Urteil des BGH vom 26.06.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 1/12
vom
26. Juni 2014
in der Grundbuchsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
HöfeO § 2 Buchst. a
Bei einem aus mehreren Flurstücken bestehenden Grundstück kann ein Flurstück
Hofbestandteil, ein anderes dagegen hoffrei sein.
HöfeVfO §§ 3, 7 Abs. 3
Das Landwirtschaftsgericht kann das Grundbuchamt ersuchen, einzelne Flurstü-
cke von einem einheitlichen, mit einem Hofvermerk versehenen Grundstück abzu-
schreiben.
BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 1/12 - OLG Celle
AG Winsen (Luhe)
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juni 2014 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 werden der Beschluss
des
7. Zivilsenats
des
Oberlandesgerichts
Celle
vom
13. Dezember 2011 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts
– Grundbuchamt – Winsen (Luhe) vom 10. August 2011 aufgeho-
ben, soweit sie die im Grundbuch von B. Blatt ... unter der Be-
standsnummer .. eingetragenen Flurstücke ..., ..., ... und ...
betreffen.
Insoweit wird die Sache an das Grundbuchamt zur Entscheidung
über das Eintragungsersuchen der Beteiligten zu 1 vom
11. November 2010 zurückverwiesen.
I.
Der Beteiligte zu 2 ist Eigentümer des im Grundbuch von B. auf
Blatt ... eingetragenen Grundbesitzes; eingetragen ist ein Hofvermerk. Unter der
Bestandsnummer ... ist ein Grundstück eingetragen, das aus zahlreichen Flurstü-
Das Amtsgericht
– Landwirtschaftsgericht – hat das Grundbuchamt, soweit
hier noch von Interesse, ersucht, die als Bauland ausgewiesenen Flurstücke
... , ..., .... und ... wegen fehlender Hofzugehörigkeit von dem mit dem Hofvermerk
versehenen Grundbuchblatt abzuschreiben und auf ein anderes Grundbuchblatt
unter einer neuen Bestandsnummer zu übertragen. Mit Zwischenverfü-
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gung vom 10. August 2011 hat das Grundbuchamt eine Befugnis des Landwirt-
schaftsgerichts, Grundstücksteile von dem mit dem Hofvermerk versehenen
Grundbuchblatt abschreiben zu lassen, verneint und die beantragte Eintragung
von der Vorlage einer Teilungsbewilligung des Eigentümers abhängig gemacht.
Die hiergegen von dem Landwirtschaftsgericht in seiner Funktion als ersuchende
Behörde (im Folgenden: Beteiligte zu 1) eingelegte Beschwerde ist insoweit erfolg-
los geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1
ihr Eintragungsersuchen weiter.
II.
Das Beschwerdegericht meint, das Grundbuchamt müsse bei dem Eintra-
gungsersuchen einer Behörde prüfen, ob sich diese im Rahmen der Vorschrift hal-
te, auf die das Ersuchen gestützt sei. Dazu gehöre hier die Frage, ob das Ersu-
chen Grundstücke im Sinne von § 7 HöfeVfO betreffe. Das sei zu verneinen. Der
in der Höfeverfahrensordnung verwendete Grundstücksbegriff entspreche demje-
nigen des bürgerlichen Rechts; Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erforderten
eine einheitliche Auslegung. Nicht unter einer eigenen Nummer im Bestandsver-
zeichnis des Grundbuchs eingetragene Flurstücke seien daher keine Grundstücke
im Sinne von § 7 HöfeVfO. Auch wenn davon auszugehen sei, dass das Landwirt-
schaftsgericht auf die Abschreibung nicht hofzugehöriger Grundstücke hinwirken
solle, könne diese Befugnis nicht weitergehen als durch das Gesetz umschrieben.
Der Zweck der Höfeordnung, leistungsfähige Höfe bäuerlicher Familien zu erhal-
ten, werde nicht berührt, wenn Flurstücke ihren landwirtschaftlichen Charakter, wie
hier, bereits verloren hätten. Eine faktische Aufgabe der landwirtschaftlichen Nut-
zung sei auch durch die mittels § 7 HöfeVfO wahrgenommene Ordnungsfunktion
des Landwirtschaftsgerichts nicht zu verhindern. Dahinstehen könne, ob nicht hof-
zugehörige Flurstücke im Erbfall zugunsten des hoffreien Vermögens abgetrennt
werden könnten, denn darum gehe es hier nicht.
