Urteil des BGH vom 11.07.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISTEILURTEIL UND URTEIL
V ZR 18/13
Verkündet am:
11. Juli 2014
Weschenfelder
Justizamtshauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 1094
a) Ein dingliches Vorkaufsrecht an einem ungeteilten Grundstück kann auf den Er-
werb eines noch zu bildenden Miteigentumsanteils an dem belasteten Grundstück
gerichtet sein, wenn der zu verschaffende Miteigentumsanteil hinreichend be-
stimmt oder bestimmbar ist.
b) An einem Grundstück können mehrere auf den Erwerb von Miteigentumsanteilen
an dem belasteten Grundstück gerichtete subjektiv-dingliche Vorkaufsrechte im
gleichen Rang begründet werden.
BGH, Versäumnisteilurteil und Urteil vom 11. Juli 2014 - V ZR 18/13 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Juli 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Lemke, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub
und Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Dezember 2012 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Den Klägern gehört seit 1986 eine Eigentumswohnung nebst Stellplatz in
Form eines Wohnungs- und Teilerbbaurechts. Das Erbbaurecht hatte sich der
damalige Eigentümer an einer Teilfläche zunächst selbst bestellt, um, wie es im
Eingang der Bestellungsurkunde heißt, „nach Neuparzellierung durch Veräuße-
rung von Miterbbaurechtsanteilen Bauinteressenten im Rahmen einer Bauge-
meinschaft die Gebäudeerrichtung unter Bildung von Wohnungs- und Teileigen-
tum zu ermöglichen
“. Auf dem Erbbaugrundstück lastet ein dingliches Vorkaufs-
recht folgenden Inhalts:
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„Der Grundstückseigentümer räumt dem jeweiligen Erbbauberech-
tigten - mehreren gemeinschaftlich, bei Wohnungs- und Teilerb-
baurechten mehreren Berechtigten in einer Einheit gemeinschaft-
lich - für die Dauer des Erbbaurechts ein Vorkaufsrecht für alle Fäl-
le des Verkaufs an dem Erbbaugrundstück ein.“
Über das Vermögen der damaligen Eigentümerin des Erbbaugrund-
stücks wurde 2001 unter Bestellung des Beklagten zu 3 als Verwalter das In-
solvenzverfahren eröffnet. Dieser bot den Wohnungserbbauberechtigten, da-
runter den Klägern, einen ihren Wohnungs- oder Teilerbbaurechten entspre-
chenden Miteigentumsanteil an dem Grundstück zum Kauf an. Das Angebot
lehnten die Kläger ab, weil ihnen der Preis zu hoch erschien, während andere
Wohnungserbbauberechtigte es annahmen. Mit notariellem Vertrag vom
24. März 2005 übertrug der Beklagte zu 3 das Eigentum an dem Erbbaugrund-
stück und an weiteren 86, ebenfalls mit Erbbaurechten belasteten Grundstü-
cken unentgeltlich an eine unmittelbar zuvor gegründete Gesellschaft. Mit wei-
terem notariellen Vertrag vom selben Tag übertrug der Beklagte zu 3 die Anteile
an dieser Gesellschaft und an deren Komplementärin zum Preis von 25.000
für die Anteile an der Komplementärin, einer GmbH, und von 7,44 Mio.
€ für die
Kommanditanteile auf eine Investorin. Die Kläger, die aufgrund der am
24. März 2005 geschlossenen Verträge den Vorkaufsfall für eingetreten halten,
übten das Vorkaufsrecht aus und verlangen von den Beklagten zu 3 und 4 unter
anderem die Übertragung des ihrem Wohnungs- und Teilerbbaurecht entspre-
chenden Miteigentumsanteils an dem Erbbaugrundstück Zug um Zug gegen
Zahlung von 14.860,79 €. Während des Rechtsstreits hat die Gesellschaft ihren
Miteigentumsanteil auf die Beklagte zu 4 übertragen, die an ihrer Stelle in den
Rechtsstreit eingetreten ist.
