Urteil des BGH vom 17.03.2014

BGH: zwischenprüfung, verfügung, befangenheit, anfechtungsklage, erleichterung, berufsausübungsfreiheit, arbeitsorganisation, feststellungsklage, beendigung, rechtspflege

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ(Brfg) 18/13
vom
17. März 2014
in der verwaltungsrechtlichen Notarsache
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Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2014
durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Dr. Herrmann und Wöst-
mann, die Notarin Dr. Doyé sowie den Notar Dr. Strzyz
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Notar-
senats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 5. Juni 2013 zuzu-
lassen, wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Streitwert: 5.000 €.
Gründe:
Der zulässige Antrag, die Berufung gegen das eingangs bezeichnete
Urteil zuzulassen, ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt kei-
ner der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO
vor.
1.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen
nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO). Es ist nicht davon
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auszugehen, dass der Bescheid des Beklagten vom 10. November 2009 über
die Anordnung der Geschäftsprüfung am 12. November 2009 rechtswidrig ist
und dadurch den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO
i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO).
a) Der Kläger beanstandet unter anderem, dass neben der Vizepräsiden-
tin des Landgerichts in ihrer Eigenschaft als ständige Vertreterin des Landge-
richtspräsidenten zwei weitere Richter mit der Geschäftsprüfung betraut wur-
den. Diese hat in der vom Kläger beanstandeten Zusammensetzung stattge-
funden, so dass die angefochtene Anordnung insoweit ihre Erledigung gefun-
den hat. Zugunsten des Klägers kann aber die Anfechtungsklage in eine Fort-
setzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1
Satz 1 BNotO) umgedeutet und auch das dafür notwendige Feststellungsinte-
resse angenommen werden, da davon auszugehen ist, dass der Beklagte auch
künftig Geschäftsprüfungen bei dem Kläger mit gleichartiger Besetzung durch-
zuführen beabsichtigt (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2003 - NotZ
13/03, NJW-RR 2004, 351 und juris Rn. 5).
Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 DONot i.V.m. § 93 Abs. 3 Satz 1 BNotO wird die
Prüfung von dem Landgerichtspräsidenten oder von Lebenszeitrichtern, die
hiermit beauftragt wurden, durchgeführt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist
das Wort "oder" nicht dahin zu verstehen, dass nur eine der beiden Alternativen
zulässig ist. Ihrem Wortsinn nach lässt die Konjunktion "oder" auch die Kumula-
tion der durch sie sprachlich verbundenen Möglichkeiten zu. Dass diese Ver-
ständnisvariante zutrifft, ergibt sich daraus, dass ein sachlicher Grund für eine
Beschränkung der Prüfungszuständigkeit auf den Landgerichtspräsidenten oder
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von ihm beauftragte Richter nicht besteht. Es kann gerade auch im Interesse
des von der Prüfung betroffenen Notars liegen, deren Ablauf zu beschleunigen,
indem der (auch) selbst prüfende Landgerichtspräsident weitere Richter eben-
falls mit der Prüfung beauftragt.
Soweit in der angefochtenen Prüfungsanordnung zusätzlich eine Notarin
zur Geschäftsprüfung herangezogen wurde, steht dies mit § 93 Abs. 3 Satz 2
BNotO im Einklang und wird als solches auch vom Kläger nicht beanstandet.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers sind seine Rechte auch nicht
dadurch verletzt worden, dass insgesamt vier Personen mit der Geschäftsprü-
fung betraut wurden. Es mag sein, dass die zeitweilige Anwesenheit von vier
zusätzlichen Personen im Hinblick auf die von der Geschäftsstelle des Klägers
genutzten Räumlichkeiten zu Einschränkungen und Unbequemlichkeiten bei
der Abwicklung des Kanzleibetriebs führte. Der Kläger hat aber nicht konkrete
Umstände vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass diese Unzuträglichkeiten
derart über das zwingend mit der Durchführung einer Geschäftsprüfung ver-
bundene Maß hinausgingen, dass es unzumutbar oder unverhältnismäßig und
damit ermessensfehlerhaft war, vier Personen in seine Kanzlei zu entsenden.