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III.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Beteiligte zu 1 ist aufgrund der Zu-
rückweisung ihrer Beschwerde befugt, Rechtsbeschwerde einzulegen. Bei dem
Ersuchen des Landwirtschaftsgerichts zur Vornahme höferechtlicher Grundbuch-
eintragungen handelt es sich um ein Behördenersuchen nach § 38 GBO. Wird ein
solches Ersuchen zurückgewiesen, gelten für die Behörde die allgemeinen
Rechtsmittelvorschriften
(Senat,
Beschluss
vom
20. Dezember
2012
– V ZB 95/12, NJW-RR 2013, 526 Rn. 5 mwN). Auch die übrigen Zulässigkeitsvo-
raussetzungen nach § 78 GBO, § 71 FamFG sind gewahrt; insbesondere ist die
Beteiligte zu 1 gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG im Rechtsbeschwerdeverfahren
ordnungsgemäß vertreten.
IV.
Die Rechtsbeschwerde hat bereits deshalb Erfolg, weil das Grundbuchamt
eine Zwischenverfügung mit einem nach § 18 GBO nicht zulässigen Inhalt erlas-
sen hat.
1. Die Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO dient dazu, der
Eintragung den sich nach dem Eingang des Antrags bestimmenden Rang zu si-
chern, der bei Zurückweisung des Antrags nicht gewahrt bliebe. Die Regelung be-
zieht sich nur auf die Beseitigung eines der Eintragung entgegenstehenden Hin-
dernisses und ist nicht anwendbar, wenn der Mangel des Antrags nicht mit rück-
wirkender Kraft geheilt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zulässig,
mit einer Zwischenverfügung auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts hinzuwir-
ken, das Grundlage der einzutragenden Rechtsänderung werden soll, weil sonst
die beantragte Eintragung einen ihr nicht gebührenden Rang erhielte (Senat, Be-
schluss vom 26. September 2013
– V ZB 152/12, NJW 2014, 1002 Rn. 6 mwN).
Ebenso wenig kann dem Antragsteller mit einer Zwischenverfügung nach § 18
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GBO aufgegeben werden, eine erst noch zu erklärende Eintragungsbewilligung
eines unmittelbar betroffenen Dritten beizubringen (BayObLG, NJW-RR 2004,
1533, 1534; MittBayNot 1995, 42, 43; MittBayNot 1990, 307; BayObLGZ 1990, 6,
8; OLG Hamm, MittBayNot 2003, 386; ZfIR 1998, 115, 116; OLG Zweibrücken,
OLGZ 1991, 153, 154; KEHE-Herrmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 18 GBO
Rn. 16; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 18 Rn. 36; Demharter, GBO, 29. Aufl.,
§ 18 Rn. 12). Diese Grundsätze finden auch auf behördliche Ersuchen nach § 38
GBO Anwendung (KEHE-Herrmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 38 GBO Rn. 79;
Meikel/Roth, GBO, 10. Aufl., § 38 Rn. 31).
2. Gemessen daran ist die Zwischenverfügung unzulässig.
a) Sie gibt der Beteiligten zu 1 auf, eine Teilungsbewilligung des Eigentü-
mers beizubringen, der von der (nach § 13 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 GBV mit der an-
gestrebten Abschreibung einzelner Flurstücke einhergehenden) Grundstückstei-
lung unmittelbar betroffen ist. Nach der Rechtsauffassung des Grundbuchamts,
auf deren Grundlage die Zulässigkeit der Zwischenverfügung zu beurteilen ist,
erfordert die Umsetzung des Eintragungsersuchens eine Teilung des Grundstücks
durch den Eigentümer. Ein ohne Teilungsbewilligung gestelltes Ersuchen wäre
danach
sofort
zurückzuweisen
gewesen
(vgl.
Senat,
Beschluss
vom
26. September 2013
– V ZB 152/12, NJW 2014, 1002 Rn. 8).
b) Anders wäre es nur, wenn das Grundbuchamt der Beteiligten zu 1 ledig-
lich die Gründe mitgeteilt hätte, warum es dem Ersuchen nicht stattgeben kann.