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Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Der Se-
nat hat mit Urteil vom 27. Januar 2012 (V ZR 272/10, NJW 2012, 1354) das
erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zu-
rückverwiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger erneut zu-
rückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die
Kläger ihre Anträge weiter. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurück-
zuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht geht auf Grund des ersten Revisionsurteils des
Senats in dieser Sache von dem Eintritt eines Vorkaufsfalls aus, meint aber, die
Kläger könnten das Vorkaufsrecht nicht allein und bezogen auf einen ihrem
Wohnungserbbaurecht entsprechenden Miteigentumsanteil am Erbbaugrund-
stück ausüben. Das Vorkaufsrecht sei nicht den Wohnungserbbauberechtigten
für ihren jeweiligen Miteigentumsanteil eingeräumt, sondern ihnen allen ge-
meinsam für den Erwerb des ganzen Erbbaugrundstücks. Nach § 472 Satz 1
BGB könnten sie es nur gemeinsam ausüben. Dass eine Aufteilung des Erb-
baurechts in Wohnungseigentum von vornherein beabsichtigt gewesen sei, än-
dere an diesem Verständnis nichts. Denn diese Absicht habe sich in der Aus-
gestaltung des Vorkaufsrechts nicht niedergeschlagen. Das Vorkaufsrecht laufe
auch nicht leer. Denn es sei gerade gewollt gewesen, die wirtschaftliche Einheit
auf der Eigentumsebene zu wahren und eine Zerstückelung zu vermeiden.
Dass einzelne Miteigentumsanteile an dem Erbbaugrundstück an Wohnungs-
erbbauberechtigte verkauft worden seien, führe nicht zu einer anderen Ausle-
gung des Vorkaufsrechts.
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II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, das Vorkaufsrecht ver-
schaffe den Berechtigten nur einen Anspruch auf Ankauf des ganzen Erbbau-
grundstücks und stehe den Wohnungserbbauberechtigten auch nur gemein-
schaftlich zu. Das Vorkaufsrecht hat vielmehr den von den Klägern angenom-
menen Inhalt. Es steht den Berechtigten jedes Wohnungserbbaurechts einzeln
zu und ist auf die Verschaffung eines Miteigentumsanteils an dem Erbbau-
grundstück gerichtet, der ihrer Mitberechtigung an dem Erbbaurecht entspricht.
a) Wem das Vorkaufsrecht zusteht und worauf der gesicherte Eigen-
tumsverschaffungsanspruch (§ 1098 Abs. 1 Satz 1, § 464 Abs. 2, § 433 Abs. 1
Satz 1, § 453 Abs. 1 BGB) gerichtet ist, bestimmt sich nach der Grundbuchein-
tragung (Senat, Urteile vom 27. Januar 1960 - V ZR 148/58, NJW 1960, 673
und vom 19. September 2008 - V ZR 164/07, NJW 2008, 3703 Rn. 11). Diese
darf
das
Revisionsgericht
selbst
auslegen
(Senat,
Urteil
vom
21. Dezember 2012
- V ZR 221/11, MDR 2013, 458 Rn. 15). Dabei ist vorrangig
auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen, wie er sich aus der Grundbuchein-
tragung und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung für einen
unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Umstände au-
ßerhalb dieser Urkunden dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie
nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weite-
res erkennbar sind (st. Rspr.: Senat, Urteile vom 26. Oktober 1984
- V ZR 67/83, BGHZ 92, 351, 355, vom 7. Juli 2000 - V ZR 435/98, BGHZ 145,
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16, 20 f. und vom 15. November 2013 - V ZR 24/13, ZfIR 2014, 143 Rn. 6 je-
weils mwN).
