weil die Wiedereinsetzung keinen Einfluss auf die Insolvenzmasse hat
(vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 186 Rn. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Juni
2008 - IX ZR 100/07, NZI 2008, 569 Rn. 14).
Kayser
Vill
Lohmann
Pape
Möhring
Vorinstanzen:
AG Fulda, Entscheidung vom 29.07.2013 - 91 IN 42/12 -
LG Fulda, Entscheidung vom 13.12.2013 - 5 T 159/13 -