Solche Meinungsäußerungen des Grundbuchamts sind
– auch wenn sie mit der
Ankündigung einer beabsichtigten Zurückweisung des Eintragungsersuchens ver-
bunden werden
– keine beschwerdefähigen Entscheidungen nach § 71 GBO (Se-
nat, Beschluss vom 26. September 2013
– V ZB 152/12, aaO Rn. 9). So verhält es
sich hier jedoch nicht. Das Grundbuchamt hat der Beteiligten zu 1 unter ausdrück-
licher Bezugnahme auf § 18 GBO eine Frist zur Behebung des Eintragungshin-
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dernisses gesetzt, eine Rechtsmittelbelehrung erteilt und seine Verfügung in der
Nichtabhilfeentscheidung zudem ausdrücklich als Zwischenverfügung bezeichnet.
3. Hat das Beschwerdegericht die Beschwerde gegen eine unzulässige
Zwischenverfügung zurückgewiesen, sind auf eine Rechtsbeschwerde hin seine
Entscheidung und die Zwischenverfügung des Grundbuchamts aufzuheben (Se-
nat, Beschluss vom 26. September 2013
– V ZB 152/12, aaO Rn. 10).
V.
Eine Entscheidung in der Sache ist dem Rechtsbeschwerdegericht nicht
möglich, da Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens nur die Zwischenverfügung
und nicht das Eintragungsersuchen selbst ist (vgl. Senat, Beschluss vom
26. September 2013
– V ZB 152/12, aaO Rn. 11). Für das weitere Verfahren weist
der Senat auf Folgendes hin:
1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts können nach § 7
Abs. 3 HöfeVfO auch Flurstücke vom Hof abgetrennt werden, die im Bestandsver-
zeichnis des Grundbuchs nicht unter einer eigenen Nummer geführt werden und
daher kein Grundstück im Rechtssinn sind. Diese verfahrensrechtliche Möglichkeit
folgt aus dem materiellen Recht. Danach erstreckt sich die Hofzugehörigkeit ge-
mäß § 2 HöfeO nicht zwingend auf ein Grundstück im Ganzen. Besteht dies aus
mehreren Flurstücken, die im Liegenschaftskataster nach § 2 Abs. 2 GBO jeweils
unter einer eigenen Nummer aufgeführt sind (vgl. dazu § 6 Abs. 3 Buchst. a Nr. 2,
Abs. 4 GBV; Bengel/Simmerding, Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 2
Rn. 19 ff.; Netz, GrdstVG, 6. Aufl., 4.1.1.1), können einzelne Flurstücke zum Hof
gehören und andere nicht.
a) Anders als die Beteiligte zu 1 meint, besteht hinsichtlich dieser Rechts-
frage eine eigene Prüfungskompetenz des Grundbuchamts.
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aa) Bei Behördenersuchen hat das Grundbuchamt nach § 38 GBO zu prü-
fen, ob die Behörde
– wie hier nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 3 HöfeVfO – zur
Stellung eines Ersuchens der in Rede stehenden Art abstrakt befugt ist, ob das
Ersuchen bezüglich seiner Form den gesetzlichen Vorschriften entspricht und ob
die durch das Ersuchen nicht ersetzten Eintragungserfordernisse gegeben sind
(Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2012
– V ZB 95/12, NJW-RR 2013, 526
Rn. 15). Zur Prüfungskompetenz des Grundbuchamts zählt danach insbesondere,
ob das Ersuchen auf eine Eintragung gerichtet ist, um die nach der gesetzlichen
Vorschrift ersucht werden kann (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl.,
Rn. 201 u. 219). Ob hingegen im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für das
Ersuchen vorliegen, ist von dem Grundbuchamt nicht zu prüfen. Hierfür trägt die
ersuchende Behörde die Verantwortung, soweit die ihr rechtlich zugeschriebene
Sachkompetenz bei der Beurteilung der Eintragungsvoraussetzungen reicht (Se-
nat, Beschluss vom 20. Dezember 2012
– V ZB 95/12, aaO).
bb) Danach fällt die Beurteilung, ob bestimmte Flächen nach den tatsächli-
chen Gegebenheiten Bestandteil des Hofes sind oder nicht, in die alleinige Kom-
petenz des Landwirtschaftsgerichts. Im Grundbuchverfahren ist daher nicht zu
prüfen, ob ein Grundstück, das nach § 7 Abs. 3 HöfeVfO vom Hofe abgetrennt
werden soll, seine Hofzugehörigkeit verloren hat (vgl. dazu H. Wöhrmann, Land-
wirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 2 Rn. 23; zu einem Landgut i.S.v. § 2049 BGB
auch BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986
– IVa ZR 143/85, BGHZ 98, 382, 388).