b) aa) Auszugehen ist demnach, was das Berufungsgericht nicht ver-
kennt, von dem Wortlaut des Vorkaufsrechts, wie er sich aus Nr. II § 8 der Erb-
baurechtsbestellungsurkunde ergibt. Danach räumt der Grundstückseigentümer
dem jeweiligen Erbbauberechtigten ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle an
dem Erbbaugrundstück ein. Es soll mehreren Berechtigten gemeinschaftlich,
bei Wohnungs- und Teilerbbaurechten mehreren Berechtigten in einer Einheit
gemeinschaftlich zustehen. Diese Regelung kann, worauf der Vertreter der Be-
klagten zu 4 in der mündlichen Verhandlung im Ansatz zutreffend hingewiesen
hat, so ausgelegt werden, dass Gegenstand des Vorkaufsrechts in allen Fallge-
staltungen das ungeteilte Grundstück sein und dieses Recht mehreren Berech-
tigte am Erbbaurecht gemeinschaftlich zustehen soll. Die besondere Erwäh-
nung der Teil- und Wohnungserbbauberechtigte hätte bei diesem Ansatz nur
den Sinn sicherzustellen, dass mehrere Inhaber eines einzelnen Wohnungs-
erbbaurechts nur gemeinsam handeln können. Die Regelung lässt aber auch
die Auslegung zu, dass das Vorkaufsrecht einen unterschiedlichen Inhalt haben
soll, je nach dem, ob das Erbbaurecht in Bruchteile oder in Teil- und Woh-
nungseigentum aufgeteilt wird oder nicht. Im ersten Fall wäre sein Gegenstand
das ungeteilte Grundstück; es könnte nur gemeinschaftlich ausgeübt werden.
Im zweiten Fall dagegen wäre es auf den Erwerb eines noch zu bildenden Mit-
eigentumsanteils am Erbbaugrundstück gerichtet und stünde den - gegebenen-
falls auch mehreren - Berechtigten eines einzelnen Wohnungs- oder Teilerb-
baurechts jeweils allein zu.
bb) Die zuletzt genannte Auslegung der Regelung liegt näher als die ers-
te und ist deshalb maßgebend.
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(1) Der ursprüngliche Eigentümer wollte ausweislich der Präambel der
Erbbaurechtsbestellungsurkunde seinen Grundbesitz in Wohnungseigentum
aufteilen und das Teil- und Wohnungseigentum an Bauinteressenten verkaufen.
Dieses Teil- und Wohnungseigentum hatte aber bei der von ihm gewählten
Konstruktion den Nachteil, dass das Sondereigentum nicht mit einem Miteigen-
tumsanteil am Grundstück, sondern mit einem Anteil an einem Eigentümererb-
baurecht verbunden werden sollte, das er sich daran bestellte. Die sich aus der
Befristung des Erbbaurechts und vor allem aus den Regelungen über den
Heimfall ergebenden Schwächen der Rechte sollten durch das in Nr. II § 6
Abs. 3 als Inhalt des Erbbaurechts vorgesehene Erneuerungsvorrecht und das
Vorkaufsrecht ausgeglichen werden. Diese beiden Rechte sind unterschiedlich
ausgestaltet. Während bei dem Erneuerungsvorrecht keine besondere Rege-
lung für den Fall einer Mehrheit von Berechtigten vorgesehen ist, regelt Nr. II
§ 8 der Urkunde diese Berechtigung beim Vorkaufsrecht unter besonderer Her-
vorhebung der Aufteilung in Teil- und Wohnungseigentum. Schon das spricht
dafür, dass es bei dem Vorkaufsrecht nach der Bildung von Teil- und Woh-
nungserbbaurechten gerade keine gemeinschaftliche Berechtigung geben soll-
te. Denn zu der gemeinschaftlichen Berechtigung wäre es - wie beim Erwerbs-
vorrecht - auch ohne eine ausdrückliche Regelung gekommen.
