Urteil des BGH vom 23.11.2010

BGH (menge, verfall, geld, stgb, einfuhr, beihilfe, nachteil, anordnung, rechtsmittel, wohnung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 421/10
vom
23. November 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 2. Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerde-
führer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
23. November 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Kleve vom 12. August 2010 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit der erweiterte Verfall an-
geordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmit-
tel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Einfuhr von Betäu-
bungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltrei-
ben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von
sechs Jahren verurteilt. Gegen die Angeklagte A. hat es wegen Beihilfe
zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine
Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung
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ausgesetzt worden ist. Außerdem hat es 27 Kilogramm Haschisch eingezogen,
von den Angeklagten bei der Tat mitgeführte 1.300 € für verfallen erklärt und
"hinsichtlich der in der Wohnung der Angeklagten sichergestellten 5.700 €" den
erweiterten Verfall angeordnet.
Das auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel des An-
geklagten H. und das unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel der Angeklag-
ten A. haben Erfolg, soweit das Landgericht in Höhe von 5.700 € den er-
weiterten Verfall angeordnet hat. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils
aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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Nach der Aufdeckung der Straftat wurde auf der Grundlage eines Be-
schlusses des Amtsgerichts Kleve die Wohnung der Angeklagten durchsucht.
Dabei entdeckten Zollbeamte im Schrank verstecktes Bargeld, das sicherge-
stellt wurde. Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass dieses Geld "im Ge-
samtbetrag von 5.700 €" aus rechtswidrigen Taten stammt. Hierzu hat sie aus-
geführt:
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"Entweder haben sie das Geld aus zurückliegenden Rauschgiftgeschäf-
ten erlangt … oder sie verfügten über andere Einkünfte und/oder Vermögens-
werte, die sie nicht angegeben haben, als sie um die Gewährung von Sozialleis-
tungen nach dem SGB II nachsuchten; damit haben sie indes einen Betrug zum
Nachteil der die Sozialleistungen verwaltenden Stellen begangen. Auch bezüg-
lich der Anordnung des erweiterten Verfalls vermag die Kammer keinen Um-
stand festzustellen, angesichts dessen ihre Entscheidung für die Angeklagten
eine unbillige Härte darstellt (vgl. §§ 73d Abs. 4, 73c StGB)."
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Gegen die Begründung, mit der der erweiterte (Wertersatz-)Verfall ange-
ordnet worden ist, bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Bereits der
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vom Landgericht errechnete Gesamtbetrag in Höhe von 5.700 €, der in der
Wohnung der Angeklagten sichergestellt worden sein soll, lässt sich anhand der
Urteilsgründe nicht nachvollziehen. Die Summe der an drei verschiedenen Stel-
len aufgefundenen Geldscheine ergibt lediglich 5.200 € (2.900, 2.100 und
200 €). Vor allem hat die Strafkammer nicht bedacht, dass bei der von ihr als
möglich gehaltenen Alternative, die Angeklagten hätten das Geld durch einen
Betrug zum Nachteil der Sozialbehörden erlangt, die Anordnung des erweiter-
ten Verfalls ausgeschlossen ist. Denn gemäß § 73d Abs. 1 Satz 3 Abs. 2, § 73
Abs. 1 Satz 2, § 73a StGB kommt der erweiterte (Wertersatz-)Verfall aus-
nahmsweise nicht in Betracht, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch
erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus
der Tat Erlangten entziehen würde. Durch diese Regelung sollen eine doppelte
Inanspruchnahme des Täters/Teilnehmers verhindert und die Schwierigkeiten
vermieden werden, die bei einer Konkurrenz zwischen staatlichem Rückerstat-
tungs- und zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch entstehen würde (Fischer,
StGB, 57. Aufl., § 73 Rn. 17). Ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch der
Sozialbehörden würde sich aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263
StGB ergeben.
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Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung
und Entscheidung. Bei der aufgrund der festgestellten Gesamtumstände nahe
liegenden Alternative, dass das Geld aus Rauschgiftgeschäften stammt, wäre
die Anordnung des erweiterten Verfalls möglich.
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Becker
von Lienen
Sost-Scheible
Hubert
Mayer