Etwas anderes gilt aber für die Frage, ob § 7 HöfeVfO das Landwirtschaftsgericht
berechtigt, Teile eines Grundstücks von dem mit dem Hofvermerk versehenen
Grundbuchblatt abschreiben und auf ein gesondertes Grundbuchblatt übertragen
zu lassen. Insoweit ist die Reichweite der Vorschrift betroffen, auf die das Ersu-
chen gestützt wird, und damit die Prüfungskompetenz des Grundbuchamts eröff-
net.
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b) Ob die Befugnis des Landwirtschaftsgerichts gemäß §§ 3, 7 Abs. 3
HöfeVfO auch die Abtrennung von Grundstücksteilflächen eines Hofes umfasst,
richtet sich nach § 2 HöfeO. Diese Vorschrift bestimmt, was zu den Bestandteilen
eines Hofes gehört. Gemäß § 2 Buchst. a Halbs. 1 HöfeO zählen hierzu
„alle
Grundstücke des Hofeigentümers, die regelmäßig von der Hofstelle aus bewirt-
schaftet werden
“. Je nachdem, wie der Begriff des Grundstücks in diesem Zu-
sammenhang zu verstehen ist
– im Rechtssinne, katasterrechtlich oder wirtschaft-
lich (vgl. zu diesen Möglichkeiten allgemein: Bengel/Simmerding, Grundbuch,
Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 2 Rn. 11 ff.)
–, kann Bestandteil eines Hofes nur
ein Grundstück sein, das im Grundbuch unter einer eigenen Nummer auf einem
Grundbuchblatt eingetragen ist (vgl. zum Grundstück im Rechtssinne: Senat, Be-
schluss vom 19. Dezember 1967
– V BLw 24/67, BGHZ 49, 145, 146), oder auch
ein Flurstück oder sogar ein unvermessener Grundstücksteil. In Rechtsprechung
und Literatur bestehen hierzu unterschiedliche Auffassungen.
aa) Teilweise wird vertreten, dass Hofbestandteil nur Grundstücke im
Rechtssinne sein könnten, eine Unterteilung in hofzugehörige und hoffreie Teile
eines Grundstücks also abgelehnt (so OLG Köln, RdL 1983, 76, 77 und Beschluss
vom 2. August 2007
– 23 WLw 5/07, juris Rn. 16; OLG Hamm, Beschluss vom
5. Dezember 2006
– 10 W 97/05, juris Rn. 66 und vom 7. Juni 2011
– 10 W 123/10, juris Rn. 62; OLG Celle, RdL 2010, 271, 273; H. Wöhrmann,
Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 2 HöfeO Rn. 12 [anders in der 2. Aufl. noch
O. Wöhrmann, Landwirtschaftsrecht, § 2 HöfeO Rn. 9]; vgl. auch Staudin-
ger/Mayer, BGB [2013], Art. 64 EGBGB Rn. 30). Zur Begründung wird darauf ver-
wiesen, dass der Grundstücksbegriff des bürgerlichen Rechts einheitlich gelten
müsse. Nur so ließen sich praktische Schwierigkeiten vermeiden. Denn eine nur
teilweise Zugehörigkeit zum Hof und die damit einhergehende getrennte Verer-
bung setze eine Teilung des Grundstücks voraus, die wiederum nur aufgrund ei-
ner Eigentümererklärung erfolgen könne. Schließlich sei eine Nachlassspaltung
nicht sinnvoll; das Ziel der Erhaltung geschlossener bäuerlicher Wirtschaftseinhei-
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ten stehe einer kleinlichen Abgrenzung entgegen. Werde das Grundbuchgrund-
stück teils landwirtschaftlich, teils anderweitig genutzt, sei auf die überwiegende
Nutzung abzustellen. Die daraus folgende Benachteiligung der weichenden Erben
könne durch eine Anpassung des Abfindungsanspruchs gemäß § 12 Abs. 2
HöfeO abgemildert werden.