(2) Die dem einzelnen Erwerbsinteressenten - in entfernter Anlehnung an
das Mietervorrecht im sozialen Wohnungsbau nach dem damals geltenden § 2b
WoBindG (heute § 577 BGB) - zugedachte Absicherung durch das Vorkaufs-
recht konnte nicht gelingen, wäre es auf den Erwerb des ungeteilten Grund-
stücks gerichtet und könnte es nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Denn
dann wäre der einzelne Bauinteressent auf die Mitwirkung der - hier sehr vie-
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len - übrigen Wohnungserbbauberechtigten angewiesen. Außerdem würde er
bei Ausübung des Vorkaufsrechts als Gesamtschuldner mit den übrigen Woh-
nungserbbauberechtigten aus dem dann wirksam geworden (Vor-) Kaufvertrag
den angesichts von dessen Größe beträchtlichen Kaufpreis für das Gesamt-
grundstück schulden und nicht nur einen seinem Anteil am Erbbaurecht ent-
sprechenden Teil davon. Damit wäre jeder Wohnungsberechtigte ersichtlich
überfordert.
(3) Seinen Zweck kann das Vorkaufsrecht nur erfüllen, wenn es - ähnlich
dem erwähnten Mietervorkaufsrecht - auf den Erwerb eines Miteigentumsanteils
an dem Erbbaugrundstück gerichtet ist und den Berechtigten an dem jeweiligen
Teil- und Wohnungserbbaurecht allein zusteht. Zwar könnte der einzelne Be-
rechtigte eine Überführung des Wohnungserbbaurechts in Wohnungseigentum
oder die Vereinbarung einer dinglich wirkenden Benutzungsregelung nach
§ 1010 BGB nur erreichen, wenn alle Wohnungserbbauberechtigten Miteigen-
tumsanteile erwerben und mit ihm einvernehmlich zusammenwirken (vgl.
Krauß, NotBZ 2012, 214, 215). Aber schon der Erwerb des Miteigentumsanteils
verschafft dem einzelnen Wohnungserbbauberechtigten Vorteile: Er ist bei Aus-
laufen des Erbbaurechts eigentumsrechtlich und nicht nur durch den Entschä-
digungsanspruch gesichert. Auch könnte er sich durch Aufrechnung mit seinem
Anspruch auf Beteiligung am Erbbauzins von der Zahlung des Erbbauzinses
befreien. Dafür, dass das Vorkaufsrecht in diesem Sinne zu verstehen ist,
spricht auch das Vorgehen des Insolvenzverwalters, der den Wohnungserb-
bauberechtigten unabhängig von dem Eintritt des Vorkaufsfalls den Erwerb ent-
sprechender Miteigentumsanteile an dem Erbbaugrundstück angeboten hat.
c) Das den Berechtigten jedes einzelnen Wohnungserbbaurechts einge-
räumte Vorkaufsrecht kann sich nach seinem Zweck, dem Einzelnen eine per-
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sönliche Absicherung zu ermöglichen, nicht auf den Erwerb des Alleineigen-
tums an dem Erbbaugrundstück beziehen. Vielmehr kommt nur ein Vorkaufs-
recht in Betracht, das den Wohnungserbbauberechtigten die Möglichkeit ver-
schafft, einen ihrem Anteil am Erbbaurecht entsprechenden Miteigentumsanteil
am Erbbaugrundstück zu erwerben.
2. Das Berufungsurteil erweist sich entgegen der Ansicht der Beklagten
zu 4 nicht deshalb als richtig, weil ein Vorkaufsrecht mit diesem angestrebten
Inhalt rechtlich nicht erreichbar wäre und deshalb nicht in diesem Sinne ver-
standen werden könnte, sondern in einem anderen, rechtlich umsetzbaren Sin-
ne ausgelegt werden müsste. Das angestrebte Vorkaufsrecht jedes einzelnen
Wohnungserbbauberechtigten auf Erwerb eines seinem Anteil am Erbbaurecht
entsprechenden Miteigentumsanteils an dem Erbbaugrundstück ist rechtlich
möglich.