Ein Anhalt für einen grundrechtsrelevanten Eingriff (Art. 12 und 13 GG) besteht
nicht. Soweit der Kläger die Art und Weise der Durchführung der Prüfung und
insbesondere das Verhalten einzelner Beteiligter moniert, stellt dies nicht die
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsanordnung in Frage.
c) Unbegründet ist ferner die Rüge, die Vizepräsidentin des Landgerichts
habe an der Geschäftsprüfung nicht teilnehmen dürfen, weil sie seinerzeit als
Vorsitzende einer Zivilkammer noch mit der Beschwerde gegen eine Kosten-
rechnung des Klägers gemäß § 156 KostO befasst gewesen sei. Hieraus ergab
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sich ein Grund, die Vizepräsidentin von der Durchführung der Geschäftsprüfung
auszunehmen (§§ 20, 21 VwVfG i.V.m. § 64a Abs. 1 BNotO) nicht. Ein Aus-
schlusstatbestand des § 20 Abs. 1 VwVfG war nicht erfüllt. Auch für die Be-
sorgnis der Befangenheit (§ 21 VwVfG) bestand ein Anhaltspunkt nicht. Die
Vizepräsidentin befand sich als Richterin in dem zum Zeitpunkt der Geschäfts-
prüfung noch nicht abgeschlossenen Verfahren nach § 156 KostO in einer ge-
genüber den Beteiligten unparteiischen Position. Die Befürchtung, sie werde die
Geschäftsprüfung bei dem Kläger voreingenommen durchführen, ließ sich des-
halb allein aus dem anhängigen Verfahren nicht ableiten. Anderweitige Um-
stände des Einzelfalls, aus denen sich die Besorgnis der Befangenheit der
Vizepräsidentin hätten ergeben können, hat der Kläger nicht vorgetragen und
sind auch sonst nicht ersichtlich.
d) Auch die in der angefochtenen Verfügung vom 10. November 2009
enthaltene Anordnung des Beklagten, der Kläger möge seinen Terminkalender
vorlegen, ist nicht zu beanstanden. Zu Unrecht meint der Kläger, die in § 93
Abs. 2 und 3 BNotO bezeichneten Unterlagen seien eine abschließende Auf-
zählung der Dokumente, auf die sich die Geschäftsprüfung beziehen dürfe. Wie
der Senat bereits in seinem Beschluss vom 3. November 2003 (NotZ 13/03,
NJW-RR 2004, 351, 352 und juris Rn. 10) ausgeführt hat, enthält die Vorschrift
lediglich eine beispielhafte Aufstellung von Gegenständen, auf die sich die Ge-
schäftsprüfung zu erstrecken hat. Es handelt sich um die wichtigsten Punkte
der Notarprüfung, ohne dass ausgeschlossen wird, diese auf andere Unterla-
gen auszudehnen, soweit dies zur Beurteilung der Amtsführung des Notars von
Bedeutung ist (vgl. Baumann in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 93
BNotO Rn. 10).
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Letzteres ist entgegen der Ansicht des Klägers hinsichtlich seines dienst-
lichen Terminkalenders der Fall. Der Notar hat als Träger eines öffentlichen
Amts die Pflicht zur Amtsbereitschaft, die im allgemeinen Interesse dazu dient,
in dem betreffenden Amtsbezirk und -bereich eine ausreichende, geordnete und
leistungsfähige vorsorgende Rechtspflege zu gewährleisten (Frenz in Eylmann/
Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 15 BNotO Rn. 4; Reithmann in Schippel/
Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 15 Rn. 13). Um festzustellen, ob der Kläger seiner
Pflicht zur Amtsbereitschaft nachkam, ist die Einsicht in seinen Terminkalender,
aus dem sich Anhaltspunkte für den Umfang seiner Amtstätigkeit ergeben, ge-
eignet und erforderlich. Der Beklagte hatte auch Anlass, Feststellungen hierzu
zu treffen, da aufgrund der Mitteilung der Notarkammer Sachsen-Anhalt vom
17. August 2009 ernstzunehmende Hinweise darauf vorlagen, dass der Kläger
seiner Pflicht zur Amtsbereitschaft nicht in vollem Umfang nachkam. Eine un-
verhältnismäßige und damit rechtswidrige Beeinträchtigung der Berufsaus-
übungsfreiheit des Klägers (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), die aufgrund der staatli-
chen Bindungen des Notaramts von vornherein besonderen Beschränkungen
unterliegt (st. Rechtspr. vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2011 - NotZ(Brfg)
1/11, ZNotP 2011, 394 Rn. 13 mwN; siehe auch BVerfGE 131, 130, 140 f
mwN), war damit nicht verbunden. Entgegen der Ansicht des Klägers war mit
der Geschäftsprüfung auch eine nach der Rechtsprechung des Senats un-
zulässige "Totalkontrolle" der Beurkundungstätigkeit (Senatsbeschluss vom
9. Januar 1995 - NotZ 24/94, BGHR BNotO § 1 Selbständigkeit 1) nicht verbun-
den.
2.