bb) Nach anderer Auffassung ist die Beschränkung der Hofzugehörigkeit
auf Grundstücksteile möglich (so OLG Celle, RdL 1984, 132, 133; Lange/
Wulff/Lüdtge-Handjery, HöfeO, 10. Aufl., § 2 Rn. 6 [einschränkend Rn. 1]; Nord-
alm, AgrarR 1977, 108, 109 f.), teilweise wird dies dahin eingeschränkt, dass es
sich um Flurstücke im katasterrechtlichen Sinne handeln müsse (so Steffen/Ernst,
HöfeO, 3. Aufl., § 2 Rn. 3; Faßbender in Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo,
HöfeO, 3. Aufl., § 2 Rn. 39).
c) Richtigerweise können auch einzelne Flurstücke, die kein Grundstück im
Rechtssinne sind, Bestandteil eines Hofes oder aber hoffrei sein.
aa) Der Wortlaut von § 2 Buchst. a HöfeO bietet keinen zureichenden An-
haltspunkt für die Annahme, nur Grundstücke im Rechtssinne, nicht aber Teile
davon könnten Bestandteil eines Hofes sein.
Der Begriff „Grundstück“ kann je
nach Zusammenhang verschiedene Bedeutungen haben (Bengel/Simmerding,
Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 2 Rn. 11 ff.; Netz, GrdstVG, 6. Aufl.,
4.1.1.1). Einen Grundsatz, wonach der Begriff im Zivilrecht stets einheitlich zu ver-
stehen ist, gibt es nicht.
bb) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht eher für die Möglich-
keit, die Hofzugehörigkeit auf Teile eines Grundstücks zu beschränken. Die Höfe-
ordnung trat am 24. April 1947 ursprünglich als Besatzungsrecht in der britischen
Zone in Kraft und ersetzte das Reichserbhofgesetz (REG vom 29. September
1933, RGBl I 685; vgl. H. Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., Einleitung
Rn. 10). Die Vorschrift des § 2 HöfeO, die die Zuordnung von Grundstücken zum
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Hof regelt und die bis heute unverändert fort gilt, knüpfte dabei an § 7 Abs. 1 REG
an. Diese Norm war nach allgemeiner Meinung so zu verstehen, dass ein Grund-
stück auch nur teilweise zum Hof gehören konnte (s. § 15 Abs. 3 der Ausfüh-
rungsvorschrift des Reichs über Gerichtliches Verzeichnis, Erbhöferolle und Erb-
hofvermerk vom 16. Januar 1937, abgedruckt bei Vogels, REG, 4. Aufl., S. 147;
vgl. auch Vogels, aaO § 7 Rn. 15; O. Wöhrmann, Reichserbhofrecht, 3. Aufl., § 7
Rn. 11; Hopp, DJ 1934, 1585, 1586; anders noch KG, in Vogels/Hopp, EHRsp. § 7
Nr. 11 m. abl. Anm. Hesse). Dass § 2 HöfeO ein anderes Verständnis zugrunde
liegt, ist nicht erkennbar.
cc) Dieses Ergebnis wird durch systematische Erwägungen gestützt.
(1) Das gilt zunächst mit Blick auf das Zuweisungsverfahren nach §§ 13 ff.
GrdstVG, welches ähnlich wie die Höfeordnung den Erhalt leistungsfähiger land-
wirtschaftlicher Betriebseinheiten im Erbfall bezweckt (vgl. BVerfGE 91, 346, 356).