a) aa) Ein dingliches Vorkaufsrecht kann nach §§ 1094, 1095 BGB nur
an dem ganzen Grundstück oder an bereits bestehenden Miteigentumsanteilen
bestellt werden. Anerkannt ist indessen ein an dem ganzen (ungeteilten)
Grundstück lastendes dingliches Vorkaufsrecht, welches in der Weise be-
schränkt ist, dass der Berechtigte bei dem Verkauf des Grundstücks nur eine
reale Teilfläche soll erwerben dürfen, die aber hinreichend bestimmt sein muss
(BayObLG, NJW-RR 1998, 86; OLG Dresden, OLGE 4, 76; OLG Hamm, NJW-
RR 1996, 849; Bamberger/Roth/Wegmann, BGB, 3. Aufl., § 1094 Rn. 6; Er-
man/Grizwotz, BGB, 13. Aufl., § 1094 Rn. 2; Lemke/Böttcher, Immobilienrecht,
§ 1094 Rn. 8; NK-BGB/Reetz, 3. Aufl., § 1095 Rn. 6; PWW/Eickmann, BGB,
8. Aufl., § 1095 Rn. 3; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 1094 Rn. 2; Soer-
gel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1095 Rn. 1, Krauß, NotBZ 2012, 214, 215).
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bb) Ob die zuletzt genannte Möglichkeit der Ausgestaltung eines Vor-
kaufsrechts auch für eine Beschränkung der Ausübung auf den Erwerb ideeller
Bruchteile gilt, ist für das Vorkaufsrecht im Allgemeinen bislang, soweit ersicht-
lich, noch nicht diskutiert worden (vgl. Krauß, NotBZ 2012, 214, 215). Die Frage
ist zu bejahen.
(1) Das hat der Senat für den speziellen Anwendungsfall des gesetzli-
chen Vorkaufsrechts des Mieters nach § 577 BGB - wenn auch mit hier nicht
einschlägigen Einschränkungen - entschieden. Nach der genannten Vorschrift
steht dem Mieter einer Wohnung bei deren Verkauf ein gesetzliches Vorkaufs-
recht zu, wenn daran Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet
werden soll. Das Vorkaufsrecht lastet an dem ganzen Grundstück und berech-
tigt den Mieter nicht zum Erwerb des Eigentums an dem Gesamtgrundstück,
sondern zum Erwerb des Eigentums an dem bereits bestehenden Wohnungs-
eigentum. Gegenstand des Anspruchs kann auch das erst noch zu begründen-
de Wohnungseigentum sein, wenn sich der Veräußerer vertraglich zur Durch-
führung der Aufteilung gemäß § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem
Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohnungseigentumseinheit in dem Vertrag
bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist (Senat, Urteil vom
22. November 2013 - V ZR 96/12, BGHZ 199, 136 Rn. 17, 22).
(2) Ein sachlicher Grund, eine Beschränkung des Vorkaufsrechts auf den
Erwerb eines noch zu schaffenden Miteigentumsanteils anders zu behandeln,
als eine Beschränkung auf den Erwerb einer noch zu bildenden realen Teilflä-
che oder eines noch zu bildenden Wohnungseigentumsrechts, ist nicht ersicht-
lich. Der Vergleich zur Auflassungsvormerkung spricht im Gegenteil dafür, bei-
de Fälle gleich zu behandeln. Eine solche kann zwar - wie das Vorkaufsrecht -
weder an einer noch nicht abgeschriebenen Teilfläche eines Grundstücks noch
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an einem erst zu bildenden Miteigentumsanteil begründet werden. Sie kann
aber nicht nur einen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an einer erst
noch abzuschreibenden Teilfläche sichern, sondern auch den Anspruch auf
Verschaffung eines erst noch zu schaffenden Miteigentumsanteils (Senat, Be-
schluss vom 15. November 2012
- V ZB 99/12, NJW 2013, 934 Rn. 12).