Aus weitgehend den gleichen Gründen ist überdies die Verfügung des
Beklagten vom 11. November 2009 nicht zu beanstanden, mit der dem Kläger
zur Erleichterung der Geschäftsprüfung die Beantwortung von insgesamt 17
Fragen aufgegeben wurde. Die vom Kläger monierten Fragen 10-17 betreffen
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sämtlich Umstände, die unter anderem geeignet und erforderlich sind, Feststel-
lungen zu seiner Amtsbereitschaft zu treffen. Dies ist aus den vorgenannten
Gründen zulässiger Gegenstand der Geschäftsprüfung nach § 93 Abs. 1
BNotO; die Auskunftsverpflichtung folgt aus § 93 Abs. 4 Satz 1 a.E. BNotO. Der
Kläger macht weiter zu Unrecht geltend, die Antworten auf die Fragen 15 und
17 (Vorbereitung der Beurkundungstermine und Zeitraum, in dem Ansuchen,
Rückfragen bearbeitet und erbetene Rücksprachen gehalten werden), seien
bereits in dem Geschäftsprüfungsbericht des Richters am Landgericht
Dr. S. enthalten. Dies ist nicht der Fall.
Soweit die dem Kläger gestellten Fragen die Organisation und die Auf-
gabenverteilung innerhalb der Kanzlei betreffen, dienen sie darüber hinaus zur
Beurteilung, ob die anfallenden Arbeiten ordnungsgemäß verteilt sind, insbe-
sondere ob der Kläger für die nicht von ihm wahrgenommenen Aufgaben hin-
reichend qualifiziertes Personal einsetzt.
Vor dem letztgenannten Hintergrund ist auch die Frage 2, die die beim
Kläger beschäftigten Mitarbeiter, Angaben zu deren Identität und beruflicher
Qualifikation sowie Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen betrifft, nicht zu
beanstanden. Die dem Kläger abverlangten Informationen über seine Mitarbei-
ter sind erforderlich, um - mit Blick auf die Amtsbereitschaft - die Ordnungsmä-
ßigkeit der Arbeitsorganisation in seiner Geschäftsstelle feststellen zu können.
3.
Ebenfalls mit Recht hat das Oberlandesgericht den Antrag des Klägers
zurückgewiesen, das Ende der Zwischenprüfung festzustellen. Zutreffend hat
es ausgeführt, ein Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 111b
Abs. 1 Satz 1 BNotO) sei nicht ersichtlich. Dies wird durch Vorbringen des Klä-
gers in der Begründung seines Zulassungsantrags nicht in Frage gestellt. So-
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weit er geltend machen will, der Abschluss der Zwischenprüfung könne der
Verhängung von Dienstaufsichts- und Disziplinarmaßnahmen gegen ihn vor-
beugen, verkennt er, dass nicht die Beendigung der Zwischenprüfung hierfür
maßgeblich ist, sondern die bei ihr gewonnenen Erkenntnisse. Soweit sein Vor-
bringen dahin zu verstehen sein sollte, dass die Feststellung des Abschlusses
der Zwischenprüfung die ihm auferlegte Beantwortung des Fragebogens obso-
let werden lasse und damit die Grundlage für Dienstaufsichts- beziehungsweise
Disziplinarmaßnahmen wegen Nichtbefolgung der entsprechenden Verfügung
des Beklagten entfalle, scheitert die Zulässigkeit der Feststellungsklage an § 43
Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 BNotO. Der Kläger konnte mit der Anfech-
tungsklage gegen die Verfügung des Beklagten vom 11. November 2009 gel-
tend machen, er sei zur Beantwortung der gestellten Fragen nicht verpflichtet.
Dies hat er mit seinem Klageantrag zu 2 auch getan.
4.
Die übrigen Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO Nr. 2 bis 5 i.V.m.
§ 111d Satz 2 BNotO bestehen ebenfalls nicht. Weder weist die Sache beson-
dere Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch
stellen sich klärungsbedürftige Rechtsfragen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 111d
Satz 2 BNotO). Entgegen der Ansicht des Klägers weicht das Urteil des Ober-
landesgerichts auch nicht von Entscheidungen des Senats oder des Bundes-
verfassungsgerichts ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO). Insbe-
sondere ist eine Abweichung zu dem vom Kläger angeführten Beschluss des
Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juni 2012 (BVerfGE
131, 130) nicht festzustellen. Verfahrensfehler, die sich auf das Ergebnis der
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Entscheidung hätten auswirken können (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 111d Satz 2
BNotO), sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Galke
Herrmann
Wöstmann
Doyé
Strzyz
Vorinstanz:
OLG Naumburg, Entscheidung vom 05.06.2013 - Not 1/10 -