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG kann das Landwirtschaftsgericht abweichend
von der sonstigen Erb
folge die „Gesamtheit der Grundstücke“ eines landwirt-
schaftlichen Betriebs einem Miterben zuweisen; ausgenommen werden sollen
nach Satz 2 Grundstücke, die in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen
Zwecken dienen werden. Zwar verwendet das Grundstückverkehrsgesetz den Be-
griff des Grundstücks im Rechtssinne (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1967
– V BLw 24/67, BGHZ 49, 145, 146 f.); es stellt in § 1 Abs. 3 GrdstVG Grund-
stücksteile aber ausdrücklich einem Grundstück gleich. Dementsprechend ist an-
erkannt, dass die Zuweisung nach § 13 GrdstVG (bzw. die Herausnahme einzel-
ner Flächen aus der Zuweisung) auf Teile von Grundstücken im Rechtssinne be-
schränkt werden kann (vgl. OLG München, RdL 1975, 156, 162; Netz, GrdstVG,
6. Aufl., 7.2.1.11). Ebenso kann im Rahmen der Genehmigungspflicht für die
Übertragung landwirtschaftlicher Grundstücke nach § 2 Abs. 1 GrdstVG
– die u.a.
bei der Hofübertragung zum Tragen kommt, §§ 16, 17 HöfeO, § 8 Nr. 2 GrdstVG
auf Teile eines Grundstücks abgestellt werden (vgl. OLG Köln, RdL 1982, 273;
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OLG Stuttgart, RdL 1981, 157; Netz, aaO 4.1.3; Treutlein/Crusius, GrdstVG, § 1
Anm. 4 b).
(2) Entsprechendes gilt im Ergebnis für andere Gesetze, die Ziele der Bo-
denordnung und -lenkung verfolgen (vgl. Bengel/Simmerding, Grundbuch, Grund-
stück, Grenze, 5. Aufl., § 2 Rn. 16). Für das Baugesetzbuch, das ebenfalls vom
Grundstücksbegriff im Rechtssinne ausgeht, bestimmt § 200 Abs. 1 BauGB, dass
die Vorschriften auf Grundstücksteile entsprechend anzuwenden sind. Dement-
sprechend kann sich das gemeindliche Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB auf Teil-
flächen eines Grundbuchgrundstücks beschränken (vgl. Senat, Urteil vom
15. Januar 1971
– V ZR 164/68, NJW 1971, 560, 561); die Enteignung von
Grundstücksteilen ist in § 113 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a BauGB sogar ausdrücklich
vorgesehen. Soweit
– wie im Reichssiedlungsgesetz – eine ausdrückliche Gleich-
stellung von Grundstücksteilen fehlt, wird hingegen von vornherein nicht der
grundbuchrechtliche, sondern ein wirtschaftlicher Grundstücksbegriff zugrunde
gelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 1985
– BLw 9/84, BGHZ 94, 299, 302,
und vom 27. April 2001
– BLw 22/00, AgrarR 2001, 382, zu § 4 RSG).
dd) Vor allem aber sprechen Sinn und Zweck der Höfeordnung dafür, dass
– jedenfalls katastermäßig abgegrenzte – Teile eines Grundstücks Bestandteil
eines Hofes im Sinne von § 2 Buchst. a HöfeO sein können. Die Höfeordnung ge-
staltet die Erbfolge in einen landwirtschaftlichen Betrieb abweichend vom allge-
meinen Erbrecht aus, um lebensfähige landwirtschaftliche Betriebe geschlossen
zu erhalten und deren agrarpolitisch unerwünschte Aufteilung zu verhindern (vgl.
BVerfGE 91, 346, 356; BVerfGE 67, 329, 340 ff.; BVerfGE 15, 337, 342). Dieses
Ziel rechtfertigt die damit verbundene Schlechterstellung der weichenden Erben,
begrenzt aber zugleich den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung (vgl. zum
Landgut i.S.d. § 2049 BGB: BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986
– IVa ZR 143/85,
BGHZ 98, 382, 387 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 19. Juli 1991
– BLw 17/90, BGHZ 115, 157, 159 zu b); Beschluss vom 25. April 2014
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– BLw 6/13, juris Rn. 31). Für eine Ausweitung auf Gegenstände, die mit dem Hof
nicht untrennbar verbunden sind, besteht kein Bedürfnis. Sie erschiene vielmehr
mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und die Erbrechtsgaran-
tie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG) verfassungsrechtlich bedenklich. Die rein bu-
chungstechnische und in ihrem Zuschnitt mitunter zufällige Maßeinheit eines
Grundstücks
– vorliegend sollen über 100 ha unter einer Bestandnummer einge-
tragen sein
– stellt keinen rechtfertigenden Grund für eine nach dem Zweck der
Höfeordnung nicht gebotene Schlechterstellung der weichenden Miterben dar.