(3) Deshalb ist es möglich, ein dingliches Vorkaufsrecht auf den Erwerb
eines noch zu bildenden Miteigentumsanteils an dem belasteten Grundstück zu
beschränken. Voraussetzung ist auch in dieser Fallgestaltung, dass eine ent-
sprechende Verpflichtung besteht und dass der zu verschaffende Miteigen-
tumsanteil hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist.
cc) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Verpflichtung zur Schaf-
fung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück liegt in der Begründung eines
so ausgestalteten dinglichen Vorkaufsrechts. Denn dieses führt nach § 1098
Abs. 1 Satz 1, § 464 Abs. 2 BGB dazu, dass mit dem Eintritt des Vorkaufsfalls
und der Ausübung des Vorkaufsrechts ein Kaufvertrag mit entsprechendem
Inhalt zustande kommt. Dieser begründet nach § 433 Abs. 1 Satz 1, § 453
Abs. 1 BGB den Anspruch auf Bildung und Übertragung des Miteigentumsan-
teils. Dieser entspricht dem Anteil der Wohnungserbbauberechtigten an dem
Erbbaurecht und ist damit hinreichend bestimmt.
b) Der Annahme eines Vorkaufsrechts jedes einzelnen Inhabers von
Wohnungserbbaurechten an dem Erbbaugrundstück steht auch nicht entgegen,
dass es sich um ein subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht handelt und ein solches
Vorkaufsrecht bei der Aufteilung des herrschenden Grundstücks nicht in Einzel-
rechte zerfällt, sondern als einheitliches Recht bestehen bleibt und nur gemein-
schaftlich ausgeübt werden kann (RGZ 73, 316, 320; Erman/Grizwotz, BGB,
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13. Aufl., § 1094 Rn. 8; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1103 Rn. 1; Staudin-
ger/Schermaier, BGB [2008], § 1094 Rn. 17). Die Vorkaufsberechtigung der
Wohnungserbbauberechtigten ist hier nicht als bloße Folge der Aufteilung des
Erbbaurechts in Wohnungseigentum entstanden. Sie war vielmehr von vornhe-
rein als eigenständige Berechtigung der Wohnungserbbauberechtigten vorge-
sehen, freilich unter der
- dann auch eingetretenen - Bedingung, dass es zu
dieser Aufteilung kommt. Das ist rechtlich möglich (vgl. Staudinger/Schermaier,
BGB [2008], § 1094, Rn. 17 aE).
c) Einer Vorkaufsberechtigung der einzelnen Inhaber von Wohnungserb-
baurechten steht auch nicht entgegen, dass das Erbbaugrundstück dann mit
mehreren Vorkaufsrechten belastet ist, die alle den gleichen Rang haben und
nach der Gestaltungsidee auch haben sollen. Die Begründung mehrerer gleich-
rangiger Vorkaufsrechte an einem Grundstück ist zwar grundsätzlich ausge-
schlossen (LG Darmstadt, MDR 1958, 35; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl.,
§ 1094 Rn. 4; Staudinger/Schermaier, BGB, [2008], § 1094 Rn. 12). Etwas an-
deres gilt nach herrschender Ansicht aber jedenfalls dann, wenn durch Verein-
barung Kollisionen zwischen den gleichrangigen Vorkaufsrechten vermieden
werden (OLG Hamm, NJW-RR 1989, 912; LG Düsseldorf, Rpfleger 1981, 479;
LG Landshut, MittBayNot 1979, 69; AG Gemünden, MittBayNot 1974, 145;
MünchKomm-BGB/Westermann, 6. Aufl., § 1094 Rn. 8; Soergel/Stürner und
Staudinger wie vor; weitergehend (stets möglich): Lemke/Böttcher, Immobilien-
recht, § 1094 BGB Rn. 23; RGRK/Rothe, BGB, 12. Aufl., § 1094 Rn. 3; Kunt-
ze/Ertl/Herrmann/Eickmann/Keller, Grundbuchrecht, 6. Aufl., Einl. K Rn. 15;
Schöner/Stüber, Grundbuchrecht, 8. Aufl., Rn. 1405; Holderbaum, JZ 1965,
712; Lüdtke-Handjery, DB 1974, 517, 520; Promberger, MittBayNot 1974, 145).