Diese müssen sich auch nicht auf die von dem Beschwerdegericht ange-
führte Möglichkeit eines Zuschlags zum Hofeswert nach § 12 HöfeO verweisen
lassen, wenn Teile eines hofzugehörigen Grundstücks dem Hof nicht mehr dienen.
Erfordert die Trennung von
– in tatsächlicher Hinsicht – hofzugehörigen und hof-
freien Flächen nur die Abschreibung eines Grundstücksteils, also einen im we-
sentlichen buchungstechnischen Vorgang, fehlt es, wie die Beteiligte zu 1 zutref-
fend hervorhebt, an einem sachlichen Grund, den weichenden Erben einen An-
spruch auf Übereignung der hoffreien Flächen zugunsten eines bloßen Geldan-
spruchs zu versagen. Werden die Flächen, wie es § 7 Abs. 3 HöfeVfO für Grund-
stücke vorsieht, vor Eintritt des Erbfalls von dem hofzugehörigem Grundstücksteil
abgeschrieben, werden die weichenden Erben mit Tod des Erblassers sogar un-
mittelbar Eigentümer dieser (dann ein selbständiges Grundstück bildenden) Flä-
chen.
Anders als das Beschwerdegericht meint, werden Rechtssicherheit und
Rechtsklarheit nicht beeinträchtigt, wenn ein Grundstück
– bezogen auf abgrenz-
bare, insbesondere katastermäßig selbständige Flächen
– rechtlich teils hofzuge-
hörig und teils hoffrei sein kann. Sachenrechtlich kann das Grundstück bis zu ei-
ner Teilung immer nur ein einheitliches Schicksal nehmen. Bei Eintritt des Erbfalls
geht es folglich als Ganzes auf den Hoferben über; bei einer gemischten Nutzung
ist maßgeblich, welche Nutzungsart überwiegt (vgl. Faßbender in Faßben-
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der/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 2 Rn. 39; H. Wöhrmann, Land-
wirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 2 HöfeO Rn. 12). Dass die weichenden Erben von
dem Hoferben nach Eintritt des Erbfalls die Übereignung des hoffreien Grund-
stücksteils verlangen können, birgt keine rechtlichen Schwierigkeiten; die Lage
stellt sich nicht anders dar, als wenn ihnen dieser Teil von dem Erblasser als Ver-
mächtnis zugewandt worden wäre (vgl. zu den möglichen Gegenständen eines
Vermächtnisses: BGH, Urteil vom 27. Juni 2001
– IV ZR 120/00, BGHZ 148, 187,
190). Wird der hoffreie Teil eines zum Hof gehörenden Grundstücks vor Eintritt
des Erbfalls auf Betreiben des Landwirtschaftsgerichts nach § 7 Abs. 3 HöfeVfO
von dem Grundbuchblatt abgeschrieben, wird die Trennung von hofzugehörigem
und hoffreiem Vermögen auch sachenrechtlich vollzogen; es wird also, wie die
Beteiligte zu 1 zu Recht hervorhebt, sogar ein Mehr an Rechtssicherheit erreicht.
2. Dem Ersuchen der Beteiligten zu 1 steht nicht entgegen, dass die Tren-
nung der betroffenen Flurstücke vom Hof im Sinne des § 7 Abs. 3 HöfeVfO zu ei-
ner Grundstücksteilung führt. Die hierfür notwendige Bewilligung des Eigentümers
wird durch das behördliche Ersuchen ersetzt (§ 38 GBO).
Ob die hoffreien Flurstücke nach ihrer Abschreibung von dem Hofgrund-
stück im Grundbuch als einheitliches Grundstück oder getrennt geführt werden,
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bleibt der Entscheidung des Eigentümers überlassen. Diese hat das Landwirt-
schaftsgericht zu erfragen und bei seinem Ersuchen gegenüber dem Grundbuch-
amt zu berücksichtigen.
Stresemann
Czub
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
AG Winsen (Luhe), Entscheidung vom 10.08.2011 - Bahlburg Bl. 253 -
OLG Celle, Entscheidung vom 13.12.2011 - 7 W 79/11 -