Das ist hier der Fall, weil die Vorkaufsrechte auf Verschaffung ideeller Bruchtei-
le entsprechend der Aufteilung des Erbbaurechts gerichtet sind.
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III.
Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil Feststellungen zur Ausübung
des Vorkaufsrechts und zum Inhalt des Kaufvertrags fehlen. Das Berufungsur-
teil ist deshalb aufzuheben, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entschei-
dung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hierfür weist der Senat auf
Folgendes hin:
1. Der Anspruch der Kläger scheitert nicht daran, dass die Schuldnerin
nicht das ungeteilte Grundstück in die Gesellschaft eingebracht hat, sondern
nur einen - wenn auch recht großen - Miteigentumsanteil. Denn auch der Ver-
kauf eines ideellen Bruchteils an einem mit einem Vorkaufsrecht belasteten
Grundstück löst den durch die Ausübung des dinglichen Vorkaufsrechts beding-
ten Eigentumsverschaffungsanspruch aus (RG, Recht 1924, 824; ihm folgend,
allerdings für den in der Entscheidung nicht angesprochenen Fall des Verkaufs
einer realen Teilfläche: MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 6. Aufl., § 1095
Rn. 1 bei Fn. 5 und Staudinger/Schermaier, BGB [2008], § 1095 Rn. 3 aE).
2. Der Eigentumsverschaffungsanspruch der Kläger ist auch weiterhin
auf Verschaffung eines ihrem (ungekürzten) Anteil am Erbbaurecht entspre-
chenden Miteigentumsanteils am Erbbaugrundstück gerichtet. Zwar kann das
Vorkaufsrecht bei dem Verkauf eines ideellen Bruchteils an dem belasteten
Grundstück nur hinsichtlich dieses Anteils ausgeübt werden (RG, Recht 1924,
824). Es spricht auch einiges dafür, dass die Eigentumsverschaffungsansprü-
che mehrerer gleichrangiger Vorkaufsberechtigter zur Vermeidung von Kollisio-
nen in einer solchen Fallgestaltung auf die Verschaffung entsprechend kleinerer
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Miteigentumsanteile gerichtet sind und ihre Vorkaufsrechte an dem nicht veräu-
ßerten Miteigentumsanteil fortbestehen. Das gilt aber jedenfalls nicht, wenn, wie
hier, die nicht veräußerten Miteigentumsanteile einigen der Vorkaufsberechtig-
ten veräußert worden sind. Diese Veräußerungen führen dann nämlich zu einer
Vorwegerfüllung der Eigentumsverschaffungsansprüche dieser Vorkaufsbe-
rechtigten, die deshalb auch nicht die Verschaffung weiterer Miteigentumsantei-
le verlangen können. Die Folge davon ist, dass die übrigen Vorkaufsberechtig-
ten die Verschaffung eines ungekürzten Miteigentumsanteils verlangen können.
3. Im Hinblick auf die mögliche Anwendung von § 467 Satz 2 BGB wird
auf die Ausführungen des Senats im ersten Berufungsurteil in dieser Sache Be-
zug genommen (Urteil vom 27. Januar 2012 - V ZR 272/10, NJW 2012, 1354
Rn. 18).
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch
Czub
Kazele
Vorinstanzen:
LG Wuppertal, Entscheidung vom 16.12.2009 - 3 O 178/09 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.12.2012 - I-9 U 87/10 -
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